Weincampus unterwegs

Foto: Weincampus Neustadt
Foto: Weincampus Neustadt
Zwei Studentengruppen vom Weincampus Neustadt waren auf Exkursion. Die eine Gruppe besuchte Weingüter in Nordspanien, für die zweite Gruppe ging es nach Norditalien. Prof. Dr. Dominik Durner, Marlene Neser-Schimmel, Prof. Dr. Marc Dreßler und Anika Kost berichten.
Die erste Exkursionsgruppe des Weincampus Neustadt besichtigte, unter der Leitung von Prof. Marc Dreßler und Anika Kost, dreizehn Weingüter und ein Weinmuseum im Rioja, Navarra und Somontano. Am ersten Tag bekamen die Studenten eine Privatführung durch das älteste Weingut Spa­niens in Laguar­dia – Bodegas Casa Primicia. Der ehemalige Patrizierpalast wurde zwischen dem 15. Jahrhundert und 1978 durchgängig zur Weinannahme und Weinherstellung genutzt. Als architektonisches Meisterwerk fiel anschließend das Weingut Ysios mit seinem wellenförmigen Dach in der Weinbergslandschaft auf. Betriebswirtschaftlich interessant war hier die großzügige kellerwirtschaftliche Ausstattung und das übersichtliche Sortiment nur eines Erst- und Zweitweines.
Bodegas Murra und Museum
Am zweiten Tag haben die Studierenden die Produktionsbedingungen des weltbekannten Weines Torre Muga kennengelernt. Die Bodegas Muga arbeitet sehr traditionell mit großen Holzfässern und eigener Tonellerie. Oenologisch fiel die Entleerung der Barriquefässer auf, die alle vier Monate von Hand durchgeführt wird, um den Wein vom Sediment zu befreien.
Als innovatives Pendant beeindruckte die Bio-Bodega Marques de Teran, die mit etwa 300 000 Flaschen Jahresproduktion ausschließlich mit Schwerkraft und Erdwärme arbeitet. Kurze Wege, modernste Technik, wie Kryomazeration und konstante Temperaturen in allen Gebäudeteilen, erzeugen Weine mit einem imposanten Preis-Leistungsverhältnis.
Weinbau und –geschichte zum Anfassen und Erleben war danach im Museum Vivanco möglich: Heiß begehrt nicht nur bei den Herren waren das virtuelle Fußballspiel mit Rotweintrauben, die weltgrößte Sammlung von Flaschenöffnern und die digitale Aromenbar.
Weiß- und Roséwein in Navarra
Nach den Rotweinverkostungen im Rioja öffnete die Reise ins Navarra auch den Weiß-, Rosé- und Schaumweinhorizont. Eine Einführung durch den Consejo Regulador DO Navarra in Olite gab einen Überblick über das Anbaugebiet, um dann auf verschiedenen Weingütern die Diversität auch sensorisch erfahren zu können. Ein Highlight war die Führung durch die Bodegas Aroa: Auf dem höchsten Punkt im Valle de Yerri gelegen, verarbeitet nur eine Person auf sich gestellt die Trauben von 20 ha ökologisch bewirtschafteten Rebflächen . Die hohe Qualität der Weine passte perfekt zu dem kulinarischen Höhepunkt der gesamten Reise: Ein vier Gänge Menü im Restaurante naturale des Weinguts.
Musik und Kunst im Keller
Kunst, Historie und Esoterik kombiniert die Bodega Otazu, das am nördlichsten gelegene Weingut im Navarra. Wie die meisten besichtigten Güter besitzt sie eine für deutsche Verhältnisse unglaubliche Anzahl an tausenden Barriquefässern, die jeden Morgen mit kathedralischer Musik beschallt werden, um dem Wein Ausgewogenheit und Energie mit in den Tag zu geben. Aktuelle Kunstwerke schaffen in Keller und Flaschenlager eine besondere Atmosphäre. Nachhaltig imponiert hat die Studierenden der Imagefilm des Top-Produktes, dessen Trauben von Hand entrappt und als ganze Beeren in oben geöffnete Barriques gelegt werden, um dort direkt zu vergären und zu reifen. Dieser aufwendige Produktionsprozess kostet den Kunden im Einkauf jedoch 120 Euro je Flasche.
Die Fahrt in das dritte Anbaugebiet war jede Minute wert. Die Bodegas Sommos behauptet sich als das innovativste Weingut Spaniens. Im Rahmen der Neuanlage wurden die Böden der 355 ha Rebfläche bis zu einer Tiefe von 80 cm aufgebrochen, in der Bodenart vereinheitlicht, wieder aufgefüllt und mit einem Bewässerungssystem unterlegt. Der vierstöckige Keller arbeitet komplett computergesteuert, die Barriques werden von GPS-geführten Logistikrobotern bewegt und verwaltet. Ein eigenes Labor mit 48 Kleingebinden rundet die Möglichkeiten für die Oenologen des Hauses ab.
Neben dem Überblick über die Spannbreite der Weinkultur in Nordspanien genossen die Studierenden auch kulturelle Programmpunkte wie den Besuch des Guggenheim-Museums in Bilbao, die Nähe zum Jakobsweg und zum Festival San Fermin im Pamplona. Nicht zu vergessen natürlich die schönen Abende in Logroño, Pamplona und Bilbao mit Kontakten zur lokalen Kultur und zu kulinarischen Spezialitäten.
Fazit der Spanien-Exkursion
Die Exkursion brachte viele neue Erfahrungen, Einblicke und Wissen. Durch die Vielfalt der Betriebe wurden unterschiedliche Philosophien und Weinstile präsentiert, welche den Studierenden eine zumeist neue Welt eröffneten und im weiteren Studium von Nutzen sein werden.
Dolce vita in Südtirol, Trentino und Venetien
Die zweite Exkursionsgruppe mit 24 Studierenden startete unter der Leitung von Prof. Dominik Durner und Marlene Neser-Schimmel für eine Woche nach Norditalien. Bozen, die facettenreiche Landeshauptstadt Südtirols, bot einen idealen Ausgangspunkt für die ersten Tage der Reise. Zahlreiche spannende Weingüter liegen in unmittelbarer Nähe zur Stadt, wie das Landesweingut Laimburg. Fünf Tonnen Dynamit waren nötig, um die Erweiterung des Kellereigebäudes in das Porphyrgestein zu sprengen. Genauso beeindruckend wie diese Zahl war die Führung von Florian Haas, der den Studenten das Landesweingut und das Versuchszentrum Laimburg vorstellte. Es wurde deutlich, dass die Verknüpfung von Forschung und Praxis auch in Südtirol auf fruchtbaren Boden fällt.
Schaumweine aus dem hoch gelegenen Arunda
In Europas höchstgelegener Sektkellerei Arunda in Mölten überzeugte Juniorchef Michael Reiterer mit voller Begeisterung von seinen „magic bubbles“. Die feine Perlage der verkosteten Schaumweine scheint von dem langen Hefelager von mindestens 24 Monaten zu profitieren. Oder können 1 200 Höhenmeter die Sektbereitung doch in besonderer Weise beeinflussen?
Genossenschaft St. Pauls – Neuem aufgeschlossen
Auf der Weinliste der Kellerei St. Pauls befanden sich neben den sortentypischen Weiß- und Rotweinen der Region Amphorenweine unterschiedlicher Jahrgänge, die Individualität und dennoch Sortentypizität demonstrierten. Wolfgang Tratter, Kellermeister der St. Pauls Kellerei, zeigte eindrucksvoll, dass seine Winzergenossenschaft qualitativ auf höchstem Niveau agieren kann. Besonders in Erinnerung blieb sein innovativer Ansatz, mit 215 Winzern über die Gruppenfunktion in einem Messenger-Programm zu kommunizieren.
Was für eine Genossenschaft innovativ erscheint, wäre bei Mario Pojer vom Weingut Pojer e Sandri in Faedo noch nichts Außergewöhnliches. Er ist der lebende Beweis, dass sich Erfinderreichtum in der Weinbranche auszahlt. Neben seiner Traubenwaschanlage, einer Inertgaspresse mit kontinuierlichem Saftablauf und einer entgasenden Schlauchpumpe zur Beförderung von Maische, beeindruckte vor allem der Solaris Zero Infinito, ein Wein der komplett vom Weinberg bis zur Flasche ohne Einsatz von Behandlungsmitteln hergestellt wurde. Mario Pojer nahm sich viel Zeit, um alle Fragen zu beantworten und die Gruppe in den Bann seiner Erfindungen zu ziehen.
Weingut Hofstätter in Tramin
Nicht weniger aufgeschlossen gegenüber Neuem ist man beim Weingut Hofstätter in Tramin, bei dem Franz Oberhofer der Gruppe den Weinausbau im neuen Betonei schmackhaft machte. Natürlich durfte in Tramin ein Gewürztraminer nicht fehlen. Glück, dass man den Besichern etwas Wein zuteilte – denn die Nachfrage beim Weingut Hofstätter übersteigt bei weitem das Angebot.
Biodynamischer Weinbau
Die Weingüter Alois Lageder in Margreid und Elisabetta Foradori in Mezzolombardo könnten von ihrer Größe und Betriebsstruktur unterschiedlicher nicht sein – es vereint sie jedoch das Ziel biodynamischen Weinbau zu betreiben. Georg Meissner vom Weingut Lageder brachte viele spannende Ansätze der biodynamischen Wirtschaftsweise zur Sprache und sorgte dafür, dass auch am Abend nach der Besichtigung die Diskussionen über die verschiedenen Denkweisen nicht abrissen.
Die biodynamische Wirtschaftsweise wird auch im Weingut Foradori schon seit über zehn Jahren betrieben und ist damit tief im Denken verwurzelt. Bei der Besichtigung stand die Weinherstellung in Amphoren im Vordergrund. In den letzten Jahren werden immer mehr Teroldego- und Nosiola-Weine in den spanischen Tinaja Amphoren ausgebaut. Mit viel fachlichem Wissen und Herzblut begleitet Emilio Zierrock-Foradori den Ausbau und die Entwicklung dieser feinen, charaktervollen Weine.
Amarone-Herstellung – Wein aus getrockneten Trauben
Mit dem Ziel die Amaroneproduktion kennenzulernen führte die Reiseroute weiter gen Süden. Dort durfte ein Aufenthalt am Gardasee nicht fehlen, um den heißen Temperaturen zu entkommen. Giancarlo Tommasi empfing die Studenten sehr freundlich in seinem Weingut in Pedemonte di Valpolicella und erklärte die Entstehung des Amarone von der Traube Corvina über die Trocknung bis zur Verkostung des edlen Tropfens. Dass eine Holzfassreife für den Amarone unerlässlich ist, zeigte ein Blick in den Holzfasskeller. Ob die Gruppe dort mit 35 000 Litern Inhalt tatsächlich das größte, mit Wein befüllte Holzfass der Welt gesehen hat? Die Besichtigung war in jedem Fall beeindruckend. Das Wissen rund um Amarone konnte dann im Weingut Trabucchi d'Illasi vertieft werden.
In einer einmaligen Lage oberhalb des Ortes Illasi befindet sich das malerische Weingut auf oder besser in einem Berg. Neben dem klassischen Amarone wird dort auch Recioto della Valpolicella erzeugt – ein restsüßer Wein aus getrockneten Trauben. Die unheimlich geringe Ausbeute bei der Amaroneproduktion – für 1 Liter Amarone sind 4 kg Trauben notwendig – macht deutlich, welcher Wert letztendlich in einer Flasche Wein aus getrockneten Trauben steckt.
Auch ein Einblick in größere betriebliche Strukturen durfte nicht fehlen. Der Besuch der Cantine Ferrari in Trento zeigte, wie sehr ein Schaumweinhersteller nicht nur sein Produkt sondern auch ein Stückchen Lebensart vermarktet. Bei Mionetto, einem Prosecco Hersteller der Henkelgruppe in Valdobbiadene, konnte der Produktionsprozess in der Kellerei bis zur Abfüllung mitverfolgt werden. Bei der Verkostung der Produktpalette durfte dann auch der berühmte Cartizze nicht fehlen.
Rotierender Cross-Flow-Filter
Obwohl die Studenten damit den letzten Weinkeller auf dieser Exkursion besichtigten, war die Reise noch nicht beendet. In Veneto erwartete man sie bei TMCI Padovan Filter, um den Studenten die klassischen Filtersysteme und neue Entwicklungen wie den Dynamos – ein rotierender Cross-Flow-Filter vorzustellen.
Rückfahrt über das Allgäu
Getreu dem Motto – „Um guten Wein zu machen, benötigt man eine Menge Bier“ – widmeten die Studenten ihre Aufmerksamkeit auf der Rückreise durch das Allgäu der Brauerei Meckatzer in Heimenkirch. Mit Guter Laune wurden sie durch die Brauerei geführt, die auf die seltene Gerstensorte „Steffi“ setzt, um den seit über 100 Jahren bewährten Charakter des Kassenschlagers „Weiß-Gold“ zu prägen.
Fazit der Italien-Exkursion
Die Exkursion war sehr reich an Erfahrungen und Eindrücken, sodass die Studenten nach einer Woche mit zahlreichen Anregungen und vielen Ideen aber auch mit einigen Flaschen Wein im Gepäck in die Pfalz zurückkehrten. In Erinnerung bleiben aber nicht nur die erstklassigen Weine und die herausragenden Winzerbetriebe, sondern auch die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit, mit der sie in jedem Betrieb empfangen wurden. Die Studenten bedanken sich auch für die großartige Planung der Dozenten, ohne die diese schöne Exkursion so nicht möglich gewesen wäre.