Wie sollten Weinbaukommunen mit Drieschen umgehen? Welche alternativen Nutzungsformen gibt es für Rebflächen? Anregungen und Best-Practice-Beispiele lieferte die Informationsveranstaltung „Entwicklung des Weinbaus“, zu welcher der Weinbauverband Württemberg (WVW) e.V. am 22. September nach Weinsberg eingeladen hatte.
Württemberg rechnet mit 20% Flächenrückgang
In Württemberg sind derzeit rund 476 ha Weinberge nicht bestockt, 50 ha davon haben ihre Pflanzrechte bereits verloren. „Seit zwei Jahren nehmen Rodungen zu“, zeigte der Württemberger Weinbaupräsident Dietrich Rembold anhand aktueller Zahlen. Der Weinbauverband rechnet mit einem Rebflächenrückgang im Anbaugebiet um mindestens 2.000 ha bis 2030. Politisch setzt sich der WVW weiterhin für die Einführung einer Rotationsbrache ein, eine Umsetzung sei laut Rembold aber nicht vor 2027 zu erwarten.
Die neue Drieschenverordnung, die laut Dr. Norbert Ferch vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Baden-Württemberg noch in diesem Herbst kommen soll, legt fest, dass es sich bereits um keine ordnungsgemäße Pflege handelt, wenn regelmäßige Pflanzenschutzmaßnahmen, Bodenpflege und Rebschnitt für mindestens zwei Jahre in Folge unterbleiben. Zuvor gab es nur eine Bewirtschaftungs- und Pflegepflicht, bei der es ausreichte, einmal im Jahr zu mähen.
Bei Verstößen gegen die neue Verordnung kann die Gemeinde eine Ordnungswidrigkeit aussprechen und Bußgelder ansetzen. Bei der fachkundigen Einschätzung, ob Winzer ihre Rebfläche nicht mehr ordnungsgemäß bewirtschaften, empfiehlt Rembold den Kommunen, den örtlichen Weinbauverband einzubeziehen.
Von PV-Anlagen bis zu Ausgleichsflächen
Zielgruppe der Informationsveranstaltung waren Bürgermeister und Verwaltungsleitungen der Weinbaugemeinden in Württemberg, denn auf kommunaler Ebene finden sich Ansatzpunkte, den strukturellen Entwicklungen und zunehmenden Drieschen gemeinsam mit der Weinbranche zu begegnen. „Es gibt nicht die eine Lösung“, betonte Rembold.
Kommunen wird empfohlen, gemeinsam mit Winzern Kerngebiete zu definieren, in denen Weinbau weiterhin betrieben werden soll. Um zusammenhängende Rebflächen zu definieren, eigne sich eine Rebflurneuordnung. Für alternative Lösungsansätze für die restlichen Gebiete stellte Brackenheims Bürgermeister Thomas Csaszar Best-Practice-Beispiele aus der mit 800 ha größten Weinbaugemeinde in Württemberg vor. In Brackenheim läuft ein Projekt mit Freiflächen-Photovoltaikanlagen, für das die Stadt über einen Flächentausch auch Weinberge erworben hat. Brachliegende Rebflächen können Kommunen als Ausgleichsflächen für Neubaugebiete nutzen. Eine Umwandlung ehemaliger Rebflächen in Wald, Ackerflächen oder Ersatzpflanzungen (Mandelbäume) seien weitere Alternativen, so der Bürgermeister. Möglich sei, die Flächen für Tierhaltung (Ziegen und Schafe) zu nutzen, was aber nicht in allen Gemeinden erlaubt sei.
Da sich in Neckarsulm die Kauf- und Pachtanfragen sowie Beschwerden über nicht ordnungsgemäß bewirtschaftete Weinberge häuften, hat die Stadt eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Nach einer Analyse der Gegebenheiten in Steillagen am Scheuerberg ergaben sich fünf Bewirtschaftungsoptionen, wie Ulrike Lorenz aufzeigte: Weinbau (darunter Querterrassierung oder Minimalschnitt), PV-Anlagen, Biodiversitätsflächen, Aufforstung und Vitiforst. Die Optionen wirken sich laut Lorenz unterschiedlich auf die Landschaft aus, eine Aufteilung nach Zonen ist möglich. Über die Ideen will sich die Stadt mit den Weinbetrieben austauschen.
Gemeinsame Ziele
Michael Stuber vom LRA Rems-Murr-Kreis gab Einblicke in das Integrierte Ländliche Entwicklungskonzept (ILEK) Remstal. Unter ILEK versteht man ein Planungsinstrument auf lokaler Ebene, das von Kommunen ausgeht und bezuschusst wird. Über den Umgang mit der Zunahme der brachliegenden Rebflächen diskutierten Kommunen, Weingüter, Weinbauverband, Landrat, Stadtratsamt und Tourismus in diesem Projekt. In Workshops geht es um alternative Nutzungsmöglichkeiten wie Vitiforst. Ein ILEK könne, laut Stuber, Grundlage für eine Zusammenarbeit im Weinbau schaffen, um mit allen Akteuren gemeinsame Ziele zu definieren, aber es könne den Weinbau nicht retten.
Möglichkeiten einer Flurneuordnung zur Begleitung des Strukturwandels stellte Jürgen Eisenmann vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) vor. Wenn eine Kernzone für den Weinbau und weitere Nutzungsmöglichkeiten eingeteilt werden soll, ist oft eine Bodenordnung sinnvoll. Zusammenhängende Flächen und sinnvolle Folgenutzungen sind nicht überall möglich.
An einer Machbarkeitsstudie zu PV-Anlagen auf ehemaligen Weinbauflächen war Michael Probst, Landsiedlung BW, beteiligt. Die Kosten bei einem Beispiel – einer 13 ha großen Fläche in Erlenbach, wovon 7 ha für die PV-Anlage nutzbar sind – gehen 90 % der Kosten von rund 5,6 Mio. Euro auf den Anlagenbau zurück. Im Beispiel sei die Anlage nicht wirtschaftlich, da der Zuschlagswert unter den Stromgestehungskosten liege, so Probst.
An vielen Projekten ist die LVWO beteiligt, wie Direktor Dr. Dieter Blankenhorn aufzeigte. Von Systemresilienz über Sorteneignung bis hin zu einem Trollinger-Projekt liefen derzeit viele Vorhaben entlang der Wertschöpfungskette Wein.
Sonja Kocher, Weinwege Württemberg, stellte das landesweite Weintourismuskonzept „Weinsüden“ vor, das Stakeholder im Tourismus vernetzen soll. Elemente sind etwa Qualitätssiegel für Winzer oder Weinorte sowie ein Weinradweg mit geplanter Erlebnisinszenierung. bla