Gute Qualitäten, aber Sorgen um den Absatz

RHEINHESSEN

Die Schutzgemeinschaft Rheinhessen informierte in der Nachfolge des Weinwirtschaftsrates in einer Pressekonferenz über aktuelle Entwicklungen der rheinhessischen Weinwirtschaft. Obwohl die Winzer einen guten Jahrgang eingefahren haben und der Fassweinmarkt stabil ist, sind in Anbetracht der allgemein ständig steigenden Kosten die Sorgen groß, dass der Wein nicht zum entsprechenden Preis abgesetzt werden kann.
Höhere Preise beim LEH schwer durchsetzbar
Bisher sind die Endverbraucherpreise sehr moderat gestiegen. Die Fassweinpreise erhöhten sich um etwa 10 %, aber die Kosten nur um rund 30 %. So müssten die Erzeugerpreise steigen, um die Kosten zu decken, aber laut Weinkellereien sind beim Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und bei Discountern Preiserhöhungen kaum durchzusetzen.
Wie Ingo Steitz, Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen und Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Rheinhessen, berichtete, war das Wetter während der Lese in Rheinhessen nicht optimal. Nach extrem langer Trockenheit im Sommer begann zum Start der Traubenlese eine Regenperiode, die während der Ernte nicht endete und im Laufe der Zeit über 100 Liter Niederschlag pro Quadratmeter brachte. „Die Nässe erschwerte die Arbeit und war in den für die Region typischen Hügeln nicht einfach für die Winzer“, erklärte Steitz.
Die Winzer freuen sich über gute Qualitäten dieses Jahr. Die Erträge sind je nach Standort und lokalen Niederschlägen von Gemarkung zu Gemarkung stark unterschiedlich. Steitz berichtet von sehr kleinen Beeren dieses Jahr, oft nur zwei Drittel der normalen Größe. Dennoch erwartet die rheinhessische Weinwirtschaft eine Gesamtmenge von etwa 2,5 Mio. hl, was dem langjährigen Durchschnitt entspricht. So können die Rheinhessen den Markt nahtlos beliefern.
Die ersten Lesetage waren noch heiß und erforderten eine kühle Ernte in der Nacht. Die Säurewerte reduzierten sich sehr schnell und waren oft entscheidend für den Erntezeitpunkt. Viele Weine müssen gesäuert werden. Die Mostgewichte stiegen schnell, sodass alkohollastige Weine befürchtet wurden. Doch kühlte die Witterung ab, sodass Säurewerte und Mostgewichte einige Tage stagnierten und auf akzeptablem Niveau blieben.
Nach einem Absatzhoch während der Pandemie hat sich der Verkauf nun wieder normalisiert. Die Anzahl der zur Qualitätswein-Prüfung der Landwirtschaftskammer angestellten Weißweine aus Rheinhessen ist in den ersten acht Monaten 2022 um 4,7 % im Vergleich zu 2021 gestiegen. Die Anstellungen gingen bei Rotwein im gleichen Zeitraum um 17,1 % zurück. Auf 73 % der Rebfläche Rheinhessens wachsen weiße, auf 27 % rote Sorten.
„Wer beim Selbstvermarkter kauft, akzeptiert die Preiserhöhungen eher als die Kunden
des Lebensmitteleinzelhandels“, meint Wolfgang Trautwein, Vorstandsmitglied im Bundesverband der Deutschen Weinkellereien und stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Rheinhessen.
Die Preisverhandlungen mit dem Handel seien derzeit besonders schwierig, berichtet Trautwein. Die abnehmende Hand sei kaum zu Zugeständnissen bereit. „Wie macht man Preise, wenn man nicht kalkulieren kann? Die Energiepreise haben sich vervielfacht. Niemand weiß wie die Entwicklung weitergeht“, so Trautwein. Lieferengpässe seien nicht vorhersehbar. Das gesamte Umfeld sei sehr schwierig. Trotz einem sehr guten Jahrgang schaut Trautwein sorgenvoll in die nahe Zukunft. Es sei schwer, einzuschätzen, wie sich der Kunde am Regal entscheidet und ob er Wein kauft.
Ein marktgerechter, guter Jahrgang
Stefan Braunewell, Vorsitzender des Rheinhessenwein, lässt sich seine Freude über den guten Jahrgang nicht trüben. Er ist zufrieden mit der Ernte in Rheinhessen. Etliche Weine müssen gesäuert werden, aber die gut ausgebildeten Winzer hätten oenologisch alles im Griff. Auch die zu Lesebeginn befürchteten hohen Mostgewichte mit der Folge alkohollastiger Weine haben sich so nicht bewahrheitet. „Wir haben einen sehr guten, markttauglichen Jahrgang, der der Weinwerbung und den Majestäten Spaß machen wird“ ist Braunewell überzeugt. Herkunft ist das Thema, „Wir sind Rheinhessen“ ist das Motto. Der Fokus der Gebietsweinwerbung Rheinhessenwein liegt auf den sozialen Medien, um junge Weingenießer anzusprechen.
Steitz wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass sich die Weinwirtschaft in Rheinhessen bedroht sieht durch die Vorschläge der EU, in Schutzgebieten den Pflanzenschutz komplett zu verbieten. Das betreffe viele Flächen, zum Beispiel den „Höllenbrand“ zwischen Gundersheim und Westhofen und Regionen rund um Ingelheim. Ohne Pflanzenschutz müssten die Weinberge stillgelegt werden. Es fehle jeglicher Bezug der Politik zur Realität. Steitz vermisst die Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir. bs