Präsident Schneider zeigt SUR die rote Karte

Deutscher Weinbauverband

Foto: Bettina Siée
Die EU-Politik zum Pflanzenschutz stellt den Berufsstand vor schier unlösbare Aufgaben und bedeutet eine Bedrohung für die Existenz der gesamten Weinbranche. Daher hat der Deutsche Weinbauverband (DWV) bei seiner Mitgliederversammlung im DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim das Gespräch zu Politikern gesucht. Ziel ist es, mitein­ander eine realistische und praktisch umsetzbare Reduktionsstrategie für Pflanzenschutzmittel zu etablieren. Es gilt, praktische Herausforderungen und politische Ziele in Einklang zu bringen.
Anlässlich der Mitgliederversammlung des Deutschen Weinbauverbandes (DWV) berichtete Präsident Klaus Schneider von den vielen Problemen, die die Branche derzeit bewegen. Dabei stehe das Leitthema des DWV „Nachhaltigkeit“ mit seinen drei Säulen (sozial, ökologisch und ökonomisch) immer im Fokus. Existentiell betroffen sieht sich die Branche durch die Vorschläge der EU-Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR). Dass man trotz der Kritik des Berufsstandes weiter über Verbote von Pflanzenschutzmitteln in empfindlichen Gebieten und allgemein eine 50 %ige Reduk­­tion von Pflanzenschutz­mitteln und zudem überbordende Dokumentationspflichten diskutiere, veranlasste Schneider dazu, der Reform die „rote Karte“ zu zeigen.
Er bedankte sich bei allen, die die Kritik des DWV aufgegriffen und auf Landes- und kommunaler Ebene vorgebracht haben. Die Politik rea­gierte: Die EU-Kommission veröffentlichte im November ein „non-paper“, das die Ausnahme der Landschaftsschutzgebiete vom Totalverbot sowie die Möglichkeit des ökologischen Anbaus in empfindlichen Schutzgebieten vorschlägt. Aber damit könne sich die Branche nicht zufriedengeben, betonte Schneider.
Pflanzenschutzverbot und Alkoholpolitik
Große Sorgen bereite zudem der Ver­ordnungs­vorschlag zur Wiederherstellung der Natur. Es sei unabdingbar, dass die Politik dem Berufsstand zuhöre, um zu verstehen, dass die Vorschläge nicht praktisch umsetzbar sind. Schneider verwies auf die Wichtigkeit des integrierten Pflanzenschutzes und die gute fachliche Praxis. Der DWV entwickelte zur Unterstützung des Berufsstandes eine Leitlinie, die über die DWV-Webseite heruntergeladen werden kann.
Sorgenvoll blickte Schneider außerdem auf die europäische Alkoholpolitik. In Irland muss in Zukunft ein Hinweis auf ein mögliches Risiko einer Krebs­erkrankung in Verbindung mit Alkoholkonsum auf dem Etikett angebracht werden. Schottland und Belgien diskutieren über umfassende Werbeverbote. Der DWV fordert eine deutliche Trennung von moderatem Genuss und schädlichem Alkoholmissbrauch sowie einer evidenzbasierten Entscheidungsfindung. Schneider rief den deutschen Berufsstand erneut dazu auf, bei „Wine in Moderation“ Mitglied zu werden.
Ökonomisch stellte der Präsident die Kostenexplosion für Erzeuger und den rückläufigen Inlandsabsatz als weitere Herausforderungen für den Berufsstand heraus. Lohnsteigerungen durch eine mögliche Erhöhung des Mindestlohns erhöhten den Kostendruck der deutschen Betriebe weiter.
Schneider betonte die Bedeutung des Geoschutzes für die deutschen Anbaugebiete. Seit über einem Jahr wird auf EU-Ebene über die Reform diskutiert. „Dank guter Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern konnten wir im abschließenden Bericht des Agrarausschusses des EU-Parlamentes erreichen, dass wesentliche Regeln zum Geoschutz in der GMO verbleiben und nicht horizontal geregelt werden“, berichtete Schneider. „Erste Schritte, die zu einer Verwässerung der hohen Standards beim Geoschutz von Wein führen, müssen wir im Keim ersticken!“ Jetzt gelte es, auch den Rat von diesen Positionen zu überzeugen.
Schneider beklagte, dass Schutzgemeinschaften, die ehrenamtlich besetzt sind, keine finanzielle Unterstützung bekommen. „Vorsitzende können persönlich vor Verwaltungsgerichte gezerrt werden, das ist nicht in Ordnung. Rechtsunsicherheit und großer Verwaltungsaufwand erschweren die Arbeit und belasten die Mitglieder“, so Schneider. „Wir benötigen Unterstützung vom Staat“, forderte Schneider.
Rechtliche Unsicherheit herrscht auch bei der in diesem Jahr in Kraft tretenden obligatorischen Angabe von Nährwert- und Zutatendeklarationen. Schneider beklagte den immer noch fehlenden delegierten Rechtsakt der EU und die Rechtsunsicherheit rund um die Verwendung eines E-Labels. Die Weinbranche beansprucht keine Sonderregel, sondern sieht das E-Label als moderne Kommunikationsform mit dem Verbraucher an.
Branche braucht Unterstützung der Politik
Daniela Schmitt, rheinland- pfälzische Weinbauministerin, lehnt den SUR-Entwurf ab, der sich einseitig auf Risiken fokussiere. „Die Betriebe haben schon einiges auf den Weg gebracht, die junge Generation treibt den Fortschritt voran. Wir müssen an einem Strang ziehen“, betonte Schmitt ihre Solidarität. Deutsche Weinprinzessin Luise Böhme machte die immense Bedeutung des Weinbaus, sowohl kulturell wie auch wirtschaftlich klar. Jungwinzer sehen durch nicht realisierbare EU-Vorgaben ihre Existenz bedroht. Sie wollen selbst gestalten, so Böhme.
Heinz-Uwe Fetz, DWV-Vizepräsident, moderierte die Podiumsdiskussion. Er betonte, dass die Winzer nachhaltigen Pflanzenschutz wollen, aber unklar sei, wie die Praxis mit den politischen Reduktionsvorstellungen zusammengebracht werden soll.
SUR ist handwerklich schlecht gemacht
Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), stellte klar, dass die Bundesregierung den aktuell vorliegenden SUR-Entwurf ablehne. Es lägen über 1.000 Änderungsanträge in Brüssel vor, die abgearbeitet werden müssten. Ob das gelingen könne sei unklar, denn 2024 stehen EU-Wahlen an. „Wir möchten einen nachhaltigen Weinbau in Deutschland, der für die Betriebe natürlich ökonomisch tragfähig sein soll“, erklärte die Staatssekretärin. Die Bundesregierung setze sich bei der EU-Kommission und den südeuro­päischen Wein­anbauländern für die Wiederzulassung von Kaliumphosphonat im Ökoanbau ein.
Der Bundestagsabgeordnete (Die Grünen) Harald Ebner sprach sich vehement für eine Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft aus. Er hält grundsätzlich an der SUR fest, allerdings bestehe Nachbesserungsbedarf.
Andreas Liegenfeld, Vizepräsident des Österreichischen und Präsident des Burgenländischen Weinbauverbandes, gab sich erstaunlich gelassen: „Der EU-Verordnungsvorschlag ist ein Rohrkrepierer.“ Er rät, regionale Entscheidungsträger einzubinden und mit Geboten anstatt Verboten zu arbeiten.
Prof. Dr. Enno Bahrs, Universität Hohenheim, hält den SUR-Entwurf für handwerklich schlecht gemacht. Solch weitreichende Entscheidungen könnten nicht ohne Folgenabschätzungen getroffen werden. Diese Zeit müsse man sich nehmen. Bahrs hält es nicht für möglich, die EU-Verordnung zu ändern, sie müsse völlig neu aufgesetzt werden. Er kann sich als Kompromiss vorstellen, dass für Landschafts- oder kulturprägende Sonderkulturen mit hoher Wertschöpfung, ein risikoarmer chemisch-synthetischer Pflanzenschutz in Schutzgebieten weiterhin möglich sein könne. Gleichzeitig müssten Refugialflächen, zum Beispiel vernetzte Saum- und Randstrukturen, geschaffen werden. bs