Gute Qualitäten bei ­starken Ertragsrückgängen

WÜRTTEMBERG

Die feucht-warme Witterung der letzten Wochen hat die Lese-­Dynamik auf der Zielgeraden nochmals deutlich beschleunigt. Dementsprechend war die Hauptlese in den württembergischen Weinbergen am 7. Oktober zur Pressekonferenz des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) zum Weinherbst in Württemberg fast überall abgeschlossen. Das Fazit der 31 württembergischen Weingärtnergenossenschaften: Es lagern gute Qualitäten in den Kellern. Dies kompensiert die Enttäuschung über eine deutlich geringere Erntemenge als ursprünglich erwartet.
Teils starke regionale Frostschäden
Deutliche Einbußen haben die württembergischen Weingärtner beim Ertrag zu verkraften: Der BWGV rechnet mit einer gegenüber den Vorjahren um 25 bis 30 % geringeren genossenschaftlichen Erntemenge. „Die Spätfröste in der zweiten Aprilhälfte haben starke Spuren hinterlassen. Die 64 Mio. beziehungsweise 73 Mio. L der Jahre 2023 und 2022 werden wir weit verfehlen. Auch im Mehrjahresvergleich wird es eine unterdurchschnittliche Erntemenge“, so BWGV-­Präsident Dr. Ulrich Theileis. Die durchschnittlichen Mostgewichte sehen bei den Hauptsorten wie folgt aus: Riesling 77 °Oe, Schwarzriesling 81 °Oe, Spätburgunder 84 °Oe, Trollinger 70 °Oe und Lemberger 81 °Oe.
Rückgänge bei Absatz und Umsatz
In einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld verzeichnen die württembergischen Weingärtnergenossenschaften Rückgänge beim Absatz und beim Umsatz. Der Absatz im ersten Halbjahr 2024 lag mit 23,1 Mio. L Wein und Sekt rund 3 % unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Und auch der Umsatz von Januar bis Juni 2024 war mit rund 76,5 Mio. € um 6,6 % rückläufig. Im Gesamtjahr 2023 haben die württembergischen Weingärtnergenossenschaften 52,9 Mio. L Wein und Sekt verkauft (Vorjahr: 65,2 Mio. €). Der Umsatz sank deutlich um 25 % auf 176,8 Mio. €.
Zum rückläufigen Weinabsatz trägt auch eine sich weiter verschlechternde Verbraucherstimmung in Deutschland bei, wie die Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG) betonte. „Wirtschaftliche Rezession, Infla­tionsängste, globale Krisen, Krieg in der Ukraine und Nahost – es sind viele Faktoren, die sich letztendlich in einer zunehmenden Konsumzurückhaltung äußern. Dies gilt ganz generell für den Konsum, aber insbesondere in der Genusskategorie Wein“, erklärte Uwe Kämpfer, Vorstand Marketing und Vertrieb der WZG, und ergänzte: „Diese Entwicklung ist gerade im Lebensmitteleinzelhandel besonders deutlich“.
Prekäre wirtschaftliche Situation
„Unterm Strich ist die wirtschaftliche Situation für viele Betriebe prekär“, machte Ulrich ­Theileis deutlich. „Die Produktionskosten sind für die Weinbaubetriebe im Jahr 2023 um rund 30 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. In Verbindung mit einem inflationären globalen Wettbewerb sowie tendenziell rückläufigen Käuferschichten entzieht dies der Branche immer mehr die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Es ist dramatisch“, sagte der BWGV-Präsident.
Wettbewerbsnachteil darf sich nicht verschärfen
Mit Unverständnis reagierte der BWGV auf die jüngsten Aussagen des Bundesarbeitsministers, den Mindestlohn ab dem Jahr 2026 auf rund 15 € zu erhöhen. „Der BWGV und die Genossenschaften stehen für faire und gute Löhne für ausgebildete Fachkräfte und damit auch zum Mindestlohn. Doch die Betriebe müssen auch ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern und somit Saisonkräften aus dem EU-Ausland den erhöhten Stundensatz bezahlen“, machte Theileis deutlich. In Deutschland seien die Genossenschaften ohnehin mit im europäischen Vergleich hohen Steuern, teurer Energie und hohen Lohnkosten belastet. Theileis plädierte: „Die Politik muss für ungelernte Kräfte eine angepasste Regelung finden und die Betriebe entlasten.“
Echter Bürokratieabbau ist notwendig
Die Grenze der Belastbarkeit sieht der BWGV auch bei der Bürokratie und den Dokumentationspflichten erreicht: Mit Blick auf die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vergangene Woche vorgestellten Maßnahmen zum Bürokratieabbau sagt Theileis: „Dies ist richtig und wichtig. Aber zu einer echten Reduktion gehört, mehr Bürokratie abzubauen als neue aufzubauen. Das One-in-two-out-Prinzip muss konsequent umgesetzt werden. Laut Statistischem Bundesamt sind im Zeitraum zwischen 2014 und 2023 insgesamt 208 neue bundesrechtliche Vorgaben für die Agrarbranche eingeführt wurden – davon allein 125 neue Informationspflichten. Im selben Zeitraum wurden jedoch nur 22 Vorgaben abgebaut und 35 vereinfacht.“ BWGV