Herbstpressekonferenz: Ein Herbst unter Druck

RHEINGAU

Foto: Klaus Herrmann
„Es war ein anspruchsvolles Jahr“, resümierte der Rhein­gauer Weinbaupräsident Peter Seyffardt bei der Herbstpressekonferenz des Rheingauer Weinbauverbands und der Rheingauer Weinwerbung e.V. Anfang Oktober. Im Rheingau seien die Erntemengen je nach Gemarkung unterschiedlich ausgefallen und lägen im Durch­schnitt bei rund 70 bis 75 hl/ha. Auch die Reifegrade und der Gesundheitszustand der Trauben seien in diesem Jahr sehr heterogen. Deshalb sei vermehrt eine selektive Lese notwendig gewesen, um dennoch Topqualitäten einzufahren. Seyffardt erwartete wegen der zunehmenden Fäulnis einen schnellen Herbst.
Anhaltender Druck über die ganze Saison
Dass der Klimawandel im Wein­bau deutlich spürbar ist, zeigte Ottmar Baus von der Hochschule Geisenheim beim Rückblick auf den diesjährigen Vegetationsverlauf. „Die Schad­erreger präsentieren sich jedes Jahr anders“, so Baus. Die Heftigkeit und Dauer von Pilzepidemien nehme zu.
Wie schon 2016 hatten die Winzer nicht nur mit Pero­nos­pora, sondern auch mit star­kem Oidiumdruck zu kämpfen. Von Mai bis Mitte August gab es Infektionen und somit – im Gegensatz zu 2016 – sogar einen anhaltenden Druck. „Der Pilz verbreitete sich bilderbuchmäßig wie im Gewächshaus mit gleichem Befall“, erklärte der Experte. In diesem Jahr brauchte man deshalb relativ viel Glück, um durch die Pilzepidemie zu kommen. Es zeigte sich, dass der Applikationszeitpunkt und die Applikationsqualität entscheidender als die Dosierung der Pflanzenschutzmittel waren.
Jahre wie 2021 bringen laut Baus den Bioanbau an seine Grenzen. Die Erträge seien im Vergleich zu denen der konventionellen Betriebe deutlich geringer. Baus riet dazu, vor allem im Bio-Weinbau verstärkt pilzwiderstandsfähige Sorten einzusetzen, auch wenn diese keine „Allheilmittel“ seien, da sie zum Beispiel Oidium Resistenzen umgehen können und es keine Piwis gegen die Schwarzfäule gebe.
Altes Lehrbuchwissen muss erweitert werden
2021 zeigte sich, dass das alte Lehrbuchwissen zwar nicht unbrauchbar ist, aber erweitert werden muss. Demnach werden sich Jahre mit schweren Bodeninfektionen häufen. Um dabei die Gescheine zu schützen, sollte die erste Fungizidbehandlung bereits vor der ersten Bodeninfektion erfolgen. Somit werden zuverlässige Prognosesysteme wichtiger.
„Man spürt dieses Jahr die Säure“, sagte Prof. Dr. Manfred Stoll von der Hochschule Geisenheim mit Blick auf die Weinqualität. Vor allem der Riesling habe einen hohen Anteil an Weinsäure. Spätburgunder sei in ausgewählten Parzellen für Rotwein geerntet. Ansonsten eigne er sich in diesem Jahr eher für Rosé. Problematisch sind laut Stoll in diesem Jahr südeuropäische Sorten wie Cabernet Sauvignon, die Anfang Oktober noch total unreif waren.
Der Rhein­gauer Weinbauver­band stellte auch ein interessantes Gemeinschaftsprojekt vor: Der Verband hat in Kooperation mit 21 Rheingauer Winzern einen alkoholfreien Riesling produziert. Der Grundwein, dem der Alkohol durch Vakuumdestillation entzogen wurde, stammt aus Rheingauer Trauben von 2020. Insgesamt wurden 10.000 Flaschen produziert, die bei den teilnehmenden Winzern erhältlich sind. Für 2022 ist auch der Verkauf über den LEH geplant. isp