Ein neues Zeitalter am Regal?

Branchentreff zu Nachhaltigkeit und Piwis

Der Bundesverband der Deutschen Weinkellereien und die Industrie- und Handelskammer Trier hatten zum Branchentreff der Weinwirtschaft 2022 in das Tagungszentrum der IHK Trier eingeladen, um über „Nachhaltigkeit“ zu diskutieren. Der Begriff umfasst eine Vielzahl von Einzel­aspekten, einer ist der Anbau von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, um Pflanzenschutzmittel und Kosten zu sparen.
Dr. Dirk Richter, Vorsitzender des IHK-Wein­ausschusses, sprach auch aktuelle Probleme wie Lieferengpässe, Kostensteigerungen und Absatzrückgang im LEH an. Die Forderungen nach 50 % weniger Pflanzenschutzmittel und 30 % Ökofläche macht Sorge. Ein Ansatz ist der Anbau von Piwis. Entscheidend ist, ob Piwi-­Weine am Markt akzeptiert werden. Neben Rebsortennamen, Verfügbarkeit von Pflanzgut und weiterer Faktoren spielen Qualität und Geschmack eine herausragende Rolle. Dies diskutierten Vertreter der Weinwirtschaft, Wissenschaft, Politik und Fachministerien.
Aktuell sind mit 3.070 ha nur etwa 3 % der deutschen Rebfläche mit Piwis bepflanzt. Aber es gebe einen Trend und die Nische gewinne an Dynamik. Walter Reineck, Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Weinbauministerium, berichtete, dass nur 0,7 % der Piwis mit Namen vermarktet werden. Er forderte den Handel dazu auf, Piwis zum Preis der Standardsorten zu kaufen und nicht mit Preisabschlag.
Prof. Dr. Ruth Fleuchaus, Weinmarketing und Management, Hochschule Heilbronn, sprach über die Wahrnehmung deutscher Weinkonsumenten: „Diese freuen sich, Wein zu trinken und wollen nicht mit Problemen belastet werden.“ Wein sei „positiv besetzt“ und sollte in der Vermarktung nicht mit Pilzkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Aber mit „reduziertem Pflanzenschutz“ können die Verbraucher etwas anfangen. Kaufentscheidend sei vor allem der Preis und eine bekannte Rebsorte. Reduzierter Spritzmitteleinsatz und CO2-Einsparung interessiert auch, aber Zertifizierung sei im Verkauf weniger wichtig. Selbst in der „für grüne Themen“ affinen Gruppe ist der Preis das Wichtigste. Marktforschungen ergaben, dass es einfache Erklärungen in der Sprache der umweltbewussten Konsumenten braucht, um zu informieren. Fleuchaus rät von dem Begriff Piwi ab, um keine Verbindung zu Pilzen herzustellen. Auch „Innovationen“ irritieren die Verbraucher, die Wein mit Tradition verbinden. Öko- und Nachhaltigkeit bedeuten Zusatznutzen, stehen bei Konsumenten aber nicht im Vordergrund. Sie empfiehlt eine emotionale Sprache: Neue Rebsorten, Geschmack, Genuss, Qualität, Nachhaltigkeit. Fleuchaus rät zu Cuvées und Markenweinen mit neuen Sorten: „Wir müssen sie anbieten und bewerben. Es liegt nicht am Verbraucher, der sie nicht kauft – der kennt diese Weine nicht oder findet sie nicht.“
Die Podiumsdiskussion moderierten Albrecht Ehses, IHK Trier und Peter Rotthaus vom Bundesverband der Deutschen Weinkellereien. Alexander Rittlinger, Weinkellerei Reh-Kendermann in Bingen, berichtete vom Erfolg des „Pionierwein“. Handel und Konsumenten haben mehrere 100.000 Flaschen gut angenommen. Peter Jung, Remstalkellerei in Weinstadt erzählte ebenso positiv von den Cuvée aus neuen Sorten und vom Jungwinzerprojekt mit Sauvitage. Martin Koch, Weingut Abtshof/Weinkellerei Deutsch, in Hahnheim sagt, er spart Zeit und Kosten im Anbau, die er aber vielfach für die Vermarktung braucht. Achim Rosch, DLR Mosel, berichtete von Ausbauversuchen.
Für Barbara Richter, Verein Piwi Deutschland, ist die Vermarktung entscheidend, der Anbau wird reagieren. DWI-­Chefin Monika Reule stellte klar, dass das DWI informiere, aber 3 % der Rebfläche rechtfertige keine Werbestrategie.
Johannes Hübinger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Weinkellereien hat viele Denkanstöße mitgenommen. Vom Begriff Piwi sollte sich die Vermarktung trennen. Die Weine schmecken ansprechend und sind mit Innova­tionsgeist zu vermarkten. bs