Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI) kann dazu beitragen, dass im Winter ein optimaler Rebschnitt durchgeführt wird. Das zeigte Dirk Hübener, Geschäftsführer der im Juni 2023 gegründeten „2farm GmbH“ in Ockenheim, in einem Vortrag beim Wirtschaftstag der Regionalinitiative Rhein-Nahe-Hunsrück im Kultur- und Kongresszentrum Ingelheim (kING) auf.
Ein Projekt seines Unternehmens habe sich erfolgreich mit dem Thema „intelligenter Rebschnitt“ durch angewandte KI im Weinbau befasst. Der Fachkräftemangel werde von Weinbaubetrieben stets als gravierendes Problem genannt, schickte er voraus. Besonders personalintensiv sei der Rebschnitt im Spätherbst und Winter, der rund 50 % der Arbeit im Weinberg ausmache. Weitere Sorgen bereite die zunehmende Gefahr witterungsbedingter Krankheiten der Reben.
Einsatz ungelernter Hilfskräfte ermöglichen
Auf die Fragen „Wie löse ich den Personalmangel im Weinbau?“ und „Wie reagiere ich im Weinbau auf den Klimawandel?“ schlage ChatJPT durchaus vernünftige Lösungsansätze vor. ChatGPT ist eine Software, die künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über Nachrichten und Bilder zu kommunizieren. Doch dadurch bekomme man keine gesündere Reben, das Klima werde dadurch nicht gerettet und man bekomme auch nicht die Arbeiter, die die Reben fachgerecht schneiden könnten, stellte Hübener fest.
Deshalb habe sein Unternehmen einen anderen Ansatz gewählt: Zusammen mit kompetenten Partnern aus Weinbau-Ausbildungseinrichtungen und der Praxis habe man ein Projekt initiiert, um die Frage zu beantworten, wie man verfügbares Personal zum Rebschnitt einsetzen könnte. „Wenn Reben nicht fachgerecht geschnitten werden, bringen sie nicht die benötigten Erträge in der gewünschten Qualität oder gehen ein“, so Hübener.
Aus ökologischer und ökonomischer Sicht sei es wünschenswert, dass die Reben, die im Weinberg stehen, langfristig Erträge in guter Qualität bringen. Dafür müsse ein möglichst optimaler Rebschnitt erfolgen.
In Rheinhessen und den meisten anderen Weinbaugebieten Deutschlands werde der „Kopfschnitt“ favorisiert. In dem Projekt habe man sich jedoch für einen ökologisch vorteilhafteren Rebschnitt entschieden. Um diesen zu realisierten, wolle man KI nutzen – mithilfe handelsüblicher Handys.
In der Praxis sieht das so aus, dass man die Kamera des Handys auf den Rebkopf richtet. Das KI-unterstützte Programm erkennt im Kamerabild den Rebkopf und das Fruchtholz. Dann zeigt es durch farbliche Markierungen auf dem Bild des Monitors, an welcher Stelle der Rebschnitt ausgeführt werden sollte.
KI – es gibt bereits einen Prototypen
Die KI lerne durch das Erkennen und Vergleichen von Fotos, und man habe das Programm drei Jahre lang mit Bilder von Rebköpfen gefüttert. Das Projekt sei im August 2023 abgeschlossen worden und werde bereits im Schulungsbetrieb des DLR Mosel, das einer der Projektpartner sei, eingesetzt. Es gebe bereits einen Prototypen, aber noch kein fertiges Produkt, räumte Hübener ein. Vor Beginn einer Serienfertigung müssten noch weitere Optimierungen erfolgen.
Dennoch wagte der „2farm“-Geschäftsführer einen Blick in die Zukunft: Das System, das zurzeit auf Smartphones mit Unterstützung eines kleinen KI-Servers im Hintergrund laufe, könne schon bald genutzt werden, um ungelernte Kräfte in den Weinberg zu schicken, die dort nach kurzer Einweisung fachgerecht die Rebstöcke schneiden können.
Man bekomme von den Ausbildungseinrichtungen bereits wertvolle Rückmeldungen, was an dem System gut funktioniere und was noch verbessert werden könnte. „Wir sind da dran“, versprach Hübener.
Sein Unternehmen wolle die Anwendung sogar noch erweitern. Deshalb habe man sich auf ein Förderprojekt beworben, auf Anregung von Obstbauern in Südtirol und Rheinland-Pfalz. Es gehe darum, die dargestellte KI-Nutzung im Weinbau auch auf den Obstbau zu übertragen. Dabei seien die Anforderungen an die Erkennung durch KI nochmal komplexer: Denn Obstbäume sind größer und stärker verästelt als die vergleichsweise einfach strukturierten Reben. Bis Mitte 2027 habe man Zeit, diese Herausforderung zu meistern.
Weiterentwicklung in Richtung Robotik
Sein Unternehmen führe bereits Gespräche mit Maschinenherstellern, weil nicht nur ungelernte Arbeitskräfte in den Weinberg geschickt werden sollen, sondern das Thema auch in Richtung Robotik weitergetrieben werden soll. „Denn die Bilderkennung ist nicht der limitierende Faktor, das ist gelöst. Es geht darum, das System zur Steuerung von Robotern zu verwenden“, kündigte Hübener an, der die KI später auch für den Garten- und Landschaftsbau nutzen will, um ohne Spezialausbildung Obstbäume fachgerecht zu schneiden – sei es auf Streuobstwiesen oder in privaten Gärten. Norbert Krupp