Die Erzeugerpreise decken die Kosten nicht

RHEINHESSEN

© Bettina Siée
Die Schutzgemeinschaft Rheinhessen hatte zur Frühjahrspressekonferenz in den Ingelheimer Winzerkeller eingeladen, um über die Lage der Weinwirtschaft, über den Jahrgang, die Situa­tion in den Märkten, die aktuellen weinrechtlichen Themen, die politischen Rahmenbedingungen und die Weinwerbung zu berichten.
Der im März 2023 neu gewählte Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen, Jens Göhring, gab einen Einblick in die Vegetationsentwicklung, die gut voranschreite und insgesamt im langjährigen Mittel liege. Erleichtert zeigte er sich, dass die ausgetriebenen Reben von Spätfrost verschont blieben.
Die Weinernte 2022 brachte in Rheinhessen 2,51 Mio. hl, damit 7,6 % weniger als im Vorjahr, lag aber im zehnjährigen Mittel, erklärte der Vertreter der Weinkellereien, Wolfgang Trautwein. Damit sei die unterbrechungsfreie Marktbeschickung gewährleistet. Bundesweit lag die Ernte mit 9 Mio. hl leicht über dem Vorjahr, aber etwa im Durchschnitt der vergangenen Jahre.
Rheinhessen gewinnt Marktanteile
Innerhalb des Deutschweinsegments hat Rheinhessen einen Marktanteil von 32,7 % (Vorjahr 30,7 %) nach Menge erreicht. Nach Wert erreichte die Region 27,7 % (Vorjahr: 25,2 %). Die Weine aus Rheinhessen verbesserten sich also gegen den Trend, so Trautwein.
Während der Pandemie habe das Anbaugebiet davon profitiert, dass der Weinabsatz im Lebensmittelhandel um 20 % stieg. Deshalb dürfe man den Absatzrückgang nicht beklagen, es sei eine Normalisierung nach der Pandemiezeit, erklärte Trautwein. Der aktuelle Absatzrückgang in den ersten Monaten des Jahres 2023 sei mit der Zurückhaltung der Verbraucher infolge der Inflation zu erklären.
Betrachtet man sich die zur Qualitäts­weinprüfung bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz angestellte Flaschenweinmenge aus Rheinhessen, so fällt auf, dass nach starken Zuwächsen im ersten Pandemiejahr 2020 sowohl bei Rot- als auch Weißwein im vergangenen Jahr 2022 der Absatz der Weißweinmenge erneut leicht angestiegen ist, während es bei Rotwein einen leichten Rückgang gab. Damit setze sich der Trend hin zu weißen Sorten weiter fort, sagte Trautwein. Rheinhessen baut auf 73,5 % seiner Rebfläche weiße Sorten an.
Sorgen bereitet der gesamten Weinbranche der Anstieg der Kosten, besonders für Glas und Verpackung. Zudem mussten die Betriebe mit Lieferengpässen klarkommen. Erstaunt nahm Trautwein zur Kenntnis, dass sich die Glasindustrie über 30 % mehr Gewinn freuen könne. Die Winzer beklagen zudem Preisanstiege bei Diesel, Stahl, Maschinen und Energie. Der Kostenanstieg werde auf der Erlösseite nicht annähernd abgebildet, weder bei den Flaschenweinen noch auf dem Fassweinmarkt, bedauert Trautwein. Der Handel sei nicht bereit mehr zu zahlen. Es gebe auch kaum Bereitschaft zum Lagern der Ware. Insgesamt gestalten sich die Verhandlungen sehr schwierig, berichtet Trautwein. Und auch die Flaschenvermarkter, die durchweg ihre Preise erhöht haben, könnten die enormen Kostensteigerungen nicht auffangen, ergänzte Göhring.
Trautwein und Göhring sind trotz der aktuell angespannten Situation optimistisch, weil Rheinhessen im Vergleich zu anderen Weinregionen gut aufgestellt sei und kostengünstiger erzeugen könne als andere.
Positive Signale gibt es beim Export
Traditionell kommt ein großer Teil der Exporte deutscher Weine aus Rheinhessen, dabei handele es sich fast ausschließlich um Weißwein. Rheinhessen hat eine Exportquote von 20 %. Der durchschnittliche Exportpreis für deutsche Weine hat 2022 einen Höchststand erreicht: Er stieg im Vergleich zum Vorjahr um 20 Cent auf 3,15 Euro pro Liter. Dabei stand nach einem massiven Zuwachs im Jahr 2021 im letzten Jahr ein Wertplus von 3,7 % einem Mengenrückgang von 3,1 % gegenüber. Hervorzuheben sind Wertzuwächse in China von 22,4 %, in den Niederlanden von 7,6 % und in Großbritannien von 5,7 % im Vergleich zum Vorjahr. In China ist eine Mengensteigerung von 24,1 % zu verzeichnen, was aber nicht überbewertet werden sollte. Die Exportmengen in die USA, nach Norwegen und Großbritannien waren dagegen rückläufig.
Im Fokus der Schutzgemeinschaft Rheinhessen steht die Herkunftsprofilierung. Als eine große Aufgabe steht innerhalb der rheinhessischen Weinwirtschaft die Klärung der Frage an, welche Rebsorten für Einzel­lagen-­Weine künftig genutzt werden dürfen.
Stefan Braunewell, Vorsitzender der Gebietsweinwerbung Rheinhessenwein, sagt, dass die Werbung emotionaler geworden sei. Die Kampagne „Wir sind Rheinhessen“ läuft zwar seit drei Jahren, sei aber dennoch als neu anzusehen und bespielt alle Kanäle, von Printanzeigen über PR-Aktivitäten bis zu den sozialen Me­dien. Inhaltlich geht es um Menschen in der Weinwirtschaft, das „Rheinhessen-­Wir-Gefühl“, Lebensfreude und den Wein. Im Mittelpunkt stehen die Winzer und ihre Geschichten als Botschafter der Region.
Es gibt ein digitales Weinlagen-Informationssystem, bei dem die Weinlagen online erlebbar sind und auch touristische Informationen abrufbar sind. Die Betriebe können dabei ihre eigene Lagenkommunikation mit Verlinkungen auf das Rheinhessen-Portal unterfüttern. Von den 412 Weinlagen Rheinhessens wurden bisher etwa 160 gefilmt und fotografiert. Im Sinne der Herkunfts­profilierung werden in diesem Jahr weitere 30 Lagen mit Bild­mate­rial und Geschichten aufgewertet. Rheinhessenwein hat für die Absatzförderungsmaßnahmen im Jahr 2023 ein Budget von insgesamt 3 Mio. Euro zur Verfügung. bs