Ein Herbst im Regen nach trockenem Sommer

RHEINGAU

„Vor 14 Tagen hätten wir noch eine ganz andere Prognose zum Jahrgang gegeben“, sagte Peter Seyffardt, Präsident des Rheingauer Weinbauverband e.V., anlässlich der diesjährigen Herbstpressekonferenz des Verbands am 19. September. Nach der langanhaltenden Trockenheit über den Sommer sei es bisher vor allem ein Herbst im Regen gewesen, so Seyffardt. Die seit September herrschenden Niederschläge seien lokal unterschiedlich verteilt und bremsten die Zunahme des Mostgewichtes aus. Daher blieben die zuvor erwarteten hohen Alkoholgehalte aus, stattdessen zögen sich die Beeren voll Wasser, was die Erträge steigen und die Botrytis voranschreiten lasse, erklärte der Präsident. „Das Jahr hat die Herausforderungen der Zukunft demonstriert“, so Präsident Peter Seyffardt. „Jetzt wird sich zeigen, wie die Moste sich entwickeln und der Jahrgang sich präsentiert.“
Regen lässt Fäulnis voranschreiten
Die Hauptlese des Rieslings, die mit rund 80 % die Profilierungsrebsorte des Rheingaus ist, setzte in KW 38 ein, werde aber innerhalb von zwei Wochen aufgrund der voranschreitenden Fäulnis eingeholt sein. Die Lese von Burgunder- und anderen Rebsorten sei weitgehend abgeschlossen mit guter Qualität und Menge, ergänzte Seyffardt.
Trockene Jahren werden zur Normalität
Insgesamt war das Jahr sehr trocken und warm, mit ungleichmäßig verteilten Niederschlägen. Die Blüte begann bereits zehn Tage vor dem langjährigen Mittel (1991 bis 2020) am 2. Juni. Durch die warmen Temperaturen in den Sommermonaten entwickelten sich die Trauben entsprechend weiter. Aus den letzten Jahren fehlen rund drei Viertel des Jahresniederschlags“, erklärte Prof. Dr. Manfred Stoll, Hochschule Geisenheim. Da ab März der Regen ausblieb, mussten vor allem Junganlagen bewässert werden. Viele Winzer mussten dort sogar die Trauben komplett abschneiden, um die Anlage am Leben zu erhalten.
Stoll zeigte anhand der nutzbaren Feldkapazität im Vergleich zweier Lagen, dass auch frühere Lagen ohne Wasserstress damit Probleme bekommen werden, abhängig von den Winterniederschlägen. Er rät den Winzern deshalb die Bodenpflege anzupassen, um Verdunstung zu reduzieren.
„Nicht nachvollziehbar“ sei laut Peter Seyffardt dahingehend die Entscheidung der Eigentümer der Flächen im Rüdesheimer Berg gegen ein Flurbereinigungsverfahren mit Bewässerungssystem. Manche Winzer wollten nun eigene Konzepte entwickeln. Daneben treibe die Winzer auch die Kostensteigerung von rund 20 % und die Lieferengpässe beispielsweise bei Flaschen und Verschlüssen um.
Dass solche trockenen Jahre zur Normalität werden, zeigte Prof. Dr. Thomas Schmid, Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Zukünftig gebe es mehr heißere Tage über 30 °C und längere Hitzeperioden, wodurch die Bodenfeuchte abnehme. Schmid rät Winzern zu Maßnahmen wie Wasserspeicherbecken, trockentoleranten Reben oder Terrassierung, um dagegen zu steuern.
Projekt des Verbands geht in die 2. Runde
Bereits 31 Betriebe nehmen am Projekt Riesling Alkoholfrei des Rheingauer Weinbauverbands teil, erzählte Geschäftsführer Dominik Russler. Die Abfüllung des mittels Membranverfahren und Vakuumverdampfung entalkoholisierten Rieslings aus Rheingauer Lagen lag in diesem Jahr mit 18.000 Flaschen bereits über 50 % aus dem Vorjahr, als das Projekt startete. Russler betonte, dass der Verband hohe Qualitäten einkaufe und über den Preisen am Fassweinmarkt bezahle. Den alkoholfreien Wein füllen sie in Leichtglasflaschen ab. isp