Die Weinbruderschaft Rheinhessen veranstaltete ihren traditionellen Weinzirkel am Sankt Rochustag dieses Jahr in Wörrstadt, zu dem rund 40 Mitglieder und 20 Gäste in die Neubornhalle kamen. Im Mittelpunkt stand eine Forschungsarbeit der Universität Mainz zur regionalen Weingeschichte.
Jeglicher Genuss alkoholischer Getränke – auch der von Wein – wird neuerdings durch vermeintliche Experten von Behörden und durch den Bundesgesundheitsminister verteufelt. Das kritisierte Prof. Dr. Axel Poweleit, Brudermeister der mehr als 300 Mitglieder starken Weinbruderschaft Rheinhessen, der sich an die Zeit der Prohibition erinnert fühlt. Die Weinbruderschaft sieht Weinbau und Wein als Kulturgüter, die es zu schützen gilt. „Wir müssen wachsam bleiben“, appellierte er an seine Weinbrüder und -schwestern, verbunden mit der Empfehlung, bei heimischen Winzern einzukaufen.
Zukunft gestalten und Wurzeln erhalten
Zum Jahresthema „Wertschätzung und Wertschöpfung – Zukunft gestalten, Wurzeln erhalten“ passte der Vortrag, der im Mittelpunkt des Weinzirkels stand: Weinbruder Simeon Guthier gewährte Einblicke in seine sozial- und wirtschaftshistorische Forschungsarbeit für seine Promotion. Dafür hat er zum Beispiel 888 Rechnungen von Schloss Vollrads, Kloster Eberbach sowie der fränkischen Weinkellereien Amt Castell und Kloster Münsterschwarzach aus der Zeit zwischen 1600 und 1806 überprüft.
Auch die regional unterschiedliche Bedeutung von Fuder (rund 900 L) und dazu in Relation stehender Mengenangaben wie Stück (1.200 L) hat Guthier erarbeitet. Der Preis des Weines sei ein Indiz für dessen Wertschätzung. Das Geld, mit dem der Wein bezahlt wurde, variierte regional: Gulden, Franken, Albus, Reichstaler und Reichspfund, Schilling, Heller, Batzen, Kreuzer und Pfennige waren gebräuchliche Münzen, deren Werte zu verrechnen waren. Zur Vereinfachung wurden anstelle der im Umlauf befindlichen Währungen fiktive Währungen verwendet: Der Reichs(rechen)taler etablierte sich im 17. Jahrhundert in allen deutschen Ländern als Vergleichswährung. Wein wurde aber mitunter auch gegen Ware getauscht.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Wein fast ausschließlich in Fässern unterschiedlicher Größe gehandelt. Der Vertrieb in Flaschen kam erst Ende des 18. Jahrhunderts in Mode. Ende des 16. bis ins 19. Jahrhundert habe „die kleine Eiszeit“ den Weinbau durch harte, lange Winter erschwert. „Hungersnöte und Epidemien prägten die Epoche“, so Guthier. „Im Gegensatz zu heute war Wein als alltägliches Konsumgut steter Begleiter des Lebens“, erklärte er.
Am Beispiel von Schloss Vollrads, dessen Weinbau schon 1191 urkundlich wurde, zeigte der Referent die Bedeutung des Weinbaus auf. Zwischen 1728 und 1781 wurden auf Schloss Vollrads mehr als 3 Mio. L Wein eingekellert, im Schnitt rund 30.000 L pro Jahr. In guten Jahren wurden mehr als 100.000 L Most erzeugt, während schlechte Jahre wie 1740 einen Totalausfall bescherten. Von den 100 Jahrgängen im 18. Jahrhundert wurden 38 geschmacklich als sehr gut oder gut bewertet, während 35 als mittelmäßig und 27 als schlecht bis sehr schlecht galten. Guthiers Fazit: „Unsere Vorfahren wussten Wein nach Herkunft, Jahrgang und Güte einzuordnen und haben die Partien wertsteigernd verschnitten.“
Bei der Weinprobe standen acht rund um Wörrstadt ökologisch erzeugte Weine im Mittelpunkt. Poweleit dankte dem Organisator des Zirkels, Guido Borowski, dem Kellermeister Pascal Balzhäuser und Wolfgang Petry, der das Programm durch Gedichte und Liedbeiträge bereicherte. Norbert Krupp