Wie geht es mit dem Betrieb weiter?

Herausfordernde Zeiten

Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hatte in Alzey und Neustadt ein Seminar angeboten, um Betriebsleitern bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, ob und wie wirtschaftliche und soziale Veränderungen im Betrieb eingeleitet werden sollten. Die andauernde Flaute auf dem Fassweinmarkt, durch sinkenden Weinkonsum, verschärft die Situation in den Weinbaubetrieben. Die Referenten gaben wertvolle Impulse und in den Pausen half der konstruktive Austausch mit den Experten und Seminarteilnehmern.
Fassweinvermarktung ist nicht kostendeckend
Dr. Jürgen Oberhofer, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, zeigte am Beispiel eines 20 ha-Weingutes, das an eine Kelterstation liefert, einen Erlösrückgang um 70.000 Euro von 2022 bis 2024. Im Herbst 2022 erzielte der Betrieb 10.400 Euro/ha, im Jahr 2024 sank der Erlös auf 6.900 Euro/ha und für 2025 schätzt Oberhofer noch 6.000 Euro/ha, bei freiem Verkauf von Wein.
Die Kosten der Traubenerzeugung beziffert Oberhofer auf 12.850 Euro/ha. Darin seien Pflanzenschutz, Saisonarbeitskräfte, Pacht, Maschinen- und Reparaturkosten enthalten, aber Familienarbeitskräfte und Fixkosten seien nicht gedeckt. Zudem müssen Sozialversicherungen (Kranken-, Rentenversicherung und mindestens 500 Euro/Monat für private Vorsorge) gezahlt werden. An Inves­titionen sei gar nicht zu denken. 2023 war, laut Oberhofer, das letzte Jahr, das betriebswirtschaftlich einigermaßen in Ordnung war. Der Gewinn bei Fassweinvermarktung reduzierte sich seit 2022 um 55 %. Die Lage der Weinbaubetriebe ist sehr ernst. Die deutschen Winzer stehen international in hartem Wettbewerb, ein Drittel der weltweiten Weinerzeugung wird mit einem Lohnniveau von weniger als 3 Euro/Stunde erzeugt. Weinerzeugung für das Preiseinstiegssegment ist unter den Bedingungen in Deutschland nicht mehr möglich.
Einzelbetrieblich sind die genannten Probleme nicht zu lösen, gibt Oberhofer zu bedenken. Die Betriebe haben sich in den Jahrzehnten deutlich vergrößert (von 5 ha auf nun 20 ha im Schnitt). Weitere Kosteneinsparungen sind mit Minimalschnitt möglich – bei gleichzeitiger Erzeugung guter Basisqualitäten. „Minimalschnitt ist keine Schlamperei, sondern muss konsequent und sorgfältig umgesetzt werden“, so Oberhofer. Auch beim Anbau von Piwis können Kosten gespart werde, aber bei einem Preisabschlag von 10 Cent/Liter. Dennoch ist zu den derzeit gebotenen 50 Cent/Liter keine kostendeckende Weinerzeugung in Deutschland möglich.
Jeder Betrieb ist individuell zu beurteilen
Selbstverständlich müsse jeder Betrieb individuell gesehen werden, aber als grobe Richtlinie sagte Oberhofer: „Bei einer Generation auf dem Hof ist ein Betriebsgewinn von mindestens 90.000 bis 100.000 Euro/Jahr notwendig. Bei zwei Generationen im Betrieb schätzt Oberhofer 160.000 bis 170.000 Euro/Jahr Gewinn, um überlebensfähig zu bleiben.
Während der Coronazeit wurden, wegen des kurzen Absatzhochs, Fehlentscheidungen getroffen. Der Weinüberschuss ist ein globales Problem, überall müsse die Weinerzeugung reduziert werden. Oberhofer und Prof. Simone Loose, Hochschule Geisenheim, stimmen darin überein, dass ein Drittel der Betriebe in Deutschland aufgeben werden. Der Kostendruck beschleunigt den Strukturwandel.
Lösungsansätze für Liquiditätsprobleme
Betriebe, die gut organisiert, leistungsfähig und gut mechanisierbar sind, mit flurbereinigten, ertragssicheren Standorten, haben eine Zukunft. Weinbaubetriebe sind individuell anzusehen, aber wer weniger als 90.000 Euro/Jahr Gewinn hat, muss darüber nachdenken, wie es weitergehen kann. Wer kurz vor der Rente steht, sollte größere Investitionen zurückstellen, aber junge Betriebsleiter dürfen den Investitionsstau nicht zu groß werden lassen. In dieser schwierigen Zeit müssen die Privatentnahmen angepasst werden. Keinesfalls sollte die Altersvorsorge angefasst werden, um Betriebsausgaben zu tätigen. Eventuell ist eine Umschuldung möglich oder es kommt ein Flächenverkauf infrage. Die letzte Option ist die Aufgabe des Betriebes.
„Dem einzelnen Betrieb bleibt nur, den Absatz zu steigern oder die Weinerzeugung zu senken“, so Oberhofer. Nicht vollerntertaugliche Flächen und Grenzstandorte haben seiner Meinung nach keine Zukunft. Er schätzt, dass in Deutschland 30 % der Betriebe aufgeben werden, was vielfältige Auswirkungen hat. Wichtig ist, die Altersvorsorge zu streuen. Auch Pheromonprojekte sind durch Lücken gefährdet.
Wer weitermacht und aufgibt, entscheidet die individuelle Situation. Bei Pachtverträgen lohnt sich ein ehrliches Gespräch mit dem Eigentümer, ansonsten gilt der geschlossene Vertrag. Ehemalige Winzer sind auf die Pacht angewiesen und finden oft keine neuen Pächter mehr.
Zu steuerlichen Aspekten sprach Matthias Lambert, Steuerreferent des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-­Pfalz Süd. Er rechnete ein Beispiel zur Gewinnglättung vor, die die Betriebe auf jeden Fall beantragen sollten, um die Steuerlast zu senken. Dabei werden die schwankenden Einkünfte der letzten drei Jahre verrechnet. Jetzt und im Laufe des Jahres 2026 kann noch eine Gewinnglättung für 2023 bis 2025 beantragt werden. Die Gewinnglättung von 2026 bis 2028 wird 2029 beantragt. Ein enger Kontakt zum Steuerberater ist wichtig, um steuerliche Vorteile des Betriebes auszuloten.
Schwache Wirtschaftsjahresergebnisse sollten genutzt werden, um steuerpflichtige Entscheidungen beziehungsweise Verkäufe von Wirtschaftsgütern durchzuführen. Neubauten, für die Fördergeld geflossen ist, dürfen nicht für eine andere Nutzung gebraucht werden – es ist mit der Förderstelle zu sprechen.
Wenn sich die wirtschaftliche Situation schwierig gestaltet, rät Lamberth sich lieber früher als später professionellen Rat zu holen und mit der Bank zu sprechen, um die Probleme strategisch anzugehen. Eine Betriebsaufgabe muss dem Finanzamt eindeutig erklärt werden. Dann sind die Verkehrswerte aller Wirtschaftsgüter festzustellen.
Flächenveränderungen der SVLFG melden
Franziska Sauther, Sozialreferentin BWV Rheinland-­Pfalz Süd, informierte über die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), die Krankenkasse, Alterskasse und Berufsgenossenschaft umfasst. Grundsätzlich gilt bei der SVLFG: Wer mindestens 2 ha Reben anbaut, hat einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sauther weist darauf hin, dass betriebliche Änderungen zeitnah gemeldet werden müssen. Bei reduzierter Anbaufläche werden die Beiträge für Krankenkasse, Pflege und Berufsgenossenschaft angepasst. Die Alterskassenbeiträge bleiben unverändert.
Die Alterskasse war von Beginn an als Teilabsicherung gedacht. Eine Faustformel besagte, dass ein Drittel durch die Alterskasse, ein Drittel durch das Altenteil oder Pachteinnahmen und ein Drittel durch private Vorsorge abgedeckt wird. Sauther empfiehlt, die private Vorsorge zur Absicherung auf verschiedene Anlagen zu streuen. Die Übergabe an die Nachfolgegeneration braucht viel Zeit, so Sauther: „Viele offene Gespräche in der Familie sind notwendig.“ Dem stimmten Eva Hock, die Familien bei der Übergabe begleitet, und Lena Göth, vom Weingut Lena & Sebastian (ehemals Weingut Baum), beide zu.
Familienkonflikte? Lösen wir“s gemeinsam
Eva Hock bietet Mediation und Konfliktberatung in Mainz an. Sie stellt fest: „Konflikte sind der Normalfall. Harmonie ist der erklärungsbedürftige Sonderfall.“ Lena Göth befasste sich im Studium mit Veränderungsprozessen im Familienbetrieb und berichtete von eigenen Erfahrungen bei der Übergabe des Betriebes Baum, dem Weingut ihrer Schwiegereltern, an ihren Mann.
Konfliktpotenzial bestehe darin, dass Familienmitglieder, die gleichzeitig Unternehmens­mitarbeiter und Eigentümer sind, zusammen an einem Tisch sitzen und bei Gesprächen die Rollenverteilung unklar sei. Im Gespräch ist oft nicht klar, ob zum Beispiel der Vater mit der Tochter oder die Teilzeitkraft mit der Chefin spricht. Wichtig ist eine Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen. Es gibt betriebliche und zugleich fami­liäre Veränderungen. Tradition versus Innovation sind zu vereinen. Es helfen immer wieder Aussprachen und gegenseitiges Verständnis. Davon profitieren alle. Wenn die Familie nicht funktioniert, funktioniert auch der Betrieb nicht. Dabei ist es keine Schande, sich professionelle Hilfe zu holen.
Göth zieht das Fazit, dass Wissen über die eigene Situation ein Schlüssel zur Veränderung ist: „Man kann nur sich selbst ändern, nicht den anderen“. Deshalb, die Eigenverantwortung wahrnehmen, qualifizierte Hilfe suchen und annehmen. Familie und Unternehmen sind untrennbar, deshalb ist Balance das Ziel. Besonders in Krisen müssen Entscheidungen aktiv getroffen werden. Achtung vor gegenseitigen Bewertungen, statt Verständnis. Viele Familien warten zu lange, der Streit wird häufig über die Lösung gestellt. Oft wird das Lebenswerk von den Nachfolgern betriebswirtschaftlich begutachtet. Es ist eine Herausforderung von der „Tun-Kultur“ in eine „Rede-­Kultur“ zu wechseln.
Check, ob der Betrieb ernsthafte Probleme hat
Ralf Eickhorn und Ulrich Jung, von der betriebswirtschaftlichen Beratung der LWK, erklärten, wie die Liquidität eines Unternehmens zu ermitteln ist. Zum Check eines Betriebes sind zum Beispiel folgende Fragen ehrlich zu beantworten: Wird seit fünf Jahren kein Eigenkapital mehr gebildet? Werden Rechnungen nicht bezahlt? Gibt die Bank keinen Kredit? Werden Lohnzahlungen verschoben? Wenn mehrere Punkte zutreffen, sind das Alarmzeichen. Ein Betrieb mit Liquiditätsproblemen ist in seiner Existenz bedroht. Zur Beurteilung der Liquidität eignet sich der Cashflow (Gewinn plus Abschreibungen).
Oft kommen Betriebsleiter zu spät oder gar nicht zur Beratung. Dabei kann das Team der LWK die betrieblichen Kennziffern analysieren, die wirtschaftliche Lage einschätzen und bei einer Umstrukturierung begleiten. bs