Noch kein neuer Präsident in Sicht

WÜRTTEMBERG

Die Mitgliederversammlung des Weinbauverbands Württemberg e.V. am 2. Mai 2024 in den Räumen der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg stand noch unter dem Eindruck des frühen Tods des langjäh­rigen Präsidenten ­Hermann Hohl, der nach weit über 30 Jahren im Amt vor wenigen Wochen überraschend verstorben war. Gleichwohl wird es in diesem Jahr vermutlich keine Präsidenten-Wahl in Württemberg geben, da der Verband erst einen Generationenübergang und dafür Umstrukturierungen und Satzungsänderungen vornehmen möchte.
Hauk: „Die Branche ist selbst gefragt“
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk gedachte kurz dem verstorbenen Präsidenten Hohl, der „den Verband durch Tiefen und Untiefen“ geführt habe und legte sofort den Finger in die Wunde, indem er den aktuellen Weinabsatzrückgang ansprach: „Absatzrückgänge von 10 % wären in der Wirtschaft eine dramatische Rezession.“ Deshalb forderte er, „innovative Wege“ einzuschlagen und mittels einer Werbekampagne den Absatz anzukurbeln. Er empfahl Ertragsreduzierungen im Weinberg zur Qualitätsverbesserung, um höhere Preise erzielen zu können. Es ergebe keinen Sinn, Rebflächen stillzulegen und Brachen zu schaffen, wo keine sein dürften. Vielmehr könnten „Teilzeitstilllegungen“, die mit 1.500 € pro Hektar und Jahr vom Land gefördert werden, zielführend sein und den Winzern Luft verschaffen.
Hauk forderte weiter die Stärkung des regionalen Absatzmarkts und eine in der Region Württemberg funktionierende Weinwerbung. Gleichzeitig stellte er die Frage in den Raum, warum die Weine des Landes national und interna­tional nicht ebenso erfolgreich sein können, wie die Industrieprodukte und kritisierte offen die Arbeit des Deutschen Wein­instituts, die seiner Meinung nach Weine aus Baden-­Würt­temberg nicht ausreichend berücksichtige. Sein Grußwort schloss Hauk mit den Worten: „Die Branche ist selbst gefragt. Die Politik kann nur flankierend aktiv werden.“
Dr. Dieter Blankenhorn, Direktor der LVWO, äußerte sich besorgt über die Zukunft der weinbaulichen Ausbildungsstandorte. Der Strukturwandel in der deutschen Weinwirtschaft und die damit verbundene steigende Zahl der Betriebsaufgaben führe seit Jahren zu rückläufigen Schülerzahlen mit der Konsequenz, dass Ausbildungsstätten geschlossen werden könnten.
Umstrukturiert und verjüngt
Den Bericht des Präsidiums übernahm in diesem Jahr Verbandsgeschäftsführer ­Hermann Morast. Der Weinbauverband Württemberg sei auch ohne amtierenden Präsidenten derzeit satzungsgemäß handlungsfähig und finanziell gut aufgestellt, obwohl jährlich 3 bis 4 % der Verbandsmitglieder den Weinbau aufgeben.
Das Ehrenamt sei derzeit durch die Personalunion in Verband und Schutzgemeinschaft an der Belastungsgrenze. Deshalb solle der Verband umstrukturiert und die junge Generation eingebunden werden, die bereits einige Vertreter im Vorstand hat. Aus diesem Grund wird auch die Wahl eines neuen Präsidenten ins nächste Jahr verschoben. In Württemberg wählt der amtierende Vorstand den Verbands­präsidenten.
Dringend Projektpartner gesucht
Die seit längerem proklamierte Rodung von 2.000 ha der insgesamt 11.400 ha Württemberger Rebfläche zur Stabilisierung der Absätze bei gleichzeitiger Installation von Photovoltaikanlagen auf den frei werdenden Flächen scheitert momentan am heftigen Widerstand der kommunalen Vertreter in Städten und Gemeinden. Dennoch sucht der Verband dringend Partner und Flächen für einen Modellversuch. Denn die Branchenvertreter gehen davon aus, dass immer mehr Weinbauflächen – vor allem in den Steilstlagen – ohne die gesetzlich vorgeschriebene „Mindestpflege“ aufgelassen und verwildern werden.
Uwe Michelfelder aus der Abteilung Betriebswirtschaft der LVWO machte in seinem Vortrag deutlich, dass in Württemberg zahlreiche Traubenerzeuger nicht kostendeckend arbeiteten. Seinen Berechnungen zufolge seien bei einer Erntemenge von 10.000 kg/ha zur Deckung der Vollkosten und der Erzielung eines Unternehmensgewinns eine Traubengeldauszahlung von 1,63 €/kg Trauben notwendig. Er sieht momentan „einen Dammbruch, der sich in den Statistiken derzeit noch gar nicht niederschlägt“. „Wir werden nie die Kostenführerschaft erreichen“, stellte er fest. Die einzige Lösung sei die Erreichung der Qualitätsführerschaft, um dadurch neue Absatzwege und neue Kunden zu finden. Die Diskussion um die Namen von Piwis versteht Michelfelder nicht. Die Obstbauern hätten schließlich auch kein Problem, neue Sorten in den Markt einzuführen. Uwe Michelfelders Schlusssatz: „Man darf keine Chance liegen lassen!“ he