Mit der Harmonie in der deutschen Weinwirtschaft scheint es nun endgültig vorbei zu sein. Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) teilte mit, dass er und die mit weinwirtschaftlichen Fragen befassten genossenschaftlichen Regionalverbände zum Jahresende aus dem Deutschen Weinbauverband (DWV) austreten werden. Bei den Regionalverbänden handelt es sich um den Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV), den Genossenschaftsverband – Verband der Regionen (GV-VdR) sowie den Genossenschaftsverband Bayern (GVB). Zu allgemeinen berufsständischen Themen werde die Zusammenarbeit mit dem DWV angestrebt, erklärte der Raiffeisenverband.
„In der Ausrichtung des DWV haben die genossenschaftlichen Positionen zuletzt nahezu keine Rolle mehr gespielt“, begründete DRV-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers die Entscheidung. Die genossenschaftlichen Verbände seien ihren Mitgliedern verpflichtet, und eine funktionierende Interessenvertretung sei für sie zentral. Der Entscheidung sei ein langer Meinungsbildungsprozess vorausgegangen.
„Wir wollen neue Wege gehen, um die Interessen unserer Winzer- und Weingärtnergenossenschaften bestmöglich zu vertreten“, so Ehlers. Beim Raiffeisenverband wie auch bei den drei Regionalverbänden ist man sich laut dem DRV-Hauptgeschäftsführer darin einig, dass die Neustrukturierung der Interessenvertretung der genossenschaftlichen Weinwirtschaft die Chance für neue Allianzen und neue strategische Partnerschaften innerhalb der Weinbranche bietet.
Nach DRV-Angaben trägt die genossenschaftliche Weinwirtschaft rund ein Drittel zur gesamten deutschen Weinerzeugung bei. In den Regionalverbänden seien insgesamt 148 Winzer- und Weingärtnergenossenschaften vereint – mit einem Umsatz von 800 Mio. Euro im vergangenen Jahr.
Deutscher Weinbauverband bedauert Austritte
Angesichts der Nachricht über den Austritt der genossenschaftlichen Verbände äußert Klaus Schneider, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes (DWV), sein Bedauern über diese Entscheidung: „Für die Weinbranche wird es durch die Spaltung sicherlich nicht einfacher, ihre Interessen gegenüber der Politik durchzusetzen. Die Entscheidung bedeutet eine Schwächung der Erzeuger. Der Deutsche Weinbauverband bleibt die berufsständische Vertretung aller deutscher Winzer.“
Die genossenschaftliche Seite hatte dem DWV vorgeworfen, dass die genossenschaftlichen Positionen zuletzt nahezu keine Rolle mehr in der Ausrichtung des DWV gespielt hätten. Angesichts dieser Äußerung bringt der Weinbaupräsident sein Unverständnis zum Ausdruck: „Die genossenschaftliche Seite hat sich stets in den demokratischen Meinungsbildungsprozess beim DWV eingebracht und an Positionen und den vielfach einstimmig gefassten Gremienbeschlüssen mitgearbeitet.“ Sein Bedauern äußerte Schneider ebenfalls darüber, dass auch das letzte Spitzengespräch Anfang Juni leider nicht zu einer Konkretisierung von Forderungen oder Kritikpunkten der Genossenschaftsseite an den Weinbauverband geführt habe.
Man wolle nun nach vorne blicken, so DWV-Generalsekretär Christian Schwörer: „Es ist klar, dass in Zukunft weiterhin ein Austausch der Weinbauseite mit den Genossenschaften stattfinden muss, auch wenn wir ab dem nächsten Jahr getrennte Wege gehen werden.“ Der Weinbauverband könne aufgrund der bereits begonnenen personellen Neuaufstellung – auch durch den Generationswechsel – mit den geminderten Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen umgehen.
Der DWV vertritt als Berufsorganisation der deutschen Winzer die Gesamtinteressen seiner Mitglieder gegenüber internationalen und nationalen Institutionen und Organisationen.
Seibert legt Amt als Vizepräsident nieder
Anlässlich des Austritts der Genossenschaften aus dem DWV zum Jahresende 2021 legte Henning Seibert sein Amt als DWV-Vizepräsident mit sofortiger Wirkung nieder. Seibert, Vorstandsvorsitzender der Moselland eG und Vorsitzender des Fachausschusses Weinwirtschaft beim Deutschen Raiffeisenverband (DRV), hat seit 2020 die Anliegen der Genossenschaften im Deutschen Weinbauverband eingebracht.
Der Austritt der Genossenschaftsverbände und des DRV hat zur Folge, dass diese nun eine eigene Interessenvertretung für Winzergenossenschaften organisieren werden. Der Deutsche Weinbauverband vertritt weiterhin selbstvermarktende Winzer auf politischer Ebene.
„Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Weinbauverband möchte ich weiterhin pflegen, wo wir Gemeinsamkeiten haben, zum Beispiel bei der Interessensvertretung in Sachen Düngung und Pflanzenschutz, aber auch bei kellertechnischen Themen“, erklärt Seibert.
Weinbauverband Franken verlässt Dachverband
Nachdem die Genossenschaften ihren Austritt aus dem Deutschen Weinbauverband zum Jahresende erklärt hatten kündigte am Tag darauf der Fränkische Weinbauverband an, die Dachorganisation ebenso zum Jahresende zu verlassen. „Wir sind nie richtig gehört worden. Wir haben da nur gestört“, sagte Frankens Verbandspräsident Artur Steinmann im Gespräch mit Das Deutsche Weinmagazin. Seinen Worten nach fühlten sich die Franken schon seit Jahren wie das fünfte Rad am Wagen. Vorschläge seien nicht ernst genommen worden.
Vor allem fehle eine neue Ausrichtung des Dachverbandes für die Zukunft. Zum Beispiel dürfen in ganz Deutschland seit einigen Jahren Reben gesetzt werden, sodass es nicht mehr nur 13 Weinanbaugebiete, sondern 16 weinbautreibende Bundesländer gibt. Wie neu aufstellen? Das müsste in einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden. Insgesamt werde zu wenig in die Zukunft geschaut, meint Steinmann. Es werde auch kein Generationswechsel im Deutschen Weinbauverband vorbereitet und es gebe keine Zukunftsvision, kritisiert der fränkische Präsident.
Zum endgültigen Bruch sei es aber gekommen, weil der im Präsidium mühsam errungene Kompromiss zu den Großlagen im Sommer 2020 nicht wie beschlossen, konsequent nach außen getragen wurde. Zuletzt wurde im Weingesetz dann doch noch festgelegt, dass erst nach dem 2026er Jahrgang die Großlagen abgeschafft werden. Die fränkischen Winzer fühlen sich in Bayern und auch in Berlin sehr gut vernetzt und hätten hier eher Chancen gehört zu werden, ist Präsident Steinmann überzeugt. red/bs