Wie aus einer Befragung der Forschungsgruppe Wahlen am Wahltag hervorgeht, haben 52 % der Landwirte bei der Europawahl CDU oder CSU gewählt. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 waren es mit 45 % erheblich weniger. Somit hat die Union bei den Landwirten wieder deutlich an Vertrauen gewonnen. Auf Platz zwei folgt die AfD mit 18 %, die einen spürbaren Zuwachs verzeichnet und ihr Gesamtergebnis von bundesweit 15,9 % in dieser Berufsgruppe übertreffen konnte. Bei den letzten beiden Bundestagswahlen kam die AfD unter den Bauern jeweils auf rund 8 %.
Auf Platz drei bei der Europawahl rangieren bei den Landwirten SPD und FDP mit jeweils 5 % der Bauernstimmen. Für die FDP bedeutet das im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 ein Verlust von 9 %. Für die Grünen, die seit zweieinhalb Jahren mit Cem Özdemir den Bundeslandwirtschaftsminister stellen, stimmten bei der Europawahl 3 % der Landwirte. Bei der Bundestagswahl waren es noch 5 %.
Wiedergewählte deutsche EU-Agrarpolitiker
Eine ganze Reihe von deutschen EU-Agrarpolitikern hat den Wieder- oder Neueinzug in das Europaparlament geschafft. Bei der Wahl am 9. Juni wurde der CDU-Politiker und bisherige Vorsitzende des EU-Landwirtschaftsausschusses, Norbert Lins, wiedergewählt. Der Baden-Württemberger hatte das Amt des Ausschussvorsitzenden während der gesamten vergangenen Wahlperiode inne. Er sitzt seit 2014 für die EVP-Fraktion in der EU-Volksvertretung.
Seit 2019 vertritt die Pfälzerin Christine Schneider ihre Heimat Rheinhessen-Pfalz und den Weinbau im Europäischen Parlament. Sie war Spitzenkandidatin der CDU Rheinland-Pfalz bei der Europawahl und wurde wiedergewählt.
Die Agrarsprecherin der deutschen SPD-Parlamentarier, Maria Noichl, konnte ebenfalls ihren Sitz im EU-Parlament verteidigen. Sie ist seit 2014 Mitglied der EU-Volksvertretung. Ebenfalls wiedergewählt wurde der dienstälteste deutsche Agrarpolitiker Martin Häusling. Der vormalige hessische Landtagsabgeordnete sitzt seit 2009 als agrarpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.
Zwei neue Gesichter im EU-Parlament
Für die CSU zieht Stefan Köhler, der Bezirkspräsident von Unterfranken im Bayerischen Bauernverband (BBV), neu ins Europaparlament ein. Er folgt auf Marlene Mortler, die nicht mehr zur Wahl angetreten war. Die Landesbäuerin des BBV, Christine Singer aus Oberbayern, die bisher im Kreistag saß, wird für die Freien Wähler im Europaparlament sitzen. Ihre Parteifreundin Ulrike Müller hatte sich nicht erneut zur Eurowahl aufstellen lassen, sie ist seit Oktober 2023 Mitglied im bayerischen Landtag.
Nicht zur Wiederwahl angetreten war der langjährige CDU-Europaabgeordnete Dr. Peter Jahr, der seit 2009 für den Freistaat Sachsen im EU-Parlament saß. Jahr war unter anderem Verhandlungsführer des Europaparlaments für die wichtige Strategieplan-Verordnung im Rahmen der 2023 in Kraft getretenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Erneut bestätigt hat sich der Trend, dass unabhängig von der Parteifarbe die Agrarpolitiker vor allem aus den südlichen Bundesländern kommen. Alle genannten Abgeordneten, die unter Umständen mit einer Vollmitgliedschaft im Landwirtschaftsausschuss rechnen können, stammen entweder aus Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen. Auch die bisherigen stellvertretenden Ausschussmitglieder Lena Düpont aus Niedersachsen und Christine Schneider aus Rheinland-Pfalz sind wieder ins Europaparlament gewählt.
Die Wiederwahl geschafft hat auch der bisherige Vorsitzende des für die europäische Landwirtschaft wichtigen EU-Handelsausschusses, der SPD-Politiker Bernd Lange. Der Europaabgeordnete und Umweltsprecher der EVP, Dr. Peter Liese, zieht ebenfalls wieder in die Straßburger und Brüsseler Volksvertretung ein. Gleiches gilt für den umweltpolitischen Sprecher der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), Tiemo Wölken.
Agrarpolitiker aus dem europäischen Ausland
In Italien freut sich der seit 2019 amtierende Agrarsprecher der EVP, der Südtiroler Herbert Dorfmann, über seine Wiederwahl. Dorfmann vertritt bereits seit 2009 als EU-Abgeordneter die Interessen der Weinbauern. Wiedergewählt wurde auch sein EVP-Fraktionskollege Alexander Bernhuber vom österreichischen Bauernbund. Der ÖVP- Politiker wurde erstmals 2019 ins EU-Parlament gewählt und war Vollmitglied im Umweltausschuss. Auch der Österreicher Thomas Waitz wurde für die Grünen im Amt bestätigt. Der Ökobauer war von 2017 bis 2019 Abgeordneter und dann wieder seit 2020. Wiedergewählt wurde die stellvertretende Vorsitzende im Landwirtschaftsausschuss, die für Finnland in der RE-Fraktion sitzende Elsi Katainen.
Der ehemalige EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Ciolos hat sein Abgeordnetenmandat verloren. Seine erst vor knapp zwei Jahren gegründete liberale Partei REPER erhielt in seinem Heimatland Rumänien lediglich 3,7 % der Wählerstimmen und kann keinen einzigen Abgeordneten nach Straßburg und Brüssel schicken. Von 2009 bis 2014 hatte er das Amt des EU-Agrarkommissars inne und gilt als einer der Erfinder der 2013 in die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aufgenommenen Greening- Maßnahmen.
Unionsparteien sind Gewinner
Insgesamt sitzen im Europaparlament 720 Abgeordnete, davon 96 aus Deutschland. In Deutschland haben CDU/CSU die Wahlen mit 30 % klar gewonnen. Das entspricht 30 der Abgeordnetenmandate. Zweitstärkste Partei wurde die AfD mit 15,9 % und 15 Mandaten. Ob und wenn ja, welcher Fraktion sich die AfD-Mandatsträger anschließen werden, scheint aktuell noch unklar.
Drittstärkste deutsche Gruppe wird die SPD. Die Sozialdemokraten haben 13,9 % der Stimmen erhalten und stellen 14 Abgeordnete, die wohl erneut Mitglied der Fraktion der S&D sein werden. Es folgen die Parlamentarier der Grünen,
die in Deutschland 11,9 % der Stimmen erhalten haben. Damit schicken sie zwölf Abgeordnete in die EU-Volksvertretung. Sie sind bisher Teil der Fraktion der Grünen/EFA.
Für Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben 6,2 % gestimmt, sodass sie sechs Mandate bekommen. Die FDP hat 5,2 % erreicht und stellt fünf Abgeordnete. Für die Linke und die Freien Wähler haben jeweils 2,7 % gestimmt, sie haben drei Mandate. Für Volt entschieden sich 2,6 % der Wähler (drei Abgeordnete). Sonstige Parteien kamen zusammen auf 8,9 %. age/bs