Versuchsergebnisse aus Weinbau und Oenologie

ATW – Ausschuss für Technik im Weinbau

Die 69. Mitgliederversammlung des ATW (Ausschuss für Technik im Weinbau) fand am 25. und 26. November 2021 zum zweiten Mal online statt. ATW-Vorsitzender Dr. Jürgen Dietrich konnte 45 Berater aus allen Anbaugebieten im virtuellen Raum begrüßen und moderierte die Diskussionen zu den ATW-Vorhaben.
Heißwasserbehandlung von Rebenpflanzgut
Matthias Zink, DLR Rheinpfalz, berichtete von Heißwasserbehandlungen bei bewurzeltem Rebenpflanzgut, um zum Beispiel Erreger der Vergilbungskrankheit auszumerzen. Bei den Versuchen 2021 zur Terminierung der Heißwasserbehandlung war der Zeitpunkt zwei Monate vor der geplanten Pflanzung am günstigsten und führte zu keiner nachteiligen Auswirkung beim Rebenwachs­tum. Früher behandelte Varianten zeigten in Verbindung mit einer verlängerten Kühllagerung deutlich vermindertes Triebwachstum und eine erhöhte Anzahl ausgefallener Reben. Zink schätzt 10 Cent Kostenaufschlag für in Heißwasser getauchte Reben.
Mit Dichtpflanzung an Klimawandel anpassen?
Christine Kleber, DLR Rheinpfalz, untersucht den Einfluss unterschiedlicher Pflanzdichten und Unterlagen auf die Wurzelverteilung sowie Wassernutzungseffizienz bei Spätburgunder. Durch die im Vergleich zu den Vorjahren später entwickelten Vegetation und der noch nicht abgeschlossenen Datenerhebung, konnte Christine Kleber noch keine Ergebnisse von 2021 vorstellen, aber sie berichtete von den Untersuchungen. Eine weitere Erhebung der Schnittholzgewichte ist nach dem abgeschlossenen Blattfall geplant. Eine Messung der Bodenfeuchte fand während der Vegetation zu 18 Terminen wöchentlich mittels Diviner 2000 (Firma Sentek) statt. An vier Terminen wurde der Chlorophyllgehalt gemessen. Das Stammwasserpotenzial wurde fünfmal bestimmt. Bereits im Juni wurden die ersten Wurzelgrabungen vorgenommen. Abschließend werden auch Parameter der Botrytisbonitur, FTIR-Analyse im Most und die Ertragsdaten miteinander verglichen.
Mechanische Unterstockbearbeitung
Dr. Matthias Porten, DLR Mosel, stellte eine Weiterentwicklung der mechanischen Unterstockbearbeitung auf der Basis eines Überzeilenrahmens (System Beiser) vor. Wegen ungüns­tiger Witterung konnten nicht alle für 2021 geplanten Versuche durchgeführt werden. Das System Beiser 2 überzeugt Porten durch vielfältige Gerätekombinationsmöglichkeiten und deren gleichzeitiger Anwendbarkeit. Dazu stellt der kurz und robust gebaute Geräteträger keine hohen Anforderungen an den Schlepper und ebenso wenig an den Bediener.
Es ist keine Neuanschaffung von Anbaugeräte notwendig. Nahezu alle im Betrieb vorhandenen Werkzeuge wie Rollhacken, Langwellenbürsten, Scheiben und so weiter können leicht adaptiert werden. Zudem kann an beiden Seiten eine Begrünungswalze oder ein Mulcher angeflanscht werden. Nicht nur beidseitige Unterstockbearbeitung wird ermöglicht, auch Anbaugeräte wie Laubschneider können an den Überzeilenrahmen montiert werden. Das System Beiser bietet laut Porten eine wirtschaftliche Möglichkeit zur Reduzierung oder zum vollständigen Verzicht auf Herbizide. Für 2022 sind weitere Versuchs­aufbauten in unterschiedlichen Geländen und Bodenarten geplant. Das Grundgerät beziffert Porten auf 18.000 bis 21.000 Euro Anschaffungspreis.
Laubwandbezogene Berechnung in Rebschulen
Mit der Anpassung der laubwandbezogenen Berechnung der Aufwandmenge von Pflanzenschutzmitteln für Rebschulen und Unterlagenschnittgärten mit Tischerziehung befasst sich Matthias Zink, DLR Rheinpfalz. Bislang wurde die zugelassene Aufwandmenge der Mittel nach dem Entwicklungsstand (BBCH-Stadien) der Reben, bezogen auf die Grundfläche (kg/ha oder l/ha), berechnet.
Im Versuchsbetrieb Rebenveredlung am DLR Rheinpfalz wurde ein Spritzgestänge ohne Gebläse konzipiert und auf die Rebschulen und Unterlagengärten mit Tischerziehung abgestimmt. Ziele sind sichere Wirksamkeit, Abdriftminderung und Anpassung an das neue Laubwandmodell. Zusätzlich wurden Düsen getestet. Die Brühmenge wurde an die Laubwandfläche angepasst, und eine bessere Anlagerung angestrebt. Dabei wurde festgestellt, dass in Rebschulen die erforderliche Arbeitsbreite der Düsen, montiert am Spritzgestänge, vom Triebwachstum (etwa 0,3 m) abhängig ist. So konnte nach dem Laubschnitt die Spritzbandbreite der Düsen reduziert werden. Bisher fanden in Rebschulen und Unterlagengärten zur Applikationstechnik wenige Untersuchungen statt. Für Pflanzguterzeuger wäre ein Leitfaden zur optimierten Applikationstechnik wegweisend. Im weiteren Projekt soll der Einsatz der Düsen weiter optimiert werden.
Bio-Lignincarrier gegen Esca-Erreger
Dr. Ruth Walter, DLR Rheinpfalz, Neustadt, arbeitet mit dem Einsatz von Bio-Lignincarriern gegen Esca-Erreger in der Rebenpflanzguterzeugung. Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer langfristig wirksamen Bekämpfungsmethode gegen Esca-Erreger auf Basis fungizidgefüllter Micropartikel, sogenannte Biocarrier (BC), in der Pflanzguterzeugung. Hierbei handelt es sich um Microkapseln, die mit dem natürlichen Zellwandbestandteil Lignin umhüllt sind. Das Lignin wird durch Enzyme der Schadpilze abgebaut, wodurch das enthaltene Fungizid freigesetzt wird. Es soll geprüft werden, ob bei der Erzeugung pflanzfähiger Reben ein präventiver Langzeitschutz integriert werden kann, der erst zu einem späteren Zeitpunkt und nur bei Bedarf aktiviert wird. Lignin­ummantelte Biocarrier könnten die langfristige Befallsvermeidung von Esca in jungen Ertragsanlagen ermöglichen.
Inokulierte Stecklinge der Sorten Dornfelder und Silvaner zeigten in Gewächshausversuchen bisher keine Wachstumsauffälligkeiten. Bei einer ersten Bonitur der veredelten Reben nach dem Vortreiben wurde die Tendenz beobachtet, dass die Inokulation der Esca-Pilze zu einer erhöhten Ausfallrate führte. Erst die molekularbiologischen und mykologischen Auswertungen werden zeigen, wie sich die Pilze in den Stecklingen etablieren konnten und wie die Lignin-Carrier die Ausbreitung der Pilze im Inneren der Stecklinge verhindern oder hemmen konnten.
Aromamigration aus Dichtungsmaterialien
Dr. Maximilian Freund, Hochschule Geisenheim University, befasst sich mit Rückständen in Wein durch Aromamigration aus Dichtungsmaterialien bei Weinmischgetränken. Im Mittelpunkt seiner Untersuchungen stehen die im Weinbereich üblichen eingesetzten Dichtungsmaterialien und ihr Verhalten gegenüber Aromakomponenten und erweiterten Reinigungskonzepte. Dichtungen sind immer ein Aromaspeicher, sie altern und geben dann noch eher Aromen ab. Grundsätzlich ist jedes Mischgetränk zu prüfen, ob es zur Aromaverschleppung beiträgt. Zur Überprüfung sollte der Wein mit dem verwendeten Aromakonzentrat in ein Labor gebracht werden. Jeder Mischgetränkehersteller und -abfüller sollte prüfen, ob die Kombination aus Dichtungsmaterial und Reinigungskonzept geeignet ist, das aromatisierte Mischgetränk mit der gleichen Anlage abzufüllen wie herkömmliche Weine. Hilfreich ist eine Zusammenarbeit mit den Anlagen-, Dichtungs-, Reinigungsmittel- und Aromaherstellern. Man muss dokumentieren, dass man alles versucht hat und den Leitfaden der fachlichen Praxis eingehalten hat.
Entschwefelung von Süßreserve
Achim Rosch, DLR Mosel, erprobt die Entschwefelung einer stummgeschwefelten Süßreserve mittels hydrophober Membrantechnologie und konnte bestätigen, dass dies möglich ist. Diverse Faktoren haben verfahrenstechnisch einen Einfluss auf die Effizienz der Reduzierung der SO2. Die Kontaktdauer zur Membran sowie die Temperatur sind sehr wichtige Parameter. Sensorisch gibt es keine negativen verfahrenstechnischen Einflüsse auf die Süßreserve durch das neue Verfahren. Anhand der ersten Erkenntnisse im Kleinmaßstab am DLR Mosel wurden Membran-Großanlagen zur Entschwefelung von Süßreserven konzipiert, welche im kontinuierlichen Prozess arbeiten. Versuche mit diesen Praxisanlagen wurden coronabedingt auf das Jahr 2022 verschoben.
Welche Behälter für welchen Betrieb?
Johannes Burkert, LWG Veitshöchheim, befasste sich mit Weinausbau- und Lagerbehältern. Edelstahltanks bieten durch optimale Bedienung und Reinigung viele Vorteile. Der ökonomische Vergleich zeigt die tatsächlich anfallenden Kosten beim Ausbau von Wein in verschiedenen Gebinden. Der Ausbau in Natursteinfässern und im Betonei ist sehr teuer und kann nur über Storytelling beim Endverbraucher wirtschaftlich sein. Amphoren (vor allen Qvevris) sind in der Anschaffung günstiger und die speziellen Lagerraumkosten können ebenfalls geringer werden, wenn kein Lagerraum im Keller nötig ist. Der Ausbau im Barrique ist teuer, weil die Fässer ausgetauscht werden. Um Platz zu sparen sollten sie unbedingt gestapelt werden.
Absenkung des pH-Wertes in Most und Wein
Dr. Patrick Nickolaus, DLR Rheinpfalz in Neustadt, überprüft die Praxistauglichkeit von Kationenaustauschern zur Absenkung des pH-Wertes in Most und Wein. Die Behandlung einer 10 %igen Teilmenge mittels Kationenaustauscher führte bei Most zu einer pH Absenkung um etwa 0,1 Einheiten. Die für die sensorische Wahrnehmung wichtige Gesamtsäure stieg um durchschnittlich 0,4 g/l. Bei einer Behandlung im Weinstadium war der Einfluss auf den pH zwar etwas geringer, dafür nahm die Gesamtsäure lediglich um 0,1 g/L zu, was sich kaum auf die Sensorik auswirken dürfte. Es wurde festgestellt, dass ein Ionentauscher, gefüllt mit 25 Liter Harz, in einem Regenerationszyklus zur Behandlung einer maximalen Gesamtmenge von 6.500 l (bei 10 % behandelter Teilmenge) ausreicht. Bei größeren Chargen ist die Verwendung größerer Geräte empfehlenswert. Vor der Verwendung muss das im Gerät vorhandene Wasser zunächst durch Wein oder Most verdrängt werden. Es zeigte sich, dass dazu mindestens das Doppelte des Kartuschenvolumens verworfen werden muss, bevor der Wasseranteil im behandelten Wein tolerierbar klein ist. Beim abschließenden Reinigungsvorgang sollte mit der fünffachen Wassermenge gespült werden, um mikrobiologische Probleme zu vermeiden.
Experten tauschen sich über Forschungen aus
Bei der Mitgliederversammlung wurde der Geschäftsbericht verlesen und danach der Vorstand entlastet. Für das Berichtsjahr 2021 stand dem ATW insgesamt eine Fördersumme von 50.370 Euro zur Verfügung. Davon 37.550 Euro für sieben Fortsetzungsvorhaben und 12.820 Euro für drei Neuanträge. Vorschläge für Fördervorhaben 2022 wurden diskutiert sowie weitere Projekte für die kommenden Jahre geplant. Wegen Personalmangel und zunehmender Belastung der Experten an vielen Institutionen müssen einige Vorhaben verschoben werden. bs