Fassweinmarkt unter Druck

RHEINHESSEN

Foto: Elke Setzepfand
„Die Kommissionäre holen noch Ware ab, aber der Markt steht wegen der konjunkturbedingten Konsumzurückhaltung der Verbraucher leider unter Druck“, sagte Jens Göhring, Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes (BWV) Rheinland-Pfalz Süd im Kreis Alzey-Worms anlässlich deren Kreisversammlung. Während Frankreich und Spanien in Diskussionen Rodungsprämien von der EU fordern, sehe der Deutsche Weinbauverband dazu derzeit keine Veranlassung, bemerkte Göhring. In der Diskussion seien Biodiversitätsflächen. Die Möglichkeit, Rodungen vorzunehmen, die Brache mit Blühmischungen einzusäen und als ökologische Leistung honoriert zu bekommen, sollte so lange genehmigt werden, bis geeignete neue Sorten verfügbar sind und der Markt wieder stabiler sei.
Den Weinmarkt entlasten
Diese Option könne kurzfristig den Markt entlasten. Unklar sei jedoch, wie hoch die Zahlungen für diese Leistung sein sollten und aus welchem Topf das Geld kommen solle. Werde die Rodungsprämie tatsächlich angedacht, dann möchte Deutschland für einen Anbau­stopp der Rebfläche in Europa plädieren. Ein sofortiger Anbaustopp sei in der aktuellen GAP bis 2027 leider rechtlich nicht möglich. Die bevorstehende Wahl zum EU-­Parlament führe zudem dazu, dass Brüssel jetzt bis zur „Neusortierung“ eine Zeit lang nicht wirklich handlungsfähig sei. Das koste wertvolle Zeit.
„Jeder müsse selbst überlegen, ob er unter den gegebenen Voraussetzungen noch in weitere Flächen investiert. Es ist ein Paradigmenwechsel notwendig, der den Zuwachs an Rebfläche reduziert. Es liegen zwei oder drei schwierige Jahre vor uns“, fasste Göhring zusammen. Weitere Themen der Weinbaupolitik waren das Absenken des Dornfelder-Mostgewichts und das Gesetz zur Weinwerbung. Um die hektischen Verwaltungsgänge kurz vor der Lese zu vermeiden, wird in der Branche diskutiert, das Mostgewicht von Dornfelder generell abzusenken. Zur Weinwerbung, die in den vergangenen 30 Jahren ein kon­stantes Budget zur Verfügung hatte, fordere die Mosel, dieses Budget nun deutlich anzuheben. Auch hier sei noch viel Redebedarf.
Zum Frostgeschehen bemerkte Göhring, dass es teils 80 % Schäden in manchen Lagen gab, wobei es sich um Strömungsfrost mit Wind gehandelt habe, sodass gute Lagen auf Bergrücken betroffen waren und die Lagen darunter grün sind. Noch seien ganze Lagen in Schockstarre, es werde sich in den nächsten Wochen zeigen, was die Rebe noch ausgleichen kann.
Brüssel hat sich bewegt, Berlin nicht
BWV-Präsident Eberhard ­Hartelt ging nur kurz auf die Bauernproteste ein, vor allem dankte er allen beteiligten Winzern und Landwirten sowie der Gruppe „Land schafft Verbindung“ in Rheinhessen. „Ohne eure Hilfe hätten nicht so viele mobilisiert werden können“, sagte er und erinnerte daran, dass hoffentlich alle ihren Agrar­dieselantrag für das Jahr 2023 abgegeben haben. Dieser kann online unter www.zoll.de weiterhin unter dem Stichwort Agrardieselentlastung getätigt werden.
Hartelt betonte, wie wichtig die Einigkeit in der Branche ist, um in Berlin oder Brüssel Gehör zu finden. Gemeinsam mit den Bauern in Frankreich und Belgien habe sich die EU bewegt: Ist SUR vom Tisch, sind gewisse Lockerungen wie das Aussetzen der 4 % Stilllegung möglich gewesen. Nur in Berlin habe die Bundesregierung noch nicht umgeschaltet. Hier wurde nun SUR, national direkt in einem Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums erneut auf den Tisch gebracht. Die Kritiker der Landwirtschaft reden stets von einer Roll back, einer Umkehrung der Laufrichtung. „Das wollen wir gar nicht“, sagte Hartelt. „Wir wollen jedoch, dass die vielen Leistungen, die wir für die Gesellschaft erbringen, honoriert werden. Ob Wasserschutz, Umweltschutz, Artenschutz, Klimaschutz, das muss honoriert werden.“
Auch Hartelt hatte eben gerade seinen E-Antrag abgegeben und gestand: „Wenn Sie das einmal im Jahr machen, dann bleiben da immer offene Fragen und Unsicherheiten. Ich bin froh, dass es die Helfer beim BWV gibt.“ Doch dieses komplexe und unbeherrschbare Programm bereite nicht nur Landwirten, sondern auch der Verwaltung selbst, dem Land und den Programmierern Schwierigkeiten. Auch in diesem Jahr funktionierte es nicht ohne Komplikationen.
Einen Neuanfang bei der GAP wagen
Es sei an der Zeit, wieder einen Schnitt zu machen. Wie seinerzeit 1992, als die europäische Agrarpolitik schon einmal im Netz der übergeregelten Marktwirtschaft gefangen war. Heute sei man Geisel der überbordenden Bürokratie. „Ich plädiere erneut für einen Schnitt und den Aufbau eines neuen Systems, das folgende Pfeiler haben muss: Erstens ein Element der Einkommensstabilisierung für die Betriebe, zweitens ein gesellschaftlicher Ausgleich für die ökologischen Leistungen und drittens ein Risikoausgleich, wie es diesen in Luxemburg oder Frankreich gibt, eine Mehrgefahrenversicherung.“
Letzteres fordere er schon seit über einem Jahr in Rheinland-Pfalz. In Baden-­Würt­temberg und Bayern sei es Realität. In Bayern seien sogar die Krähenschäden mit dabei. Hier habe sich die SGD Süd nun doch bewegt und es sei dank der online Meldungen leichter, Abschussgenehmigungen in gewissen Regionen zu erhalten. „Nutzen Sie das Portal zur Meldung von Krähenschäden, es hilft allen“, sagte auch Göhring.
Wichtiger Punkt auf der Tagesordnung waren zwei Ehrungen: Adolf Dahlem aus ­Gunters­blum und Frieder Obenauer aus Worms-Heppenheim wurden für ihr langjähriges Engagement für den Berufsstand mit der Silbernen Ehrennadel des BWV Rheinland-Pfalz Süd ausgezeichnet. Hartelt nannte Dahlem einen ausgleichenden Partner, der unterschiedliche Interessen im Berufsstand und zu anderen Interessensgruppen wie dem Naturschutz akzeptiere. Hartelt dankte ihm persönlich, er sei ihm ein kritischer Begleiter, der konstruktive Kritik äußerte, auch am Präsidenten, was er sehr schätze. zep