Der deutsche Weinmarkt in stürmischer See

RHEINHESSEN

Foto: Bettina Sieé
Im Rahmen der AgrarWinterTage fand die Große Jahreshauptversammlung des Weinbauverbandes Rheinhessen statt. Im Fokus stand die derzeitige Lage des Weinbaus mit steigenden Erzeugungskosten, niedrigen Fassweinpreisen und sinkendem Absatz. Bei den aktuellen Fassweinpreisen ist kein Gewinn möglich. Ein schnelles Ende der schwierigen Situation wird nicht erwartet.
Die rheinland-pfälzische Weinbauministerin Daniela Schmitt zeigte in einer emotionalen Rede Verständnis für die schwierige Situation der Landwirte und Winzer. Sie dankte für die friedlichen Demonstrationen und konstruktive Kritik. „Die Vorschläge der Bundesregierung zur Steuererhöhung beim Agrardiesel waren indiskutabel und weder mit Kollegen der Länder noch mit dem Berufsstand besprochen“, so die Ministerin. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die ländlichen Räume und das kulturelle Leben werde in Berlin nicht gesehen. „Die Bauern brauchen Planungssicherheit und auch über die Macht des Lebensmittelhandels müssen wir sprechen“, sagte Schmitt.
Rheinhessen – effizient mit hoher Schlagkraft
Vom Jahrgang 2023 und den Erfahrungen des schwierigen Jahres berichtete Jens Göhring, Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen. Göhring verkündete, dass sich die Schutzgemeinschaft Rheinhessen bei der Rebsortenliste, die vom Bundesgesetzgeber ab der Ernte 2025 gefordert wird, geeinigt habe. Als Lagenweine dürfen in den Verkauf kommen: Riesling, Grau- und Weißburgunder, Chardonnay, Spätburgunder und Silvaner. Ab Prädikat Beerenauslese sind alle Rebsorten möglich.
Die Rheinhessische Weinkönigin Annalena Baum ging auf den Werbeslogan „Wir sind Rheinhessen“ ein. Dieser werde in der Region gelebt und von dynamischen Jungwinzern unterstützt. Nur gemeinsam könne die Region auch zukünftig erfolgreich sein.
„Wir müssen weniger Wein erzeugen“
In einem Impulsvortrag beschrieb Prof. Dr. Simone Loose, Hochschule Geisenheim, schonungslos die aktuelle Lage des Weinmarktes. Die Produk­tionskosten stiegen um 30 %, die Fassweinpreise sind auf niedrigem Niveau stabil und nicht kostendeckend. Laut einer neuen Studie haben 59 % der deutschen Betriebe ihre Investitionen abgesagt oder verringert. Das Realeinkommen sei seit 2022 gesunken, sodass ein Teil der Verbraucher beim Weineinkauf spart. Der Konsum von deutschem Wein ist im letzten Jahr um einen Liter pro Kopf gesunken. Während der Flaschenweinverkauf an Endverbraucher stabil blieb, haben Kellereien 7,8 % Umsatz verloren, bedingt durch den rückläufigen Absatz beim LEH und Discountern.
„Die Krise geht vorbei, aber es wird länger dauern und es wird nicht mehr wie vorher sein“, meint Loose. Franzosen, Italiener und Spanier trinken deutlich weniger Wein, nicht wegen weniger Geld, sondern aus gesundheitlichen Gründen. Die überschüssigen Weine drücken auf den deutschen Markt, während der Konsum weiter sinken wird. Die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung ändert sich und die Jüngeren trinken weniger Wein. Loose kommt zum Schluss: „Wir müssen weniger Wein erzeugen.“ Die Politik könnte Stilllegungsprämien in Aussicht stellen. Denkbar wäre auch eine staatliche Beratung, wie der Betrieb aufgegeben werden kann.
In einer Gesprächsrunde, moderiert von Martin Fischborn, Vizepräsident Weinbauverband Rheinhessen, standen die Herausforderungen und wie man ihnen begegnen könnte im Fokus. Klaus Schneider, Deutscher Weinbaupräsident, appellierte an die Winzer, keine weiteren Pflanzgenehmigungen bei der BLE zu beantragen. Bei massiv sinkendem Weinkonsum und nicht gewinnbringenden Fassweinpreisen ergebe es keinen Sinn, die Rebfläche jährlich zu erweitern. In Deutschland sind jährlich 300 ha Neupflanzungen möglich, wovon besonders Rheinhessen Gebrauch machte. Rotationsbrache mit Blühflächen wäre eine Idee. Zudem warb Schneider für die Mitgliedschaft bei Wine in Moderation, denn immer wieder stehe ein Werbeverbot im Raum. Auch jedes einzelne Mitglied von Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften solle sich anmelden.
Alexander Rittlinger, Geschäftsführer der Weinkellerei Reh Kendermann, erklärte, dass die Kellereien keine Verhandlungsmöglichkeiten hätten. Der Handel diktiere die Preise. Zum Beispiel verlangt der Handel einen Wein, den er für 1,99 € pro Flasche verkaufen wolle. „Das ist mit deutschem Wein nicht möglich“, so Rittlinger. Um das Geschäft dennoch machen zu können, wird spanischer Wein für etwa 50 Cent/Liter eingekauft. Importwein ist günstiger und verdrängt deutschen Wein.
Markus Roll, Betriebsleiter im Weingut Balthasar Ress, Eltville-Hattenheim, erzählt, dass sie 40 % des Gesamtumsatzes im Ausland erzielen. „Dafür sind viele Formulare auszufüllen“, so Roll. bs