Cem Özdemir im Gespräch mit Weinbaupräsidenten

Zukunftsfragen des Weinbaus

Foto: Bettina Siée
Auf Einladung der Hessi­schen Landwirtschaftsministerin Priska Hinz kam Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nach Eltville ins Weingut Diefenhardt, um mit dem Präsidenten des Deutschen Weinbauverbandes (DWV) Klaus Schneider, dem Präsidenten des Rheingauer Weinbauverbandes Peter Seyffardt und dem Vorsitzenden des Weinbauverbandes der Hessi­schen Bergstraße Otto Guthier über Zukunftsfragen des Weinbau zu sprechen.
DWV-Präsident Klaus Schneider war erfreut darüber, dass der lange erwartete persönliche Austausch mit Bundesminister Özdemir zustande gekommen ist. Fast 90 Minuten sprachen sie über Themen, die die Branche und Politik beschäftigen.
Von einem gelungenen Austausch berichtet DWV-Generalsekretär Christian Schwörer, der als zweiter Vertreter des deutschen Weinbauverbandes in Eltville dabei war: „Wir konnten unsere Positionen zu Pflanzenschutzmittelreduk­tionsvorhaben der EU, zur Arbeit der Schutzgemeinschaften, zum Thema E-Label und zur Alkoholpolitik erklären.“ „Es war ein offenes Gespräch, in dem viele Vorurteile ausgeräumt wurden“, resümierte DWV-Präsident Schneider. Cem Özdemir habe aufmerksam zugehört und verstanden, warum sich die Winzer gegen ein Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten sensiblen Gebieten wehren.
Özdemir verspricht praxistaugliche Regeln
Mit Blick auf die geplante Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) bekannte sich der Bundeslandwirtschaftsminister weiterhin zu den Reduktionszielen der EU, räumte aber ein, dass bei den vom DWV angesprochenen Aspekten in Brüssel nachgebessert werden müsse, um für den deutschen Weinbau praxistaugliche Regeln zu erreichen. Er befürwortet die Würdigung bereits erzielter Reduktionen durch die Winzer. „Es muss machbar sein“, sagte Özdemir.
„Die EU-Kommission setzt die richtigen Ziele, sie droht aber übers Ziel hinauszuschießen“, erklärte Özdemir. Er sieht bei der SUR an relevanten Stellen Veränderungsbedarf. Als Beispiel nennt er die Definition der ökologisch sensiblen Gebiete und das Referenzjahr. Zudem müssten die Maßnahmen im Verhältnis mit dem Aufwand der Betriebe und Behörden stehen.
Der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes meint: „Es war eine gelungene Fortsetzung des Dialoges, den wir auf unserer Mitgliederversammlung im Mai mit Staatssekretärin Bender begonnen haben. Aber wir müssen am Ball bleiben!“
Schutzgemeinschaften brauchen Finanzierung
Der DWV forderte darüber hinaus, dass für die Schutzgemeinschaften, die die Produkt­spezifikation der deutschen Anbaugebiete verwalten, eine Grundlage für eine ausreichende finanzielle Ausstattung geschaffen wird. „In anderen Mitgliedstaaten verfügen die Schutzgemeinschaften über eine gesicherte Finanzierung. In Bezug auf die Themen Herkunftsprofilierung und Nachhaltigkeit stehen unseren Anbaugebieten sehr große Aufgaben bevor. Dies muss finanziert werden können,“ so DWV-Generalsekretär Schwörer.
Der DWV fordert beim sogenannten „E-Label“ für Nährwert- und Zutatenkennzeichnung ein klares Bekenntnis zur Digitalisierung und zu einer praxisgerechten Umsetzung. Bundesminister Özdemir und auch die hessische Ministerin Hinz zeigten sich bei diesen Themen offen und versprachen eine erneute Prüfung.
Um einen Ausbau der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland auf 30 % bis 2030 zu erreichen, müssen Ökowinzer in allen Weinbau­regionen ökonomisch erfolgreich und nachhaltig arbeiten können. Dazu brauche es ein Bündel an Maßnahmen, wie die Anbaubedingungen weiter zu optimieren, den Anteil an pilzwiderstandsfähigen Rebsorten zu erhöhen, Prognosemodelle weiter zu verbessern und zudem die Handlungsoption Kaliumphosphonat im Pflanzenschutz.
Bekenntnis zu Kaliumphosphonat
Bundesminister Özdemir bekräftigte sein Bekenntnis zu Kaliumphosphonat im Ökoweinbau und sicherte seine Unterstützung auf europäischer Ebene zu.
Hinz kündigte an, die Förderung der Pheromonanwendung zur Traubenwicklerbekämpfung im hessischen Weinbau auch künftig fortzusetzen. Außerdem sollen die aufwendigen Arbeiten in der Steillage honoriert werden, die Beihilfe im Falle einer Hangneigung von mindestens 40 % werde ab 2025 verdoppelt.
Weinbergsrundgang mit Bundesminister
Im Anschluss an das interne Gespräch führten sie die Ministerin und den Minister durch die Weinberge und erklärten das Pheromonverfahren, durch das ein Insektizideinsatz vermieden wird, zeigten gemulchte Begrünungsgassen, um den Wasserverbrauch zu reduzieren und entblätterte Traubenzonen, um die Trauben gesund zu halten. Aber der Weinbau komme nicht ohne Fungizide aus.
Direkt sichtbar wurde in der Eltviller Gemarkung auch die Konsequenz aufgegebener Bewirtschaftung, die zur Verbuschung der Hänge und damit zu einem Verlust von Biodiversität führt. Weitere Gesprächsthemen waren die Förderung der Biodiversität im Weinberg, mögliche Anpassungen an die Folgen des Klimawandels, die zunehmende Trockenheit und die Bedeutung der Kulturlandschaft auch als Tourismusmagnet und Wirtschaftsfaktor.
Hessen hat Studie zur Bewässerung beauftragt
Durch den Klimawandel bestehe zunehmend der Wunsch nach dem Aufbau einer Bewässerungsinfrastruktur. Hinz berichtete, ihr Ministerium habe beim Thünen-Institut (TI) eine Bewässerungsstudie in Auftrag gegeben. Ziel sei es, eine belastbare Datenbasis zur aktuellen Lage, zum künftigen Bedarf, zur ökonomischen Auswirkung und zu Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft zusammenzutragen.
Zugleich sollen im Rahmen der Studie alternative Wasserressourcen neben der Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser identifiziert werden. Hinz sieht im Weinbau ein Potenzial in der Auswahl trockentoleranter Rebsorten, der Umsetzung wassersparender Bodenpflegesysteme und der Optimierung des Wasserrückhalts.
Mehr Ökoweinbau braucht politischen Rückenwind
Özdemir hatte am Tag zuvor in Bonn auch ein Gespräch mit Ecovin, um die Frage zu erörtern, was passieren müsste, um den Ökoanteil im Weinbau bis 2030 auf 30 % Prozent zu erhöhen. Die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Ökologischer Weinbau, Petra Neuber, machte vor allem deutlich, dass die Ökowinzer in klimatischen Extremjahren einen wirksamen Pflanzenschutz zur Ertragssicherheit benötigten. „Die wenigen im Ökoanbau verfügbaren Stoffe und die EU-Pläne zur Reduktion der ausgebrachten Mittel gefährden diese Sicherheit“, warnte Neuber.
Das Ziel sei, Regelungen zu erreichen, die etwa auch für Sonderkulturen wie den Obst- und Weinbau tragfähig sind und dass sich die Bundesregierung in den Verhandlungen auf EU-Ebene zur SUR gegen ein Totalverbot von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten einsetzt.
Minister Özdemir versprach auch hier, sich bei den europäischen Verhandlungen zum Pflanzenschutz für die Belange des Weinbaus stark zu machen. Weinbau müsse in Deutschland erhalten bleiben, das sei keine Frage. Der Minister will auf Europaebene über die Definition für „sensible Gebiete“ sprechen. Und er suche auch Allianzen bei seinen europäischen Kollegen für die Wiederzulassung von Kaliumphosphonat.
Ecovin-Bundesvorsitzender Andreas Hattemer ist überzeugt davon, dass sich ein dynamisches Wachstum des Ökoweinbaus nur auf der Nachfrageseite ankurbeln lasse, selbst wenn die Anbauprobleme mittelfristig gelöst sein sollten. „Deshalb müssen wir dringend mehr Verbraucher von den Vorteilen des ökologischen Anbaus überzeugen“, unterstrich Hattemer.
Ecovin sei sich mit Özdemir einig darin, dass es eine engere Bindung zwischen Produzenten und Konsumenten brauche und mehr Wissen um den Ökoweinbau verbreitet werden müsse. Cem Özdemir bekenne sich außerdem als großer Piwi-­Fan und erwäge eine Förderung für den Anbau der zukunftsfähigen Rebsorten. „Unser Verband steht bereit für ein Wachstum des Ökoweinbaus, doch die Rahmenbedingungen stimmen noch nicht, weder auf Erzeuger- noch auf Konsumseite. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf sieht und den Mehrwert des Ökoanbaus stärker in die Gesellschaft tragen will “, sagte Ecovin-Bundesvorsitzender Hattemer nach dem Gespräch. bs