Ausblick auf das Herbstgeschäft

Weinmarkt

Foto: Kellerei Mertes
Zur momentanen Marktaussicht und dem zu erwartenden Absatz des 2024er Weinjahrgangs hat Das Deutsche Weinmagazin Christoph Schneider, Weinkellerei Peter Mertes in Bernkastel, nach seiner Einschätzung gefragt.
Der Verkaufsdruck der Winzer steigt, denn die 2024er Lese steht bevor und es fehlt Fassraum. Es herrscht große Unsicherheit. Werden die Kellereien die 2023er Bestände, die noch in den Kellern der Fassweinwinzer lagern, vermarkten können?
Christoph Schneider: Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Einige Rebsorten werden sich vermarkten lassen. Bei anderen könnte es schwierig werden, sie als Wein mit g.U. zu vermarkten. Der Absatz hängt auch davon ab, wann die 2024er Weine verfügbar sein werden und wie sich der Jahrgang qualitativ gegenüber den noch verfügbaren 2023ern präsentiert. Problematische Partien aus dem Jahr 2023 könnten als Basiswein für aromatisierte Erzeugnisse Verwendung finden, sofern sie von handelsüblicher Beschaffenheit sind.
Welche Frischmostmenge plant die Kellerei Mertes in der Ernte 2024 abzunehmen?
Christoph Schneider: Wir planen mit den Weinmengen der Vorjahre – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wie wird sich in den nächsten Jahren die gehandelte Weinmenge während der Ernte verändern? Im Herbst 2023 waren die Einkaufstätigkeiten der Kellereien zögerlich und ab Februar 2024 sehr eingeschränkt. Ist das auch in den nächsten Jahren zu erwarten?
Christoph Schneider: Unserer Einschätzung nach wird sich die gehandelte Mostmenge im Herbst nicht erhöhen. Das hat vor allem mit den verfügbaren Kapazitäten für die Mostvorklärung und dem Tank-raum für eine kontrollierte Vergärung zu tun. Hinzu kommt der Engpass bei den verfügbaren Transportkapazitäten. Wie sich das Einkaufsverhalten im Folgejahr entwickelt, hängt in erster Linie vom Vermarktungserfolg ab.
Welche Rebsorten haben das größte Zukunftspotenzial am Markt?
Christoph Schneider: Die beliebtesten Rebsorten werden auch weiterhin die am stärksten nachgefragten sein: Riesling, Grau- und Weißburgunder. Bei den Rotweinsorten fehlt uns eine Alternative zum Dornfelder für die Vermarktung von Rotweinen interna­tionalen Stils. Vielleicht kann eine Piwi-­Rebsorte, wie Cabernet Cortis diese Lücke füllen. Bei den weißen Piwi-Sorten der jüngeren Generation haben einige gezeigt, dass wunderbare Weine daraus vinifiziert werden können. Ich denke dabei an Souvignier gris, Sauvitage und Calardis blanc. Um eine erfolgreiche Vermarktung aufbauen zu können, sollten wir uns auf wenige Rebsorten (Zukunftsweine) konzentrieren.
Wie geht es mit Bioweinen weiter? Welche Rebsorten werden bevorzugt?
Christoph Schneider: Es gibt keine Piwi-Rebsorten, die im Fokus stehen. Die Nachfrage nach Piwis ist aktuell eher gering, was sicher mit der UVP- Gestaltung von 4,79 Euro/Flasche zusammenhängt. Wenn die Weine wieder zu 4,49 Euro/Flasche vermarktet werden können oder besser noch zu 3,99 Euro/Flasche, wird sich der Absatz der Bio-Weine steigern lassen. Der Verbraucher agiert sehr preissensibel.
Welche Absätze erwarten die Kellereien in den nächsten zwei Jahren?
Christoph Schneider: Ich denke, dass der Weinabsatz noch weiter sinken wird. Bestimmte Produkte, wie Secco-­Dosen, Weincocktails und ähnliches werden weiter zulegen. Wie sich aktuell zeigt, sind wir mit unseren Marken „Bree“ und „Maybach“ sehr gut aufgestellt und entwickeln uns gegen den Trend mit guten Absatzzahlen. Ich gehe davon aus, dass wir diese beiden Marken in den nächsten zwei Jahren weiter ausbauen können.
Wie schätzen die Kellereien den künftigen Export ein?
Christoph Schneider: Auch international ist weiterhin mit geringerem Weinkonsum zu rechnen. Konsumenten können sich weniger leisten, trinken generell weniger Alkohol und wenn, verstärkt andere Getränke (No/Low). Durch Überkapazitäten in verschiedenen Weinregionen wird sich der Druck auf deutschen Wein weiter verstärken. Ein kleiner Lichtblick ist im höheren Weißweinkonsum in China zu erkennen.
Wie wird sich der Weinkonsum weiterentwickeln? Was müsste sich ändern?
Christoph Schneider: Das ist eine schwierige Frage, auch vor dem Hintergrund der ständigen Diskussion über die Gefahren des Alkoholkonsums. Wir müssen den Aspekt Genuss deutlicher in den Fokus setzen und nicht die negative Assozia­tion des Begriffs Alkohol. Da­rüber hinaus müssen wir die Chancen sehen, die die Vermarktung von entalkoholisierten und teilweise entalkoholisierten Weinen bieten und selbstverständlich auch von Weinen, die von Natur aus mit geringeren Alkoholgehalten Trinkfreude vermitteln. Hier kann man mithilfe „neuer“ Anbaumethoden sicherlich noch viel erreichen.
Für eine erfolgreiche Vermarktung der entalkoholisierten und teilweise entalkoholisierten Weine sollte durch eine Anpassung des Bezeichnungsrechts die Möglichkeit gegeben werden, diese mit regionaler Herkunft auszuloben.
Warum ist der Marktanteil ausländischer Weine in deutschen Supermärkten so hoch?
Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) möchte ein breites Spektrum an Weinen abbilden, daher auch der hohe Anteil an ausländischen Weinen. Im Moment beschäftigen sich einzelne Teams des LEH mit den Sortimenten. Ich erwarte, dass einige Weine in nächster Zeit aus dem Regal verschwinden werden. Aktuell verliert Übersee an Anteilen im Weinregal. Lebensmittelhändler nehmen die Weinsortimente unter die Lupe, da wird in den nächsten zwei Jahren einiges passieren. Starke Weinmarken werden sich weiter durchsetzen.
Wie können Politiker und Winzer positiv eingreifen? Sollten gesetzliche Regelungen verändert werden?
Christoph Schneider: Ich tue mir schwer mit dieser Frage. Wir rufen die Politik an, wenn's klemmt. Wenn alles im Fluss ist, machen wir uns für das Subsidiaritätsprinzip stark. Was soll die Politik tun? Soll sie den 100. Arbeitskreis Entbürokratisierung gründen? Bis sich alle Entscheidungsträger einig sind, was gut ist und was weg kann, haben wir weitere Marktanteile verloren und daraus resultierend die Rebfläche und die Zahl der Erzeuger reduziert. Wir müssen uns der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Alkohol stellen und gleichzeitig dem Reduzieren nur auf dessen Risiken entgegentreten. Wein ist Genuss und begleitet uns in unvergesslichen Momenten. Das sollte ausreichen, um die Ernte von etwa 100.000 ha Rebfläche in Deutschland erfolgreich zu vermarkten – erfolgreich für alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette.
Wie kann man den Discount dazu bringen, dass sie die Urproduktion positiver bewerten, um das Überleben der Winzer und Landwirte in Deutschland zu sichern? Schließlich sind auch diese Kunden vom Discount.
Christoph Schneider: Hätte ich darauf eine Antwort, wäre ich schon zur Tat geschritten. Müsste die Frage nicht lauten, wie kann man die Verbraucher dazu bringen, die Urproduk­tion wieder positiver zu bewerten? Schließlich sprechen wir immer wieder von Nachhaltigkeit und Regionalität. Was ist für den deutschen Markt nachhaltiger und regionaler als landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland? Nicht zuletzt sollte auch jeder Winzer einen prüfenden Blick in seinen eigenen Einkaufswagen werfen und sich fragen, ob er allen Urproduzenten eine faire Entlohnung zugesteht.
Nebenbei bemerkt: Es gibt nicht den Discount, vielmehr sind es wenige Akteure, die unterschiedlich agieren. Einige sehen den Partner und erkennen die Grenzen des Möglichen, andere sehen immer nur einen zu hohen Preis.
Rudolf Litty Klingenmünster