Weinpreise gleichen steigende Kosten nicht aus

WÜRTTEMBERG

Foto: Bettina Siée
Der Weinbauverband Württemberg (WVW) informierte auf seiner Jahrespressekonferenz vom Dilemma der Betriebe, dass die Weinqualitäten am Markt nicht ausreichend hono­riert werden, weil die Kosten extrem gestiegen sind. Zum Beispiel auch die Lohnkosten in Rebflächen, die viel Handarbeit brauchen. „Die Preisanpassungen gleichen die Kostensteigerungen nicht aus“, so der württembergische Weinbaupräsident Hermann Hohl.
Weingärtner müssen 2023 für die Neuanlage eines Hek­tars Rebfläche rund 34 % mehr aufbringen als vor fünf Jahren – mittlerweile über 55.000 Euro. Der Kostendruck bei häufig niedrigen Erlösen hat Auswirkungen auf die Betriebe. 110 ha Reben wurden übers Jahr aufgegeben. Hohl geht davon aus, dass es Steillagen sind. Lagen an Kocher, Jagst und Tauber sind betroffen. „Derzeit prüft ein Pilotprojekt, ob Randlagen, in denen der Weinbau aufgegeben wird, für Photovoltaik nutzbar sind“, so der Weinbaupräsident. Phytosanitären Problemen auf Nachbargrundstücken werde so vorgebeugt.
Die jungen, innovativen Betriebsinhaber Württembergs setzen verstärkt auf nachhaltige Wirtschaftsweise. Neue Rebsorten und Optimierung des Pflanzenschutzmanagements sind für viele wichtiger Bestandteil der Betriebsstrategie, erklärt der Weinbauverband.
Bisherige Landesförderprogramme beinhalten nur Schäden durch Starkregen, Wind und Frost. Aber die Folgen von Hagel und extremer Trockenheit führen lokal zu Totalausfällen, beklagte Hohl. In Bayern wurde die Förderung einer Mehrgefahrenversicherung im Sinne der betrieblichen Risikostreuung eingeführt.
In vielen Betrieben sind auch alkoholfreie Weine erhältlich und zeigen die Innovationskraft der Württemberger Weinwirtschaft. Hohl appellierte an alle Weinkonsumenten, dass der Weinbau in Württemberg dauerhaft nur durch entsprechendes Kaufverhalten und deutliche Weinpreissteigerungen erhalten werden kann. Der Lebensmittelhandel stranguliere den Weinbau durch die Listung von Billigweinen aus überwiegend Drittländern.
„Das auf Kompromissen zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik beruhende Biodiversitätsstärkungsgesetz sollte als Vorlage für bundesweite und europäische Landwirtschaftspolitik gelten“, fasst der Weinbaupräsident die Vorreiterrolle Baden-Württembergs zusammen.
Nebenerwerb weiterhin rückläufig
Magdalena Dreisiebner, verantwortlich für die Qualitätsprüfung an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg, berichtet vom rückläufigen Nebenerwerb in Württemberg. Viele Betriebe mit weniger als einem Hektar geben auf. Betrieben mit über zehn Hektar Rebfläche haben sich verfünffacht. 46 Betriebe in Württemberg bewirtschaften mehr als 20 ha, das ist 12 % der Rebfläche im Ländle. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Gesamtrebfläche Württembergs um rund 110 Hektar ab auf jetzt 11.000 ha. Die wichtigste Rebsorte ist unverändert Riesling mit rund 2.100 Hektar, bei Neuanpflanzungen gefolgt vom Grauburgunder. Mittlerweile werden in Württemberg über 204 ha Piwis angebaut. Trollinger und Schwarzriesling gehen im Anbau zurück, Lemberger bleibt bei 1.700 ha stabil.
Jungwinzerpreis 2023 geht an Michael Kinzinger
Im Rahmen der Pressekonferenz zeichnete der Weinbauverband Württemberg Michael Kinzinger aus Vaihingen an der Enz mit dem Jungwinzerpreis 2023 aus. Mit dem aktuellen Weinjahrgang feiert Kinzinger sein zehnjähriges Betriebsjubiläum. Der Berghof bietet nicht nur eine Besenwirtschaft mit lokalen Speisen, sondern auch einen Hofladen. Kinzinger hat die Rebfläche von 1 ha im Jahr 2013 kontinuierlich ausgebaut auf mittlerweile 7 ha. Derzeit plant er den Neubau des Weinverkaufsraums, inklusive Weinkeller und Wohnung. bs