„Rheinhessen ist mehr wert“

RHEINHESSEN

Foto: Isabell Spieß
Ein positives Geschäftsergebnis von rund 111.000 € für das Jahr 2022 präsentierte der Rheinhessenwein e.V. auf seiner Mitgliederversammlung Anfang Juli in der Blücherhalle in Ober-Flörsheim. Trotz großer Herausforderungen wie beispielsweise die Kostenproblematik habe das größte deutsche Anbaugebiet das vergangene Jahr gut gemeistert, dennoch gebe es vor allem bei der Preispositionierung noch Luft nach oben.
Rheinhessen besser als Gesamtdeutschland
„Rheinhessen hat der Krise getrotzt, was den Absatz angeht. 2022 haben wir Marktanteile gewonnen und den Export gesteigert“, sagte der Vorsitzende des Rheinhessenwein e.V., ­Stefan Braunewell, im Hinblick auf die Marktdaten. Genauere Einblicke in die Zahlen gab Geschäftsführer Bernd Kern: Nach Daten des Nielsen ­Homescan-Panels zeigten die Konsum­ausgaben für Wein in Deutschland im vergangenen Jahr ein Minus von 6,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Gegen den Trend verbesserten sich die Weine aus Rheinhessen 2022 in der Absatzmenge um 0,9 % und verbuchten dank des höheren Durchschnittspreises von 3,44 €/l einen Umsatzzuwachs von 6,5 %. Die positive Entwicklung ging vor allem auf das Konto der Weißweine.
Hinsichtlich der Rebsorten auf der Gesamtfläche von 27.312 ha liegt nach wie vor Riesling (19 %) vor Müller-­Thurgau (14 %) und Dornfelder (11 %) an der Spitze. Burgundersorten machen zusammen 25 % aus, Chardonnay knackte 2022 erstmals die 1.000 Hektar-­Marke und Piwis liegen bei über 3 % der Fläche, so Kern. Als durchschnittlich beschrieb Kern die 2022er Erntemenge von 2,5 Mio. hl.
Aufgrund der großen Marktbedeutung der Kellereien (72 % der angestellten Weine bei der Qualitätsweinprüfung; Weingüter: 20 %; Genossenschaften: 8 %) ist nach wie vor der Lebensmitteleinzelhandel die wichtigste Absatzschiene. Zunehmend wichtiger wird der Export: Nach vorläufigen Daten steigerten sich die Flaschenwein-Ausfuhren bei Weißwein (bis 13 % vol) 2022 um 4,8 % im Wert im Vergleich zum Vorjahr. Trotz des Mengenminus von 1,8 % sei die Steigerung auf den höheren Durchschnittspreis zurückzuführen (272 €/hl). Der nach wie vor wichtigste Exportmarkt ist die USA, der aber mit den skandinavischen Märkten als Gesamtpaket gleichgezogen ist.
Direktvermarktung als „große Stütze“
Genauere Einblicke zur Preis- und Absatzentwicklung der rheinhessischen Selbstvermarkter, über die die Nielsen-­Zahlen nur bedingt Aufschluss geben, gab Prof. Dr. Simone Loose von der Hochschule ­Geisenheim in ihrem Vortrag. Sie brachte dazu brandaktuelle Daten aus der für Weingüter kostenlosen Geisenheimer Absatzanalyse mit. Rheinhessen könne wie die Pfalz aufgrund des Strukturwandels in den letzten 20 Jahren kostengünstig Fasswein produzieren, so ­Loose. Die Rheinhessen stünden derzeit deutlich besser da als Gesamtdeutschland, das in den ersten fünf Monaten diesen Jahres Verluste im Umsatz (-7 %) und Absatz (-15 %) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hinnehmen musste. Im größten deutschen Anbaugebiet lag die Differenz dagegen bei +1 % im Umsatz und bei nur -7 % im Absatz. Der Fachhandel und die Gastronomie waren etwas schwächer als 2022. Die Direktvermarktung sei Rheinhessens „große Stütze“, so ­Loose. „Im Ausland kann man aktuell einfacher Geld verdienen als im Inland“, sprach sie zudem die guten Chancen im Export an.
Prof. Dr. Simone Loose zeigte auch die Durchschnittspreise in den einzelnen Absatzkanälen auf. Hier zeigte sich, dass Rheinhessen zu günstig verkaufe: Bei Endverbrauchern riefen die Rheinhessen (103 ausgewertete Betriebe) 2022 durchschnittlich mit 5,16 € pro 0,75 l-­Flasche nach Franken (4,86 €) den zweitgünstigsten Preis auf. Die Pfalz, die ähnliche Strukturen wie Rheinhessen aufweise, konnte einen Preis von 5,41 € erzielen. Auch in der Gastronomie (4,61 €) und im Export (4,18 €) liegt das Anbaugebiet deutlich im unteren Feld. Sie ermutigte die Winzer über eine passende Kundenkommunikation höhere Preise zu verlangen. „Rheinhessen ist mehr wert“, fasste Stefan Braunewell die Aussagen von Loose treffend zusammen.
Schwerpunkt Digitale Werbung
Im letzten Jahr so richtig ins Rollen kam die neue Kampagne „Wir sind Rheinhessen“. Neuer Schwerpunkt sei der digitale Bereich, vor allem Social Media, so der Geschäftsführer. Von dort führe alles zur Landingpage der Kampagne. Ein Highlight sei sicherlich das Weinlageninformationssystem mit Foto- und Videoaufnahmen der Lagen in Rheinhessen gewesen, das in den nächsten Jahren komplettiert werden soll, sagte Kern. Die Weinwerbung befinde sich laut Kern in einer Kostenschere: Der Geschäftsführer beklagte die seit 1996 unveränderten Mittelaufkommen aus dem AbföG Wein (rund 2 Mio. €), während sich die Anzeigenpreise vervielfacht hätten. Insgesamt stehen der aufgewendeten Summe von rund 2.601.000 € Einnahmen von 2.712.000 € gegenüber, sodass ein Jahresergebnis von gerundet 111.000 € vorliegt. Rheinhessenwein e.V. zählt derzeit 1.332 Mitglieder.
Im Rahmen der Versammlung entlasteten die Mitglieder den Vorstand und die Geschäftsführung. Aus dem Vorstand ausgeschieden ist in der Fraktion der Weinkellereien Klaus Malinowsky aus Mainz, der aufgrund seines Tätigkeits- und Branchenwechsels von der Weinkellerei Hechtsheim zum Spirituosenhersteller Underberg seinen Sitz abgeben musste. isp