Denkwürdiger Jahrgang in Württemberg

WÜRTTEMBERG

Pünktlich zum Finale der Turbo-Traubenlese, die bei den Lauffener Weingärtnern am 12. Oktober mit Cabernet-Sorten zu Ende geht, wagte der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) eine erste Herbstbilanz 2023. Von einem „denkwürdigen“ Jahrgang und nachdenklich stimmenden Wirtschaftsdaten sprachen allen voran BWGV-Präsident Roman Glaser, der Lauffener WG-Chef Dietrich Rembold sowie Uwe Kämpfer als Vorstandvorsitzender der Württembergischen Weingärtner Zentralgenossenschaft (WZG).
Destillation in Württemberg?
Für die 31 Württemberger Winzergenossenschaften, die zwei Drittel des 11. 300 ha umfassenden Anbaugebiets abdecken, beträgt die Ausbeute des 2023er Jahrgangs 64 Mio. l gegenüber 73 Mio. l im Vorjahr. Dies entspricht einem Hektarertrag von 88 hl, gesetzlich erlaubt wären bis zu 110 l. Hochgerechnet dürfte es also insgesamt 97 Mio. l 2023er Württemberger geben: 20 % weniger als die hohen Erwartungen vor Lesebeginn Anfang September. Wie Kämpfer sagte, überlege die WZG deshalb auch noch, ob sie Wein der Destillation zuführen wolle. „Vor der Lese hätte ich noch gesagt: Ja. Aber nun wägen wir noch ab.“ Wobei hierfür sowieso nur kleine Menge in Frage kämen, „also gewiss keine fünf Millionen Liter“.
Schuld am Schwund sei – neben kleineren Hitzeschäden und teils größeren Mehltau-Ausfällen – vor allem die Fäulnis, die die Wengerter während der Lese schwer zu schaffen machte. Nach dem großen Juli- und August-Regen mit jeweils rund 100 l/m2 hätten sich die prallen Beeren bei kompakten Trauben gegenseitig zum Platzen gebracht. Deshalb sei eine selektive, aber auch schelle Lese angesagt gewesen. „Normalerweise rechnen wir mit 30 Lesetagen, diesmal waren es nur 20“, berichtete Rembold, der sich bei den Kollegen ausdrücklich für deren „Lesedisziplin“ bedankte.
Nur so habe man gesundes Lesegut ernten können. Mancherorts seien sogar ganze Vollernter- Ladungen an der Kelter abgewiesen worden, hieß es am Rande.
Marktsorgen und steigende Kosten
Große Sorgen bereitet den Wengertern die aktuelle Marktlage. So ist der Absatz der Württemberger Winzergenossenschaften im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,7 % auf 26,2 Mio. l Wein und Sekt gesunken, der Umsatz auf 83,1 Mio. € (-10,6 %). Glaser und Kämpfer führen dies vor allem auf die hohe Inflation und allgemeine Preissteigerungen zurück, wodurch die Verbraucher „sehr preisbewusst agieren“. Im Gesamtjahr 2022 hatten die heimischen WGs 65,2 Mio. l Wein und Sekt verkauft und damit etwa soviel wie im Vorjahr, während der Umsatz um 2,2 % auf 201,8 Mio. € gesunken war. „Gefährlich“ ist für Roman Glaser, dass die Schere zwischen steigenden Produktionskosten und sinkenden Erlösen weiter auseinandergehe. So seien mit dem Ukraine-Krieg die Kosten für Energie, Verpackung Glas, Logistik sowie Dünger und Pflanzenschutzmittel „explodiert“. Auch die Erhöhung des Mindestlohns wirke sich gerade in einem Jahr mit aufwendiger Arbeit im Weinberg stark aus. „Doch der Preis für eine Flasche Württemberger spiegelt dies alles nicht wider“, betonte Glaser. Umso irritierender sei es, dass der LEH aktuell fordere, die „moderaten Preiserhöhungen“ des Vorjahres zurückzunehmen. Glaser: „Der Handel darf nicht seine Marktmacht ausnutzen und die heimische Weinwirtschaft gegen internationale Konkurrenz ausspielen. Das ist auch nicht im Sinne unserer Verbraucher, die im Regal regional erzeugte Weine finden wollen.“ Angaben zum Traubengeld wollte keiner der drei machen. Vor zehn bis 15 Jahren lag der Württemberger-Schnitt hier noch bei 12.500 €/ha, heute seien es „teils viel weniger als 10.000“ und damit auf einem historischen Tief, sagen Branchenkenner.
Kilian Krauth