Rheinland-Pfalz: Steil ist nicht gleich steil

Foto: Helene Singh
Wenn von einer „steilen“ Rebfläche gesprochen wird, ist es angebracht, den Zusammenhang klarzustellen, in dem dieser Begriff verwendet wird. Erfahrungen im Beratungs- und Verwaltungsablauf zeigen, dass in der Praxis nicht immer bekannt ist, dass unterschiedliche Definitionen zu berücksichtigen sind. Dies führt zu Rückfragen, teilweise Beanstandungen und leider immer wieder auch zu monetären Einbußen auf Seiten der Betriebe. Daher soll im Folgenden dargestellt werden, was "steil" im rheinland-pfälzischen Weinbau bedeutet:
- im Sinne der Steillagenförderung,
- im Rahmen spezifischer Maßnahmen beim Umstrukturierungsprogramm,
- für die Nutzung von Wiederbepflanzungsrechten,
- für die Weinbezeichnung.

Steillagenförderung
Steillagen im Sinne der Steillagenförderung wurden 1986 unter Federführung der jeweiligen Kulturämter abgegrenzt und in Flurstückslisten und Karten dokumentiert. Ziel war eine landschaftsgeprägte Abgrenzung, das heißt es sollten größere zusammenhängende Areale gebildet werden, die den Charakter von Steillagen haben. Aufgrund inhomogener Neigungsverhältnisse wurden auch Flurstücke mit weniger als 30 % Neigung in die Steillagenabgrenzung aufgenommen, wenn im weitesten Sinne die gesamte Fläche den Eindruck einer Steillage vermittelte. Andererseits wurden auch Flurstücke mit einer Neigung von mehr als 30 % nicht zu einer Steillage zusammengefasst, wenn sie nur eine geringe flächenmäßige Ausdehnung hatten, verstreut lagen und damit keinen landschaftsprägenden Charakter aufwiesen. Die Bewirtschafter von Rebflächen erhalten einen Hinweis auf die Förderungswürdigkeit durch einen entsprechenden Kenner am Flurstück im Rebflächenverzeichnis zur EU-Weinbaukartei (Spalte 16).

Steillagen-Maßnahmen im Umstrukturierungsprogramm
In Rheinland-Pfalz werden für spezielle „Steillagen-Maßnahmen“ im Rahmen der Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen spezifische, höhere Unterstützungen gewährt. Hier muss die Hangneigung mindestens 30 % betragen, wobei die tatsächlich vor Ort gemessene Neigung der Pflanzfläche (Bewirtschaftungseinheit) gilt. Diese kann einem Katasterflurstücks entsprechen, kann aber auch nur ein Teil davon sein oder sich über mehrere Flurstücke erstrecken.

Steil- und Flachlagenpflanzrechte
Die weingesetzlich vorgeschriebene Differenzierung der Wiederbepflanzungsrechte für die Nutzung in Steillagen oder Flachlagen ist abhängig von der Hangneigung des zugrundeliegenden Katasterflurstücks in seiner Gänze: Ein Wiederbepflanzungsrecht, welches auf einem Flurstück mit einer Hangneigung von mehr als 30 % entstanden ist, darf nicht auf einem Flurstück mit Hangneigung von weniger als 30 % genutzt werden. Entsprechende Hinweise zu den Flurstücken enthält das Rebflächenverzeichnis in Spalte 5.

„Steillage“ oder „Steillagenwein“ in der Etikettierung
Unabhängig von den in Rheinland-Pfalz aktuellen Überlegungen bezüglich der Festsetzung von höheren Mindestmostgewichten und Rebsortenbeschränkungen gibt es für die Verwendung der Begriffe "Steillage" oder "Steillagenwein" im Bundesrecht (Weinverordnung § 34b) grundsätzliche Vorgaben. Sie setzen voraus, dass der betreffende Wein "… ausschließlich aus Weintrauben hergestellt worden ist, die von einer Rebfläche stammen, die

1. in einem Gelände belegen ist, dessen Neigung mindestens 30 von 100 beträgt, oder
2. sofern die Neigung des Geländes, in der die Rebfläche belegen ist, weniger als 30 von 100 beträgt, eine eigene Geländeneigung von mindestens 30 von 100 aufweist".
Damit ist klar, dass es auch zulässig sein kann, einen so bezeichneten „Steillagenwein“ aus Trauben einer Rebfläche herzustellen, die im Rebflächenverzeichnis zur EU-Weinbaukartei weder bezüglich Wiederbepflanzungsrechtenutzung noch Steillagenförderung als „steil“ gekennzeichnet ist.

Aus dem Vorgenannten wird deutlich, dass für jeden der vier Zusammenhänge, in denen der Begriff „steil“ genutzt wird, tatsächlich eine spezifische Definition existiert, die sich jeweils von den anderen unterscheidet oder unterscheiden kann. So kommt es in der Praxis zu recht skurrilen Konstellationen, wie folgende Beispiele zeigen: Ein Katasterflurstück hat eine Hangneigung von 32 %, folglich dürfen die Wiederbepflanzungsrechte, die bei seiner Rodung entstehen, nicht in einer Flachlage genutzt werden. Steillagenförderung erhält der Bewirtschafter nicht, weil das Flurstück nicht in der Steillagenabgrenzung liegt. Die höhere Umstrukturierungsunterstützung für Erstellung einer modernen Drahtrahmenanlage in Steillagen erhält der Antragsteller nicht, weil das betreffende Flurstück mit dem Nachbarflurstück, welches ebenfalls zur Umstrukturierung beantragt wurde, aber flach ist, eine Bewirtschaftungseinheit bildet, die als Ganzes weniger als 30 % Hangneigung aufweist. Der Wein, der aus darauf gewachsenen Trauben erzeugt ist, darf aber durchaus mit „Steillage“ oder „Steillagenwein“ in der Etikettierung bezeichnet werden. Dass solche Konstellationen, die keine Seltenheit sind, auch beim gutmütigsten Winzer zumindest Kopfschütteln hervorrufen, darf nicht wundern. Ebenfalls möglich ist zum Beispiel, dass auf einer Teilfläche eines Flurstücks mit 25 % Hangneigung („flache“ Wiederbepflanzungsrechte) eine „Steillagenmaßnahme“ des Umstrukturierungsverfahrens gefördert wird, oder umgekehrt. Fatale Folgen ergeben sich zum Beispiel dann, wenn ein Winzer im Vertrauen auf die „Steil“-Einordnung seines Flurstücks bezüglich Pflanzrechtenutzung und die Belegenheit in der Steillagenabgrenzung (beides im Rebflächenverzeichnis zur EU-Weinbaukartei dokumentiert) eine spezifische Steillagenmaßnahmenunterstützung im Umstrukturierungsprogramm beantragt und durchführt, es sich dann herausstellt, dass die bereits genannte Hangneigungsvorgabe im Umstrukturierungsprogramm nicht erfüllt wird, und die betreffende Fläche die Vorgaben für Flachlagenmaßnahmen (zum Beispiel Mindestzeilenbreite) verfehlt.

Eine Harmonisierung der Anforderungen ist sicher kein einfaches Unterfangen, da EU-, Bundes- und Landesrecht zu berücksichtigen sind. Entsprechende Anstrengungen wären allerdings im Sinne der betroffenen Winzer und Verwaltungen. Dr. Markus Heil und Michael Engisch, LWK Rheinland-Pfalz