Einfluss des Klimawandels auf die Rebsortenwahl?

Aus der Sicht des Rebenveredlers

Foto: Bettina Siée
Für eine Neuanlage mit einer Standzeit von etwa 30 Jahren und mehr ist eine weitsich­tige Entscheidung gefragt. So fragen sich die Winzer, was langfristig gebraucht wird und welche Sorte im Trend liegt. Wie lange hält der Trend an? Was schmeckt dem Verbraucher? Inwieweit sind bei der Auswahl einer Rebsorte die Veränderungen durch den Klimawandel zu berücksichtigen? Rebveredler Volker Freytag von der Rebschule Freytag in Neustadt/Weinstraße gibt Antworten.
Wie kommen Sorten mit dem Klimawandel klar?
Die Winzer kämpfen, bedingt durch den Klimawandel, immer mehr mit extremen Witterungssituationen. Gerade in diesem Jahr haben das die Winzer zu spüren bekommen. Im Jahr 2021 waren starke Niederschläge und kühle Witterung die Probleme. Die drei Jahre zuvor kämpften die Winzer mit großer Hitze und extremer Trockenheit. Mit all diesen Heraus­forderungen müssen die Reben klarkommen, daher ist bei der Rebsortenwahl eine sehr weitreichende Entscheidung zu treffen, um die man sich Gedanken machen muss.
Unter den klassischen Rebsorten gibt es durchaus welche, die auch diese Herausforderungen gut meistern, andere haben aber größere Probleme. Zum Glück gibt es in Deutschland eine innovative Rebenzüchtung, die europaweit führend ist und einige sehr interessante Piwi-Sorten hervorgebracht hat, die den neuen Herausforderungen besser gewachsen sind.
Wichtig ist zu wissen, dass die EU den sogenannten „Green Deal“ beschlossen hat, der besagt, dass die Pflanzenschutzmaßnahmen bis 2030 um 50 % reduziert werden müssen. Um dies zu erreichen, kommt man um den Anbau von Piwi-Sorten nicht herum. Bei den Piwis kann der Pflanzenschutz auf ein Minimum reduziert werden. Dennoch werden ein bis zwei Spritzungen empfohlen, vor allem die zum Zeitpunkt der Blüte.
Gibt es neue Sorten? Wie ist hier die Nachfrage?
Die Rebschule Freytag arbeitet seit dreißig Jahren mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten und hat viele Versuche gemacht. Dabei wurde festgestellt, dass eine Reduzierung der Pflanzenschutzmaßnahmen zwischen 70 und 80 %, je nach Rebsorte und Jahr, möglich ist.
Es gibt immer wieder neue Rebsorten und neuere Generationen von Piwis, bei einigen sind Mehrfachresistenzen vorhanden. Hier wären zum Beispiel Calardis blanc und Sau­vignac zu nennen, bei denen zwei Gene gegen Peronospora eingekreuzt wurden. Die Nachfrage ist mittlerweile so groß, dass es für die Saison 2022 praktisch keine Piwi-Reben mehr auf dem Markt gibt. Interessenten sollten sich bald für die Saison 2023 melden.
Bezüglich der Vermarktung kann man feststellen, dass die Weinqualität der neuen Piwi- Sorten so gut ist, dass sie bei Blindverkostungen nicht schlechter wie traditionelle Rebsorten abschneiden.
Neben den Weingütern fragen nun auch immer mehr große Kellereien und Supermarktketten nach Piwi-Weinen, da diese Interesse daran haben das Nachhaltigkeitsthema voranzubringen.
Fragen eher Öko-Winzer nach Piwis?
Piwis werden sowohl von Öko- Betrieben wie auch von konventionellen Winzern nachgefragt.
Sollen neue Rebsorten eher bukettbetont sein?
Es gibt bei den neuen Rebsorten sowohl bukettbetonte wie auch neutralere Weintypen. Wichtig ist hier, jedes Marktsegment bedienen zu können. Es entstehen aber sicher auch neue Aromanoten. Durch die Vielfalt der Kreuzungspartner ist das sehr spannend.
Gibt es noch Reben für die Pflanzsaison 2022?
Die Marktsituation ist, bedingt durch die Pandemie und die Wetterextreme 2021, sehr angespannt. Es gibt sowohl bei Piwis als auch bei einigen klassischen Rebsorten wie Grauburgunder und Riesling kaum noch verfügbare Reben für die Pflanzsaison 2022.
Bis wann sind die Reben für 2023 zu bestellen?
Um wirklich sicherzugehen, die gewünschten Rebsorten auch zu bekommen, sollten die Reben für 2023 so früh wie möglich bestellt werden, von jetzt bis Februar 2022 wäre eine gute Zeit. Rebschulen sind sehr lohnintensive Betriebe und niemand kann im Moment aufgrund der Pandemie sicher planen, wie viel Personal für 2023 zur Verfügung steht.
Schwanken die jährlichen Bestellungen stark?
Die jährlichen Bestellungen der Pfropfreben insgesamt schwanken in der Menge in Deutschland nicht sehr stark. Der Umtrieb (die jährlich wiederbepflanzte Fläche) liegt in Deutschland zwischen 2 und 2,5 %. Innerhalb der Rebsorten schwanken die Bestellungen allerdings erheblich. Je nach Marktsituation für den Wein, werden auch die Rebsorten ausgewählt.
Steigt die Nachfrage nach Hochstammreben?
Der Bedarf an Hochstammreben nimmt noch etwas zu. Die arbeitswirtschaftlichen Vorteile haben gerade in Zeiten von Personalknappheit dazu geführt, dass sich noch mehr Winzer sich für diese Art von Reben entscheiden.
Welche Sorten sind derzeit stark gefragt?
Sehr gefragt sind weiße Piwi- Sorten wie Cabernet blanc, Sauvignac, Calardis blanc, Souvignier gris, Muscaris, Donauriesling und so weiter. Bei den klassischen Rebsorten sind weiterhin Riesling, Grauburgunder, Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon blanc sehr beliebt. Nach roten Rebsorten wird etwas weniger gefragt, hier werden dann eher rote Piwisorten wie Satin Noir, Pinotin, Cabertin, Laurot und Cabernet Cortis favorisiert.
Sind Tafeltrauben noch gefragt?
Die Nachfrage nach Tafeltrauben-Sorten ist etwas zurückgegangen. Leider konnten sich in Deutschland erzeugte Tafel­trauben nicht gegen die Konkurrenz am Markt aus südlichen Ländern durchsetzen. Die Gestehungskosten in Deutschland sind zu hoch und auch die Witterungsschwankungen sind eine große Herausforderung.
Es gibt allerdings einige Beispiele im Bio-Bereich, die mit Piwi-Tafeltrauben erfolgreich sind. Rebsorten sind hier Muskat bleu, Palatina, Birstaler-Muskat, Fanny, Angela, Lilla, Evita und andere. Eine Nische ist auch die Herstellung von Traubensaft aus Tafeltrauben. Hierfür dürfen Tafeltrauben­sorten auch auf nicht weinbauwürdigen Flächen angebaut werden und dies wird von einigen Betrieben erfolgreich genutzt. Rudolf Litty, Klimgenmünster