Mosel: Schreckgespenst Wild

Ein Schwerpunktthema beim weinbaupolitischen Teil des Moselweinbautages 2014 waren die Wildschäden in den Weinbergen. Nach einem Impulsreferat von Marcus Hehn, Rechtsanwalt beim BWV Rheinland-Nassau, diskutierten unter der Leitung von Karin Bothe, Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (IGJG), Lorenz Steden, Vizepräsident des Landesjagdverbandes, mit den Jägern und Winzern Peter Geiben, Claus Piedmont und Hubertus Klein.

Viel Diskussionsstoff
Marcus Hehn bot in seinem Referat mit zehn teilweise provokanten Thesen genügend Diskussionsstoff. Er stellte grundsätzlich fest, dass trotz aller Bemühungen der Jägerschaft viel zu wenige Wildschweine geschossen würden. Die Wildschäden hätten in Landwirtschaft und Weinbau besonders im Jahr 2012 ganz enorm zugenommen. Aufgelassene Rebflächen, Brachen und Drieschen böten dem Wild Deckung, daher ging von solchen Flächen eine große Gefahr für bewirtschaftete Weinberge aus. Die Wildschäden im Weinberg seien in erster Linie Fraßschäden an Trieben im Frühjahr und an den Trauben im Herbst, aber auch Wühlschäden im Boden. Die Wildschadenssituation sei aber von verschiedenen jährlich unterschiedlich stark ausgeprägten Faktoren abhängig, wie dem Nahrungsangebot für das Wild, der Bejagung und dem Reifegrad der Trauben. An die Winzer gerichtet, argumentierte Hehn provokant: „Wer den Schaden hat, soll selbst versuchen, ihn gering zu halten“. Er wies auf die Möglichkeiten der Einzäunung von Weinbergen, einen eigenen Jagdschein zu erwerben, um sich an der Regulierung der hohen Bestände aktiv zu beteiligen sowie Weinbergsschützen einzustellen, hin. Außerdem sollten sich die Winzer als Mitglieder der Jagdgenossenschaften auch um die eigenen Interessen in den Revieren kümmern, indem sie sich an den Versammlungen beteiligen und ihre eigenen Interessen dort artikulieren. Er riet ihnen, die nach dem neuen Landesjagdgesetz vorgesehenen Revierbegehungen als Informationsquelle zu nutzen. Außerdem solle ein Abschussplan gemeinsam vom Jagdgenossenschaftsvorstand mit dem Jagdpächter festgelegt werden. Wichtig sei auch die Erkenntnis, dass der ortsansässige Jäger oft den Wildschadensschätzer erspare. So dürfe nicht nur auf die Höhe des Pachtpreises geschielt werden. Eine kontinuierliche und sachgerechte Bejagung müsse im Vordergrund stehen. Nur wer miteinander rede, bekomme die Probleme in den Griff, lautete eine weitere These von Rechtsanwalt Hehn. Gegenseitige Schuldzuweisungen würden weder den Wildbestand im Revier noch die Höhe des Wildschadens reduzieren. Oft würden zudem Rufe nach dem Gesetzgeber laut. Hehn nannte hier die Schlagworte Kirrung, Additive, Nachzielgeräte, Pille für Schwarzwild oder eine gesetzliche Regelung des Wildschadensersatzes für Weinberge ohne Schutzvorrichtungen, wie sie in Bad Württemberg praktiziert wird. Als Fazit bemerkte er, dass die Analyse der konkreten Verhältnisse vor Ort durch ein frühzeitiges Zusammenwirken aller Akteure meist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung der Wildproblematik sei.

Sicht des Jäger
Lorenz Steden vom Jagdverband kritisierte zunächst einmal den provokanten Titel der Veranstaltung „Schreckgespenst Wild“. Er wies darauf hin, dass die rheinland-pfälzischen Jäger im Jahr 2013 die zweitgrößte Strecke aller Zeiten gemacht hätten. Das Problem des Siegeszuges des Schwarzwildes sei erkannt. Der Landesjagdverband führe Schulungen und Informationsveranstaltungen durch, um bei den Jägern das Verständnis der besonderen Herausforderungen der Schwarzwildbejagung zu fördern. Der Verband habe aber keinen Einfluss auf die Jagdgenossenschaften als Verpächter. Viele Reviere würden aufgrund der höheren Jagdpachteinnahmen auch an Pächter verpachtet, die weite Anfahrtswege hätten und damit nicht ständig vor Ort sein könnten, was aber die Bejagung von Wildschweinen verlangen würde. Peter Geiben unterstützte das Bestreben, die Besonderheiten des Schwarzwildes für Jäger zu verdeutlichen und erklärte, dass sich die Wildschweine als Kulturfolger sehr gut an veränderte Situationen anpassen könnten. Sie hätten sich inzwischen an Menschen und Hunde gewöhnt. Die Jäger seien bemüht, der großen Populationen Herr zu werden. Doch werde die Arbeit der Jäger nicht zuletzt durch Spaziergänger und bürokratische Auflagen erschwert. Dem Problem der großen Wildbestände könne auch Abhilfe geschaffen werden, wenn man den Jägern den Spaß an der Jagd nicht nehmen würde. Schließlich stecke der Jäger auch viel Geld und Aufwand in sein Hobby. Hubertus Klein bestätigte diese Aussage. Es sei in der Tat für die Jäger oft frustrierend, wie das Jagen in den Revieren durch Wanderer, Touristen und Mountainbiker erschwert werde. Seine Forderung, statt Nachzielgeräte zuzulassen, solle die Landesregierung doch dafür sorgen, dass man zweimal im Monat bei Vollmonat jagen könne, um besser in den Bestand einzugreifen, trug zur Heiterkeit im Publikum bei.

Was können die Winzer tun?
Claus Piedmont berichtete von den enormen Schäden in Weinbergen an der Saar, die in erster Linie auf Rot- und Rehwild zurückzuführen seien. Rudel bis 120 Tiere seien hier keine Seltenheit. Auf die Frage der Moderation Karin Bothe, was denn die Winzer tun könnten, um die Situation zu verbessern, antwortete Peter Geiben, am besten auf Augenhöhe mit den jeweiligen Jägern zu reden. Die Weinberge seien ja nicht in jedem Jahr in gleicher Weise gefährdet. In 2013 habe es weniger Probleme gegeben als 2012, weil das Nahrungsangebot des Wildes außerhalb der Weinberge gereicht habe. Hubertus Klein wies darauf hin, dass eine Einzäunung, auch wenn rechtlich möglich, in der Praxis aufgrund der topografischen Gegebenheiten meist nur eingeschränkt möglich sei. Er selbst lege frische im Supermarkt gekaufte süße Traubenbeeren in eine Rattenfalle. Beim Zuschnappen werde die Sau empfindlich getroffen, zumindest vertreibe der Knall die Wildschweine aus seiner Rebanlage. Claus Piedmont empfahl, mit Buttermilch, die ranzig werde, junge gefährdete Triebe nach dem Rebaustrieb zu behandeln. Damit beuge man dem Wildverbiss durch Rehwild vor. Begrünungen in den Weinbergen sollten möglichst kurz gemulcht werden, um Wühlschäden besser beurteilen und sehen zu können. Lorenz Steden riet dazu, in den Jagdpachtverträgen feste Abschussvereinbarungen auch für Schwarzwild zu treffen.
Von Seiten der Zuhörer im Saal wurde die scheinbar einseitige Besetzung des Podiums kritisiert. Ein betroffener Winzer mit großen Schäden, der nicht gleichzeitig die Seite der Jäger vertrete, habe gefehlt. So wurde auch von einigen Winzern aus dem Auditorium eine Entschädigungspflicht für Weinberge analog der Regelung in Württemberg gefordert, während die Teilnehmer auf dem Podium davor warnten. Auch die Jäger äußerten die Befürchtung, dass dann die Jagdreviere nicht mehr zu verpachten seien, was die Schadenssituation eher verschärfe. Außerdem würden die Entschädigungssummen dann häufig gedeckelt, sodass die Zahlungsverpflichtung bei den Jagdgenossenschaften verbleibe und letztlich alle Jagdgenossen in die Pflicht genommen würden.

Verschiedene Situationen
Claus Piedmont schätzte die Wildschadenssituation in Württemberg völlig anders ein als in Rheinland-Pfalz. Dort gebe es die Kalamitäten mit Schwarzwild nicht so. Piedmont deutete aber an, dass in Zukunft größere Wildschadensprobleme durch Waschbären entstehen könnten. Keine Alternative, hier waren sich die Teilnehmer auf dem Podium einig, sei die Verwendung der Pille zur Empfängnisverhütung für Wildschweine. Das Wildfleisch sei damit nicht mehr vermarktungsfähig und müsse verworfen werden. Die Jäger der Diskussionsrunde forderten von den Verantwortlichen, dass mehr Politik für die Jäger vor Ort gemacht werden müsse. In besonders gefahrengeeigneten Jahren sollten angepasste Maßnahmen wie gemeinsame revierübergreifende Drückjagden organisiert und durchgeführt werden.

G.K.