Der Deutsche Weinbauverband (DWV) feierte sein 150-jähriges Bestehen mit einer festlichen Veranstaltung im Saalbau Neustadt an der Weinstraße. DWV-Präsident Klaus Schneider und DWV-Generalsekretär Christian Schwörer, freuten sich über zahlreiche internationale und nationale Gäste, die durch ihre Anwesenheit das gute Netzwerk des Verbandes zeigten.
Wein ist Demokratie im Glas
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nahm Bezug auf das nahegelegene Hambacher Schloss und betonte die Bedeutung des Kulturgutes Wein, das Tradition und Moderne miteinander verbinde. „Wein ist Demokratie im Glas“, denn der Wein präge die Menschen in der Region, in der die Wiege der Demokratie stand. Özdemir versteht den Weinbau auch als starken Wirtschaftsfaktor in den Anbauregionen. Sorge bereite der Absatzrückgang europaweit, aber Krisendestillation löse die Krise nicht. Der Anbau dürfe nicht weiter ausgedehnt werden. Eine Expertengruppe der EU befasse sich mit diesen Themen.
Zudem leiste der Weinbau einen bedeutenden Beitrag zur Biodiversität, denn Rebanlagen bieten Rückzugsraum für seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Für den deutschen Weinbau liege Wandel in der Natur der Sache. So bewundert Özdemir, wie anpassungsfähig die Weinbaubetriebe sind, denn viele hätten auf den Trend hin zu Bio-Weinen reagiert und auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Der Weinbau pflanze nun Piwis, wobei der Anteil bei nur 3 % liege, sodass noch Luft nach oben sei. Öko- wie auch konventionelle Betriebe seien sehr innovativ und werden unterstützt. Özdemir zählte Förderungen auf zu Investitionen und Umstrukturierung von Rebflächen. Die Branche setze auf Züchtungsforschung und Anpassung an das Klima. Außerdem versprach er ein weiteres Mal den Abbau von unnötigen Bürokratielasten.
Wie die Deutsche Weinkönigin Eva Brockmann feststellte, vertritt der Deutsche Weinbauverband seit 150 Jahren die Interessen der Winzer, aber die Ziele, den Weinbau zu schützen und zu fördern, haben sich seit 1874 nicht verändert. Der rückläufige Weinabsatz mache derzeit große Sorge, zumal die Preise stagnieren während die Produktionskosten steigen. Zudem stehe die Branche durch Anpassungen an den Klimawandel und einwandernde Schädlinge vor großen Herausforderungen.
Generaldirektor John Barker von der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) ist überzeugt, dass die Weinanbaugebiete gemeinsam politisch erfolgreich sein können. „ Absatzprobleme und das drohende Werbeverbot für Wein belasten alle Weinerzeuger. Wir müssen in Gesprächen Lösungen finden“, so Barker.
Im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie
Daniela Schmitt, rheinland-pfälzische Weinbau- und Wirtschaftsministerin, ist dankbar für die gute Zusammenarbeit mit dem Deutschen Weinbauverband. „Lassen Sie uns gemeinsam weiter für den Weinbau kämpfen“, sagte die Ministerin. Sie arbeite daran, die Rahmenbedingungen für die Betriebe zu verbessern. Die Landschaft sei vom Weinbau geprägt. Er ist Wirtschaftsfaktor und Tourismusmagnet, bietet Arbeitsplätze und wirkt in der Region identitätsstiftend. „Im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie sind praxisnahe Anreize zu setzen. Wir brauchen einen Mix“, meint Ministerin Schmitt.
Der DWV-Präsident blickte auf die Geschichte des Dachverbandes zurück und nannte drei Meilensteine der letzten 25 Jahre: „Kaum ein Thema hat sich in den letzten Jahren so schnell entwickelt wie die gesellschaftliche und politische Erwartung an den Pflanzenschutz.“ Doch die Weinbranche habe sich weiterentwickelt und bereits erhebliche Reduktionen vorgenommen. „Ein Meilenstein in dieser Entwicklung sind unsere Leitlinien zum Integrierten Pflanzenschutz“, so der Weinbaupräsident.
Klares Bekenntnis zu moderatem Weingenuss
Als weiteren Meilenstein nannte er die Gründung der europäischen Initiative „Wine in Moderation“, mit der der Berufsstand ein klares Bekenntnis zu moderatem Weingenuss und gegen Alkoholmissbrauch gesetzt hat. Als erschreckend bezeichnete Schneider die aktuellen Entwicklungen in der WHO, in einigen Mitgliedstaaten und in Teilen des EU-Parlaments, die nicht zwischen moderatem Konsum und Alkoholmissbrauch unterscheiden. „Ich fordere eine faktenbasierte, wissenschaftliche Diskussion. Die Branche bekennt sich zu ihrer Selbstverpflichtung und setzt auf Aufklärung statt auf Verbote“, so Schneider.
Der dritte Meilenstein ist für Schneider der Übergang vom germanischen zum romanischen Bezeichnungssystem. Herkünfte und Qualität sind nunmehr auch rechtlich miteinander verknüpft. Bedeutsam war die Schaffung der Schutzgemeinschaften und eine Anpassung des Bezeichnungsrechts, um den Paradigmenwechsel im Gesetz nachzuvollziehen.
Die aktuellen Herausforderungen der Weinbranche durften in Schneiders „Bericht zur Lage“ natürlich nicht fehlen: Die Funktionsfähigkeit der Schutzgemeinschaft, eine Regulierung des Anbaupotenzials auf EU-Ebene und die Berücksichtigung der Pflanzenschutzreduktionsstrategie der Branche waren seine wesentlichen Forderungen. Der Weinbauverband habe sich auch Gedanken gemacht, welche Biodiversitätsleistungen aus Sicht der Praxis und der Wissenschaft sinnvoll sind und wie diese ökonomisch tragfähig gestaltet werden können“, erklärte Schneider.
Beitrag des Weinbaus zur Biodiversität
Welchen Beitrag der Weinbau zur Biodiversität leiste, war Thema einer Keynote von Dr. Christoph Hoffmann, Julius Kühn-Institut (JKI). Unbestritten sei die höhere Artenvielfalt im Weinberg im Vergleich zum Ackerbau.
Seit seiner Gründung im Jahr 1874 legt der Deutsche Weinbauverband einen Schwerpunkt auf die Vernetzung zwischen weinbaulicher Praxis, Wissenschaft und Politik. Die Podiumsdiskussion zum Thema „Biodiversitätsleistungen im Weinbau – politische Forderungen und praktische Notwendigkeiten“ bot Möglichkeit zum Austausch. DWV-Vizepräsident Heinz-Uwe Fetz, Präsident des Weinbauverbandes Mittelrhein, diskutierte mit Referatsleiter Michael Pielke von der EU-Kommission, Aly Leonardy, Vizepräsident der Assemblée des Régions Européennes Viticoles (AREV), Steffen Bilger, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, sowie Dr. Jo Marie Reiff von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU).
Natur lässt sich nicht in Gesetzestexte pressen
„Die Arbeit mit und in der Natur lässt sich nicht in Gesetzestexte pressen“, sagte Fetz. Die Weinbranche erkenne ihre Verantwortung für eine enkelgerechte Bewirtschaftung und habe in den letzten Jahren konstruktive Lösungsvorschläge erarbeitet, das bestätige die Wissenschaft. „Jetzt müssen wir mit der Politik tragbare Lösungen finden, um Betriebe und Biodiversität zu erhalten“, zog Fetz nach der lebhaften Diskussion ein Fazit. bs