Forschungsvorhaben zu Energie und Wasser

ATW – Ausschuss für Technik im Weinbau

Foto: Bettina Siée
Der Ausschuss für Technik im Weinbau (ATW) hatte am 25. und 26. Mai zur 47. Tagung in die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim eingeladen. ATW-Vorsitzender Dr. Jürgen Dietrich, begrüßte etwa 50 Experten aus Forschung und Beratung. Dietrich würdigte die 30-jährige Arbeit von Oswald Walg, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, für den ATW. Walg ist seit April im Ruhestand. Er war von 2011 bis 2022 im Beirat des ATW, hat unzählige Projekte betreut und 15 Arbeitsblätter erarbeitet. Seine Themen reichen von Abwasser in der Kellerwirtschaft über mechanischen Reb­schnitt, Ausheben von Schnittholz, Schmalspurtraktoren bis zu Minimalschnitt im Spalier und vielem mehr. Zuletzt befasste er sich mit thermischer Rebholzverwertung.
Nach dem Rebschnitt müssen je Hektar Rebfläche etwa 25 bis 45 dt Schnittholz beseitigt werden. Es wird meist zerkleinert im Weinberg belassen und trägt zur Humusbildung bei. Der Heizwert von Rebholz entspricht annähernd dem von Laubholz. 2,6 kg lufttrockenes Rebholz (20 % Wasser) entsprechen dem Heizwert von 1 Liter Heizöl. Pelletheizungen können laut Walg mit Hackschnitzel betrieben werden. Es stehen verschiedene Techniken zur Rebholzbergung zur Verfügung: Schlegel- und Scheibenradhäcksler. Die Ansprüche an Bergung und Lagerung sind speziell. Der Humusverlust im Weinberg ist nicht gravierend, muss aber langfristig ausgeglichen werden.
Die thermische Rebholzverwertung ist CO2-­neutral und klimafreundlich. Rebholz bleibt dauerhaft eine günstige Energiequelle, denn es unterliegt keinen größeren Preissteigerungen.
Oben Grüner Strom und unten Weißer Riesling
Prof. Dr. Manfred Stoll, Hochschule Geisenheim University (HGU), berichtete von der gerade installierten Photovoltaik-Anlage in Geisenheim „Agri-PV im Weinbau“, die er „Viti-Photovoltaik“ nennt. „Oben wird Grüner Strom erzeugt und unten Weißer Riesling“, freut sich Stoll. Die Geisenheimer Anlage ist 3.125 m2 groß und kann mit allen üblichen Schmalspurschleppern bearbeitet werden. Eine Überzeilenbewirtschaftung ist nicht möglich. Die PV-Module liegen auf einer über 3 m hohen Stützkonstruktion, welche nach der Nutzung wieder zurückgebaut werden könne. Die Module sind semitransparent und lassen 50 % des Lichts durch. Stoll rechnet mit 30 % Beschattung. Regenwasser wird in einer Zisterne aufgefangen und als Tröpfchenbewässerung verwendet.
Dr. Maximilian Freund, HGU Geisenheim, arbeitet an der Optimierung der Energieeffi­zienz in der Weinbereitung. 30 % des CO2-Fußabdrucks im Weinbau entfallen allein auf die Glasflasche. Der Energieverbrauch der weinerzeugenden Betriebe ist sehr stark schwankend. Der Gesamtenergieverbrauch einer Kellerei setzt sich aus elektrischer und thermischer Energie zusammen und schwankt von 4 bis 83 kWh/hl abgefüllten Weines. „Wichtig ist ein Bewusstsein für Engergieeinsparung“, betonte Freund. Sparen ist Verzicht auf Nutzen, eventuell Verzicht auf Weinqualität. Eine einfache und effiziente Maßnahme ist der Austausch von Leuchtstoffröhren durch LED-Röhren. Betriebsleiter sollten sich einen Überblick verschaffen über direkte und indirekte Verbräuche sowie die Beratung und Förderprogramme nutzen.
Kupferaufwand um ein Drittel senken
Stefan Schwab, FAU Erlangen, stellte eine neuartige Verkapselungstechnologie zur Reduzierung des Fungizideinsatzes im Weinbau vor. CuCaps sind in ökokompatible Matrixkapseln eingeschlossene Kupfersalze, womit der Erreger des Falschen Mehltaus im Weinbau erfolgreich bekämpft werden kann. Durch Eintritt von Wasser wird der Wirkstoff (Kupferionen) kontinuierlich freigesetzt. Da der Erreger für die Infektion auf Wasser angewiesen ist, kommt der Wirkstoff exakt zum richtigen Zeitpunkt zur Wirkung. So lässt sich der Kupferaufwand um mindestens ein Drittel senken. Erfreulich ist auch das gute Haftverhalten der Mikrokapseln auf der Blattoberfläche und Beerenhaut. Für den Anwender ist die Rieselfähigkeit des Produktes angenehm zum Dosieren. Die Mikrokapsel besteht aus Wachs von nachwachsenden Rohstoffen und Wirkstoff. Die Forschungen gehen weiter, um die Verkapselung auch mit anderen Wirkstoffen einzusetzen.
Wasserwiederverwendung zur Bewässerung
Stefan Kirchner, LWG Veitshöchheim ist mit der Nutzwasserbereitstellung und den Planungsoptionen für die urbane und landwirtschaftliche Bewässerung in Franken befasst. Ziel des Förderprojektes ist es, Strategien zur Wasserwiederverwendung und Handlungsempfehlungen zur Bewässerung zu erarbeiten. Die EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung sollte am 26. Juni 2023 in Kraft treten, aber vieles ist noch zu klären. Rechtliche Vorgaben zur Nutzwasseranwendung müssen klar definiert werden. Wie ist die Akzeptanz der Bevölkerung?
Wolfgang Patzwahl, Büro für Technik und Management im Weinbau, berichtete von der Bewässerungsgenossenschaft Vinaqua in Volkach, die ein Bewässerungskonzept für Weinberge entwickelt, das neben der Weinqualität auch ökologische (Bodenschutz) und gesellschaftliche (Trinkwasser, Binnenschifffahrt) Aspekte berücksichtigt. Vinaqua fängt Oberflächenwasser aus Weinbergen in einem Pufferbecken auf (November bis April), um es für eine Tröpfchenbewässerung der Weinberge bereitzuhalten. So ist sogar eine ganzflächige, ganzjährige Begrünung möglich. Die Erosion wird deutlich gemindert. Der Boden kann mehr Wasser aufnehmen, das dann nicht wegfließt.
„Das Management des Wasserhaushaltes muss standortangepasst erfolgen“, so Matthias Friedel, HGU Geisen­­heim. Großes Potenzial sieht er bei der Unterlagenwahl, das werde noch zu wenig genutzt. Winzer versuchen Anpassungen wie Ertragsreduzierung, passende Bodenbearbeitung oder Bewässern – meist mobil und sehr arbeitsintensiv. Auf Trockenstandorten sei Bewässerung unumgänglich, aber diese brauche eine Strategie, um effizient und qualitätsfördernd zu wirken.
Nachhaltigkeitsleistung monetär bewerten
Eric Waibel, Regionalwert Leistungen AG, erklärte wie das True Cost Accounting funktioniert. Es ist eine Leistungsrechnung, die entwickelt wurde, um Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirtschaft systematisch zu erfassen, transparent zu machen und monetär zu bewerten. Es geht um Blühflächen, Verzicht auf Pflanzenschutz und weitere Aktivitäten des Betriebes für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl. Ein aktuelles Projekt mit dem KTBL arbeitet an einer Schnittstelle zu betrieblichen Dokumentationen, um die Erfassung der Daten zu vereinfachen, diese zu verifizieren und die Leistungsrechnung zu beschleunigen. Der Bewertungsrahmen ist in Kategorien eingeteilt. Kennzahlen, Grenzwerte sowie Monetarisierungshöhe werden stetig weiterentwickelt und angepasst. „400 Betriebe aus der Landwirtschaft sind dabei“, freut sich Waibel, sodass ein guter Pool zur Verfügung steht. Jetzt kommt der Weinbau dazu. Die Leistungsrechnung kostet 600 Euro/Betrieb unabhängig von der Betriebsgröße. Für Spanien und Frankreich ist der Rechner auch angelaufen. Das Nachhaltigkeits-Bewertungssystem auf europäischer Ebene benötigt Definitionen und Kriterien.
Die Veranstaltung klang mit einer fachlichen Weinprobe und einem Rundgang im LWG Veitshöchheim aus.
Wirtschaftliche Situation der Weinwirtschaft
Die Berater sind besorgt über die aktuelle wirtschaftliche Situation der deutschen Weinwirtschaft. Am zweiten Ta­gungs­tag befasste sich Larissa Strub, HGU Geisenheim, mit der Frage: „Überleben trotz Krise und Inflation?“ Sie stellte fest, dass große Betriebe im Vorteil sind. Standorte mit Steillagen sind benachteiligt, weil weniger Mechanisierung möglich ist. Oft kaufen erfolgreiche Betriebe Wein für die Direktvermarktung zu. Maßgeblich für den Erfolg ist auch der Ertrag. Im Basissegment muss kosteneffizient gearbeitet werden (mit durchschnittlichen Kosten überdurchschnittliche Erträge erzielen). Nur Marketingprofis gelingt es, für Premiumprodukte hohe Preise zu realisieren.
Am Ende der Tagung wurden neue ATW-Vorhaben diskutiert und laufende LWG-Versuche besichtigt. Stolz präsentierte die LWG die in Entwicklung befindliche autonom fahrende Raupe. bs