Herausfordernde Zeiten im Weinbau

Seminar zur aktuellen Situation im Weinbau

Foto: Bettina Sieé
Rund 50 Teilnehmende hatten sich am 27. November in der Aula des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim eingefunden, um sich in dem von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz organisierten Seminar über die aktuellen Entwicklungen im Weinbau zu informieren und Hilfestellungen zu betrieblichen Änderungsprozessen kennenzulernen.
Nach der Begrüßung durch Dr. Bernd Prior, Leiter der Abteilung Weinbau, Oenologie und Weinmarkt am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, stand ein Vortrag von Dr. Jürgen Oberhofer vom Weincampus Neustadt zu den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen im Weinbau im Mittelpunkt (Weinmagazin 25/ab Seite 14). Oberhofer machte die schwierige wirtschaftliche Lage im Weinbau deutlich, zeigte aber auch kurzfristige Lösungsansätze bei Liquiditätsproblemen auf und präsentierte Lösungsansätze, mit denen Betriebe je nach individueller Situation einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten können. „An Flächenreduzierung geht kein Weg vorbei“, meint Oberhofer.
Er warnte eindringlich davor, die aktuellen Probleme auszusitzen. Stattdessen sollten Anpassungsprozesse angegangen werden, was in der Branche jedoch aktuell nicht der Fall sei. Er erwartet für das aktuelle Wirtschaftsjahr einen weiteren drastischen Rückgang der ohnehin bereits niedrigen Gewinne der Betriebe und sieht auch zukünftig keine Verbesserung der Situation.
Zur intensiven Beschäftigung mit den Inhalten des Vortrags lud Dr. Elke Dührßen, die Moderatorin des Seminars, zu Gruppenarbeiten ein. Die Ergebnissse verdeutlichten, dass Diskussionsbedarf herrschte und eine große Motivation zu Veränderungen bei den Betrieben vorhanden ist.
Es besteht hoher Beratungsbedarf
Auch wurde deutlich, dass für die zahlreichen komplexen Probleme im wirtschaftlichen, sozialen, familiären und politischen Bereich ein hoher Unterstützungs- und Beratungsbedarf besteht. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten werden im nächsten Schritt in den Gremien der Landwirtschaftskammer vorgestellt und diskutiert sowie in die Arbeit der politischen Gremien einfließen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen stellte Franziska Hauck vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) mit anschaulichen Beispielen vor, was bei betrieblichen Änderungsprozessen, zum Beispiel Betriebsverkleinerungen oder -abgaben, im Bereich der Sozialversicherungen zu berücksichtigen sei.
Betriebliche Änderungen sind der SVLFG zu melden
Franziska Hauck wies mit Blick auf die Mitwirkungspflichten der Versicherten darauf hin, dass eine zeitnahe Meldung an die SVLFG bei betrieblichen Veränderungen unerlässlich sei, damit die Versicherungsbeiträge angepasst werden können. Hauck verdeutlichte, dass die gesetzliche Rente bei Renteneintritt nicht ausreichen werde und Betriebsleiter und -leiterinnen daher frühzeitig privat vorsorgen sollten. Ihr eindringlicher Appell angesichts der sehr betriebsindividuellen Gegebenheiten im Bereich der Sozialversicherungen lautete: „Lassen Sie sich beraten!“. Das Beratungsangebot zu den Sozialversicherungen steht allen Betrieben aus Landwirtschaft und Weinbau unabhängig von einer Mitgliedschaft beim BWV offen.
Steuerliche Aspekte bei Betriebsänderungen
Matthias Lambert vom BWV Rheinland-Pfalz Süd stellte steuerliche Aspekte bei betrieb­lichen Änderungsprozessen vor. Alle Anwesenden verfolgten konzentriert die Ausführun­gen zu steuerlichen Verrechnungsmöglichkeiten bei Verlusten und welche Aspekte bei einer Betriebsverpachtung, -aufgabe oder -veräußerung aus steuerlicher Sicht beachtet werden sollten. Besonders zum Thema Gewinnglättung kamen einige Fragen auf, die Lambert fachkundig beantworten konnte. Auch thematisierte er die kürzlich beschlossene Absenkung der Pauschalierungssätze für Landwirtschaft und Weinbau. Zum Schluss gab Lambert noch wertvolle Tipps zur Minderung der Steuerlast in schwachen Wirtschaftsjahren.
Änderungsprozesse von Mediator begleiten lassen
Anschließend folgte ein Vortrag von Eva Hock, einer ausgebildeten Mediatorin, die Familienbetriebe bei Veränderungsprozessen begleitet. Es wurde deutlich, dass bei Konflikten in Familienbetrieben immer auch die emotionale Beziehungsebe­ne mitschwingt, was den Lösungsprozess erschweren kann. So nehmen die Familienmitglieder in ihrer Beziehung zueinander häufig mehrere Rollen ein, denen jeder gerecht werden möchte. Oft fällt ein Perspektivwechsel schwer, was besonders bei Betriebsübergaben dazu führen kann, dass sich die verschiedenen Generationen nicht einig sind.
Eva Hock ging auch auf sogenannte Prozess-Fallen ein, die bei familiären Konflikten während betrieblicher Änderungsprozesse zum Tragen kommen. Sie wies darauf hin, dass die Leidensfähigkeit der Branche dazu führe, dass Familien oft zu lange warten, bis sie sich professionelle Hilfe holen. Aus diesem Grund richtete sie sich an alle Anwesenden im Raum und appellierte, insbesondere an die Männer, frühzeitig eine Mediation bei betrieblichen Änderungsprozessen und familiären Konflikten in Anspruch zu nehmen. Eva Hock zeigte die Indikationen für eine Mediation auf und erläuterte den Ablauf einer Mediation.
Einkommensalternativen als mögliche Lösung
Das Seminar schloss mit einem Vortrag von Hildegard Runkel, Referatsleiterin Einkommensalternativen, sowie Nils Töpperwien, Referatsleiter Betriebsführung und Markt, zum betriebswirtschaftlichen Beratungsangebot der Landwirt­schaftskammer. Töpperwien spannte den Bogen zum Eröffnungsvortrag von Dr. Oberhofer und zeigte auf, wie die Liquidität eines Betriebes ermittelt werden kann und welche Auswirkungen ein negativer Cashflow hat.
Hildegard Runkel veranschaulichte mit einem Rechenbeispiel aus der Praxis die Ausführungen von Töpperwien. Hier wurde auch auf die aktuel­len Ergebnisse der an der Kammer angesiedelten Testbuchführung für das Wirtschaftsjahr 2023/24 eingegangen, die starke Gewinnrückgänge für alle Vermarktungsformen im Weinbau ausweisen. Vor allem die Fassweinbetriebe stachen mit einem Gewinnrückgang von über 55 % im Vergleich zum Vorjahr heraus. Es wurde deutlich, wie der Gewinnrückgang die Liquidität des Beispielbetriebes in eine sehr kritische Situation bringen kann.
Runkel erläuterte das vielfältige Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer im Bereich der Diversifizierung und zeigte auf, wie mit relativ kleinen Maßnahmen bestehende Betriebe mit einer Einkommensalternative ihre Ergebnisse verbessern können.
Beratung wird zu 80 % bezuschusst
Töpperwien erläuterte das betriebswirtschaftliche Beratungsangebot für den Weinbau sowie damit verbundenen Betriebszweigen mit Einkommensalternativen. Diese werden zu 80 % der Netto-Beratungskosten vom Land und von der EU bezuschusst. Töpperwien wies darauf hin, dass die neutralen Berater der Kammer den Weinbaubetrieben bei der Erarbeitung von betriebsindividuellen Lösungsansätzen gerne zur Verfügung stünden.
In den Gesichtern aller Anwesenden war abzulesen, dass das Seminar zum Nachdenken angeregt hat. So konstatierte ein Teilnehmer treffend: „Es wird ungemütlich!“. Die Referenten erhielten Einblick in die Probleme und Sorgen der Weinbaubetriebe und konnten Anregungen mitnehmen, die sie in ihre jeweiligen Gremien und Fachausschüsse einbringen werden.
Das Seminar „Herausfordernde Zeiten im Weinbau – wie geht es mit meinem Betrieb weiter“ haben die Referate Betriebswirtschaft und Einkommensalternativen der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz veranstaltet. Nachdem das Seminar bereits am 15. Oktober am DLR Rheinpfalz in Neustadt stattfand, wurde aufgrund der hohen Nachfrage der weitere Termin in Oppenheim organisiert. Es ist vorstellbar, dass das Seminar im neuen Jahr auch in anderen Regionen in Rheinland-Pfalz angeboten wird. Die Termine werden auf der Website der Landwirtschaftskammer, im Newsletter sowie hier im Magazin bekanntgegeben. lwk/bs