Fallstricke bei Windradverträgen erkennen

Keine Unterschrift ohne Prüfung

Foto: Elke Setzepfand
Die Planung neuer Windkraftstandorte hat in vielen Regionen Fahrt aufgenommen. Hierfür sorgt nicht zuletzt die Ankündigung der neuen Regierung, den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich erhöhen zu wollen. Daher sind die Unternehmen der Windbranche sehr aktiv weitere Investitionen in Millionenhöhe auf potenziell genehmigungsfähigen Standorten auf den Weg zu bringen. Dies betrifft sowohl die Erweiterung bestehender Windparks als auch die Projektierung neuer Standorte. Auch der Austausch alter Windräder durch neue, leistungsfähigere Anlagen, das sogenannte Repowering, steht vielfach auf der Agenda. Die Planungen finden teilweise auch in Weinbergsgelände statt.
Flächensicherung
Einer der wichtigsten Grundsteine der Planungen ist die vertragliche Sicherung möglicher Standorte. Den an potenziellen Standorten gelegenen Grundstückseigentümern werden oft sehr frühzeitig Pachtverträge zur Errichtung von Windkraftanlagen angeboten. Dies geschieht teilweise bevor die Kommunen oder Genehmi­gungsbehörden offiziell über die Aktivitäten informiert werden. Wer erstmals einen solchen Nutzungsvertrag vorgelegt bekommt, staunt zunächst über den großen Umfang des Vertrages. Man sollte sich nicht blenden lassen: Auch wenn die Verträge auf den ersten Blick lukrativ erscheinen, enthalten sie je nach Vertragsgegenstand oft ein nicht zu unterschätzendes Risikopotenzial für den Grundstücksverpächter.
Zumal vor einer Befassung mit den Details eines vorgelegten Vertrages geprüft werden sollte, ob das vorgeschlagene Vertragskonzept überhaupt den eigenen Vorstellungen entspricht. Schließlich hängt von der Auswahl des Vertragskonzeptes häufig die Akzeptanz der Windräder in der näheren Umgebung ab. Die Verträge bedürfen aus Sicht des Grundstückseigentümers erfahrungsgemäß einer sorgfältigen Prüfung und sind nur in seltenen Fällen ohne Nachverhandlung und Einarbeitung wichtiger Anpassungen sowie Verbesserungen unterschriftsreif. Man darf nicht vergessen, dass es in der Regel um eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren und mehr der Festlegung wichtiger Aspekte der Zusammenarbeit geht.
Keine neutralen Musterverträge im Einsatz
Im Gegensatz zu den erfahrenen, intensiv geschulten Mitarbeitern der Windkraftfirmen haben Landwirte und Grundstückseigentümer bei der Vorlage eines ausführlichen Pachtvertrages für die Errichtung der Windenergieanlagen meist zuvor mit diesem Thema noch nichts zu tun gehabt. Es besteht ein deutliches Wissensgefälle zwischen den beiden Verhandlungsparteien. Dieses drückt sich schon darin aus, dass die an dem Pachtvertrag interessierte Betreiberfirma so gut wie nie einen Mustervertrag aus neutraler Quelle, sondern einen von ihr selbst formulierten Vertrag vorlegt. Dabei bleibt es leider nicht aus, dass das im Vertrag verankerte Verhältnis zwischen den Rechten und Pflichten beider Vertragsparteien nicht ganz ausgewogen ist. Da ein unterschriebener Vertrag rechtsgültig ist und in aller Regel nicht nachverhandelt werden kann, sollte man seine Unterschrift erst leisten, wenn man sich sicher ist. Geäußerte Hinweise wie „Sie sind der letzte, der noch unterschrei­ben muss …“ oder „Der Vertrag ist geprüft, da ist alles in Ordnung …“ sind dabei durchaus kritisch zu hinterfragen.
In der Praxis werden verschiedene Vertragskonzepte genutzt. Neben den Bürgerwindparks mit der Beteiligung möglichst vieler Grundstückseigentümer und Anwohner an den Anlagen sowie dem in vielen Regionen Deutschlands verbreiteten Poolkonzept, das möglichst alle im Windpark gelegene Flächen einbindet, gibt es das Konzept der Einzelverträge. Vor der übereilten Entscheidung für einen vorgelegten Vertrag sollte man bei der Kommune beziehungsweise Genehmigungsbehörde in Erfahrung bringen, ob Poolkonzepte favorisiert oder bereits in Planung sind.
Im Übrigen werden in den Verträgen nicht nur die Fundamentstandorte und Abstandsflächen, sondern auch Grundstücke für Wege, Kabel sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gesichert.
Nicht nur auf die Pachthöhe achten
Seitens der Windkraftfirmen wird bei der Akquisition neuer Standorte häufig damit geworben, dass die Verpachtung für Windanlagen eine wesentlich höhere Wertschöpfung bringt als bei einer landwirtschaftlichen oder weinbaulichen Nutzung möglich ist. Dabei wird gerne unterschlagen, dass die landwirtschaftlichen Pachtmärkte nach anderen Regeln funktionieren wie die Pachtmärkte für Energieanlagen. Man sollte sich nicht von auf den ersten Blick interessanten Zahlen beeindrucken lassen, sondern den regionalen Markt für Windkraftverträge eingehend studieren und nach Referenzen in der Region fragen.
Zudem ist es sinnvoll, wenn sich die Grundstückseigentümer in der betroffenen Region sowohl hinsichtlich der Projektierer als auch wegen der Vertragsformulierungen untereinander austauschen.
Mit Hintergrundwissen fällt es viel leichter, sowohl die vorgelegten Angebote als auch die vielen wichtigen Vertragsformulierungen zu bewerten und nach Möglichkeit zu verbessern. Dies gilt insbesondere für die Klauseln zur Absicherung und zur Mitbestimmung des Eigentümers. Nichts ist ärgerlicher als im Nachhinein feststellen zu müssen, dass man beim Abschluss seines Vertrages hinsichtlich wichtiger Aspekte nicht genug aufgepasst hat. Dabei ist deutlich zu betonen, dass die Vergütung keines­falls der wichtigste Punkt bei einem Windkraftvertrag ist. Die Aspekte der Haftung und des Rückbaus sind deutlich höher zu bewerten.
Beschreibung der Pacht sichert Mitsprache
Oft wird in den Verträgen schlicht Bezug genommen auf die Errichtung einer Windenergieanlage, ohne nähere Details zu beschreiben. Diese Details sind aber von nicht zu vernachlässigender Bedeutung für die Einschätzung des gesamten Vertragswerks. Bei sonstigen Verträgen sind es Landwirte und Winzer aus guten Gründen gewohnt, dass der Vertragsgegenstand detailliert aufgeführt ist. Man sollte also auf die konkrete Leistungsangabe in Megawatt (MW) und auf die Angabe der Höhe der Anlage sowie des Rotordurchmessers bestehen. Auch ist Wert darauf zu legen, dass wesentliche Änderungen oder ein künftig eventuell durchzuführendes Repowering nicht ohne Zustimmung des Verpächters möglich sind.
Häufig wird versucht, Beschreibungen in den Vertragstexten rechtlich aufzuweichen durch Formulierungen wie „nach Möglichkeit …“ oder „ es können sich abweichende Planungen ergeben …“. Es stärkt die Stellung des Grundstückseigentümers, wenn er sich vorbehält, maßgeblichen Änderungen in den Planungen zustimmen zu müssen.
Grundsätzlich geht es im „Verhandlungspoker“ häufig darum, dass der Verpächter möglichst viel Mitsprache bei substanziellen Änderungen des Projektes erhält.
Sicherheit und Rückbau gehen vor
Generell ist den Vertragsbestandteilen, die sich mit den Themen der Versicherung und der Haftung befassen, die größte Aufmerksamkeit zu widmen. Falls hier etwas aus den Fugen gerät, kann im Extremfall das Familien- und Betriebsvermögen des Verpächters in Gefahr geraten. Die durch eine Versicherung ausreichend abgedeckte Haftungsübernahme durch den Pächter inklusive eines regelmäßigen Nachweises über die abgeschlossene Versicherung ist daher ein zentraler Aspekt des Vertrages.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines Windkraftvertrages sind die Regelungen zum Rückbau. Schließlich sollen die Lasten eines Rückbaus am Ende der Vertragslaufzeit auch vom Pächter getragen werden, ohne dass der Grundstückseigentümer mit finan­ziellen oder rechtlichen Risiken rechnen muss. Der möglichst vollständige Rückbau der Anlage inklusive aller Bestandteile wie Fundamente, Leitungen und sonstigen Bestandteilen sollte folglich immer durch eine Bankbürgschaft abgesichert werden. Die Bürgschaft muss in ausreichender Höhe ausgestellt sein, die in regelmäßigen Abständen durch unabhängige Sachverständige (nicht Angebote einer Fachfirma!) überprüft und anschließend angepasst werden sollte.
Rücktrittsrecht, falls es nicht zum Bau kommt
Windkraftverträge sind so aufgebaut, dass der Grundstückseigentümer nicht auf den Bau einer Windenergieanlage pochen kann. Sie sind quasi „vorsorgliche“ Verträge, die zur Umsetzung kommen, falls alle Bedingungen für die Genehmigung und den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage gegeben sind. Für den Projektierer dage­gen sind die Verträge unabding­bar, um überhaupt in die Phase der Genehmigungsbeantragung zu kommen. Ohne abgesicherte Fläche kein Antrag und keine Genehmigung!
Wenn ein Anlagestandort nicht genehmigungsfähig ist oder sich aus Sicht der projektierenden Firma doch nicht rechnen sollte, ist es wichtig, dass der Grundstückseigentümer sich entsprechend absichert. Die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist für den Fall, dass das Projekt nicht umgesetzt wird, ist in fast allen Fällen deutlich zu lang angelegt. Sie überschreitet teilweise sogar ein ganzes Jahrzehnt. Oft sind die Rücktrittsklauseln schwammig formuliert oder mit unübersichtlichen Verlängerungsoptionen ergänzt. Der Eigentümer muss die Möglichkeit haben, die Fläche auf dem Markt für Windkraftanlagen möglicherweise auch anderen Firmen anbieten zu können, falls nach einer überschaubaren Zeit der ursprüngliche Vertrag doch nicht zum Tragen kommen sollte.
Fazit: Prüfen und nicht drängen lassen
Trotz der verbreiteten Erkenntnis, dass ein Zuwachs an erneuerbaren Energien benötigt wird, ist eine gesunde Skepsis gegenüber den angepriesenen Vertragsvorlagen angebracht. Das Windkraftgeschäft läuft nach eigenen Regeln. Oft besteht ein deutliches Wissensgefälle zwischen den Windfirmen und Grundstückseigentümern. Fast nie kommen neutrale Musterverträge zum Einsatz.
Wer diesen Umstand gleichermaßen berücksichtigt wie die Tatsache, dass langfristige Verträge grundsätzlich erst nach umfassender Prüfung, möglichst unter Einschaltung von Experten unterschrieben werden sollten, kann seinem Verhandlungspartner eher in Augenhöhe gegenübertreten und fühlt sich bei seinen Entscheidungen wesentlich sicherer. In vielen Regionen sind die Kreis- und Bezirksgeschäftsstellen der Berufsvertretungen für ihre Mitglieder erfahrene und fachkundige Ansprechpartner. red