Nachhaltigkeit geht nur mit dem Berufsstand

64. DWV-Kongress

Der 64. Internationale DWV-Kongress des Deutschen Weinbauverbandes (DWV) fand vom 11. bis 13. April 2022 digital statt und widmete sich ganz dem Thema Nachhaltigkeit. Die Winzer stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Über 130 Referenten haben an den ersten beiden Tagen in wissenschaftlichen Tagun­gen die Herausforderungen des Klimawandels, die nachhaltige Entwicklung der Weinwirtschaft sowohl im Anbau als auch im Keller, aber auch im Marketing und Tourismus diskutiert.
Die weinbaupolitische Veranstaltung stand unter dem Thema „Nachhaltigkeit in der Weinwirtschaft – wie kann der Berufsstand angesichts der Vorstellungen von Politik und Gesellschaft agieren?“ 50 % weniger Pflanzenschutzmittel und 25 % Ökoanbau sind nicht realisierbar.
Wandel braucht Unterstützung der Politik
Ein Wandel gehe nicht von heute auf morgen. Der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes (DWV), Klaus Schneider, appellierte an die zahlreichen Vertreter der EU-, Bundes- und Landespolitik: „Die Herausforderungen für die Branche sind gewaltig. Wir müssen Nachhaltigkeit mit der gesamten Prozesskette vom Produzenten mit seinen Zulieferern bis hin zum Handel und den Endkunden gestalten.“
Dazu brauche die Branche Unterstützung aus Wissenschaft, Industrie und Politik. Der Berufsstand könne diese gewaltige Aufgabe, insbesondere finanziell, nicht allein bewältigen. Agrarpolitische Maßnahmen müssen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit begleiten.
Der DWV hat im Herbst 2021 einen Grundsatzbeschluss gefasst und die Nachhaltigkeit als Schwerpunktthema für 2022 und die Zukunft definiert. Seitdem diskutiert der Verband in Gremien mit seinen Mitgliedern sowie in Projektgruppen und Arbeitskreisen mit Unterstützung der Wissenschaft.
Nachhaltigkeit definieren und Kriterien entwickeln
Nachhaltigkeit müsse detaillierter definiert werden. Was ist eigentlich Nachhaltigkeit genau? „In einem ersten Schritt musste analysiert werden, welches Wissen bereits vorhanden ist“, so Präsident Schneider. Ziel sei, bestehende Initiativen aus Forschungsanstalten, Anbaugebieten und anderen Ländern einzubeziehen. Basierend auf Ergebnissen der Wissenschaft könne der DWV mit den Mitgliedern Empfehlungen zur Nachhaltigkeit erarbeiten.
Nachdenken sollte man laut DWV-Präsident auch über die Etablierung einer Nachhaltigkeitsberatung, um dem Berufsstand Unsicherheit in Bezug auf die Umstellung zu nehmen. Möglich wäre die Entwicklung von nachhaltigen Maßnahmen, die schnell wirken. Statt ideologischer Denkweise ist sachliche Herangehensweise gefragt.
PDO-Weine – höchste Weinqualität in der EU
Nachhaltigkeit werde sehr verschieden definiert, der Vergleich sei nicht einfach. Erst nach ausgiebigen Diskussionen sind gemeinsame Kriterien möglich. Am Ende sollten regional angepasste Systeme entwickelt werden für nachhaltige PDO-Weine (Protected Designation of Origin = geschützte Ursprungsbezeichnung), die seit dem Jahr 2009 höchste Weinqualitätsstufe in der EU für Qualitätswein. Diese Form wird international verwendet.
Studie: Nachhaltigkeit der Herkunftsbezeichnungen
Um die Ideen zur Nachhaltigkeit in den europäischen Kontext einzufügen, hatte der DWV das Angebot der European Federation of Origin Wine (EFOW) angenommen, Deutschland in eine Studie zur Nachhaltigkeit der geschützten Herkunftsbezeichnungen einzubeziehen. Daniela Ida Zandona von EFOW stellte die Studie zur Nachhaltigkeit in verschiedenen Ländern vor.
Geschützte geografische Herkunftsangaben könnten ein Symbol für Nachhaltigkeit werden. Die Schutzgemeinschaften können Nachhaltigkeitsmaßnahmen festlegen und in den Lastenheften transparent kommunizieren. Das neue EU-Recht biete diese freiwillige Möglichkeit und erste Lastenhefte enthalten Vorgaben zur Nachhaltigkeit.
Weinbaupräsident Schneider diskutierte mit Vertretern der EU-, Bundes- und Landespolitik Strategien der Politik für mehr Nachhaltigkeit. Er betonte die Unterstützung der Branche bei den aktuellen und kommenden Herausforderungen: „Wir als Branche müssen mit unseren Ressourcen schonend umgehen. Dafür brauchen wir ein in der Praxis umsetzbares und funktionierendes System, auch um die EU-Ziele der
Klimaneutralität zu erreichen. Den Planzenschutzmitteleinsatz bis 2030 um 50 % zu reduzieren und die Ökoanbaufläche auf 25 % zu erweitern, ist kaum realisierbar. Ein Ansatz dazu ist im Weinbau der großflächige Anbau von Piwi-Sorten. Wir brauchen die Unterstützung der Politik.“ bs