Anfang Mai trafen sich rund 130 Winzer, Studierende und Experten verschiedener Branchen an der Hochschule Geisenheim University, um sich mit aktuellen Trends im Weintourismus zu befassen. Ein Schwerpunkt der Geisenheimer Weintourismus-Tagung waren Wohnmobilstellplätze als Vermarktungschance für Weingüter. „Unsere deutschen und internationalen Studien über zwölf Jahre belegen, dass der Weintourismus im Umbruch ist“, erklärte Tagungs-Organisator Prof. Dr. Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung an der Hochschule Geisenheim University.
Der Weintourismus liege seit der Corona-Pandemie verstärkt im Trend und sei genauso vielfältig wie die Weinkulturlandschaften. „In einer aktuellen Umfrage bei 600 Weingütern haben wir steigendes Interesse und Bereitschaft festgestellt, Stellplätze anzubieten. Viele Betriebe berichteten von Vorteilen durch Neukunden und gestiegenen Umsätze, wiesen aber auch auf den zusätzlichen Zeitaufwand hin“, so Szolnoki. Gleichzeitig biete sich die Chance, durch Kommunikation der Themen Entspannung und Erlebnisse in Landschaft und Natur sowie der Gastronomie auch Kunden anzusprechen, die sich für mehr als nur Weinproben oder den Weineinkauf ab Hof interessieren.
Reisemobilisten als kaufkräftige Zielgruppe
„Caravaning-Tourismus liegt im Trend: 2023 wurden insgesamt 90.365 Caravans und Reisemobile in Deutschland neu zugelassen“, erklärte Thomas Nitsch als Technikreferent des Hersteller-Dachverbands Caravaning Industrie Verband (CIVD). „Auch europaweit lässt sich dieser Trend beobachten und nach den Rekordergebnissen der ersten Corona-Jahre bleibt der Markt weiter auf hohem Niveau.“
Insgesamt habe sich die Zahl der Reisemobile seit 2015 um 114 Prozent erhöht, aber die Zahl der Stellplätze sei nur um 47 Prozent gewachsen. Hier sieht der CIVD gerade für touristisch weniger erschlossene Regionen das Potenzial, mit geringen Investitionen einen nachhaltigen, naturnahen Outdoortourismus aufzubauen. „Caravaning ist ein starker Tourismus- und Wirtschaftsfaktor, denn er sorgt für 5,9 Mrd. Euro Umsatz in den Zielgebieten, wobei der Umsatz auf Reisemobilstellplätzen überdurchschnittlich steigt. Dabei geben Reisemobilisten pro Kopf und Tag 47,20 € auf und außerhalb von Stellplätzen aus“, so Nitsch. Für interessierte Weingüter bietet der CIVD eine Planungshilfe für Reisemobilstellplätze, die gerade aktualisiert wird. Inhalte sind unter anderem die Standortanalyse, Wirtschaftlichkeit, planungsrechtliche Grundlagen, Fördermöglichkeiten, Platzgestaltung und mehr.
Das Stellplatzkonzept
Was konkret zur Planung, Erstellung und Ausstattung eines Stellplatzes gehört, zeigte Fachjournalist Uwe Dietz für die Stellplatzkonzepte GmbH. „Zur ersten Planung gehört ein Standortgutachten mit einer groben Rentabilitätsberechnung und natürlich ein Blick aufs Baurecht. Denn es gibt bei Stellplätzen von der Beleuchtung über Stromversorgung, Wasserzapfstellen, Waschhaus, eventuelle Sanitäranlagen, Planung der Ver- und Entsorgung sowie die Belastbarkeit der Oberböden bis hin zum Personaleinsatz vieles zu beachten“, fasste Dietz zusammen.
„So gilt etwa in Rheinland-Pfalz erst ab vier Plätzen innerhalb einer Anlage die Campingplatzverordnung und in Baden-Württemberg sogar erst ab sechs Plätzen“, erklärte Dietz. „Ganz wichtig ist in jedem Fall, frühzeitig mit der Kommune Kontakt aufzunehmen. Denn bis am Ende der Bauantrag gestellt werden kann, muss vielleicht zuallererst der Flächennutzungsplan geändert werden.“
Praxisbericht zum Stellplatz am Weingut
Was Reisemobiltourismus in der Praxis bedeutet, erzählte Michael Martin vom Weinhof Martin in Erbach, der Stellplätze für acht Reisemobile bietet. „Unser Stellplatz umfasst Strom- und Wasseranschluss, WLAN, Entsorgung, eine E-Bike-Ladestation und eine Sitzecke zum Grillen – dafür kalkulieren wir 15 €uro pro Nacht für zwei Personen. Den Strom haben wir pauschal im Preis mit drin und kommen durch eine Mischkalkulation übers Jahr gut damit hin. Denn immer mehr Gäste bringen Solarmodule mit und brauchen kaum Strom“, erklärte Martin. „Viele unserer Stellplatz-Gäste kaufen auch Wein bei uns, wobei die erlaubte Zuladung der Mobile ihre Grenzen hat“, so Martin. „Aber den zusätzlichen Zeitaufwand fürs Management der Reservierungen sowie für die Pflege des Platzes darf man nicht unterschätzen. Auch wenn man alle wichtigen Infos vorab rausgibt, hat man Gäste vor Ort, die teils trotzdem erwarten, dass man 24/7 ansprechbar ist.“
Nachhaltiges Reiseziel Deutsche Weinstraße
Zweiter Tagungsschwerpunkt war der nachhaltige Tourismus. Sarah Bitz vom Deutsche Weinstraße e.V. zeigte, welche Prozesse die Region durchlaufen hat, um seit November 2020 als „Nachhaltiges Reiseziel“ zertifiziert zu sein. „Nachhaltigkeit prägt die Deutsche Weinstraße schon lange: Darauf konnten wir aufbauen und Strategien entwickeln, um das Profil der Region zu schärfen, touristische Akteure nach innen und außen zu vernetzen und durch eine Qualitätsoffensive und Wissenstransfer im Innen- und Außenmarketing die regionale Wertschöpfung zu steigern.“
Das Partnernetzwerk besteht aus 60 Partnerbetrieben, darunter zertifizierte Weinbau- sowie Landwirtschaftsbetriebe, Unterkunfts- und Gastronomiebetriebe sowie Freizeitanbieter und 17 Tourist-Informationen und Tourismusbüros. „Wichtig ist die Netzwerkarbeit, durch Workshops und Online-Impulsvorträge“, erklärte Sarah Bitz. „Parallel dazu stellen wir die Mitgliedsbetriebe auf der Seite www.nadierlich.de vor und kommunizieren das „Nachhaltige Reiseziel“ über Social Media, Newsletter und Anzeigen.“ ak