Wie geht“s weiter mit entalkoholisiertem Wein?

65. BDO Jahrestagung

Foto: Isabell Spieß
Am 14. November fand an der Hochschule Geisenheim die 65. BDO-Fachtagung statt. Dieses Jahr unter dem Motto: „Wein und seine assoziierten Produkte – Wie geht es weiter mit no- oder low-alkoholischen Produkten?“ Rund 120 Teilnehmer, darunter die Hälfte zuhause am Bildschirm, verfolgten die hybride Tagung des Bundes Deutscher Oenologen e.V. (BDO) mit Vorträgen zu Marktforschung, Oenologie/Praxis und Recht.
BDO-Präsident Prof. Dr. Erik Schweickert machte deutlich, dass die Branche zwar die strenge EU-Alkoholpolitik bisher entschärfen konnte, aber die internationale Diskussion den Alkohol weiter massiv unter Beschuss nehme. Laut Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, Präsident der HGU, brauche es noch mehr Grundlagenforschung zum Thema Alkohol­frei, damit die Praxis dies besser umsetzen könne. Nach wie vor ist das alkoholfreie Segment mit 1 % Marktanteil beim Wein und 8 % bei Schaumwein (noch) klein.
Alkoholfrei wird Fahrt aufnehmen
Den aktuellen Stand von no- und low-alkoholischen Weinen erklärten Prof. Dr. Martina Boehm, Studiengangsleitung Wein-Technologie-Management, und Doktorandin Alina Amann, beide Duale Hochschule Heilbronn. Sie stellten die Ergebnisse des Forschungsprojekts „WeinNova“ vor. Alkoholfrei sei keine Modeerscheinung und werde von großen gesellschaftlichen Treibern wie Gesundheit oder Nachhaltigkeit beeinflusst, erklärte Boehm. International sei die Nachfrage zudem deutlich höher als in Deutschland. Laut Boehm stellen der Geschmack, Preis und die Verfügbarkeit Barrieren dar.
„Es bestehen geschmackliche Vorbehalte“, zeigte Alina Amann anhand von Umfrageergebnissen auf. Demnach empfiehlt sie, mehr Probiermöglichkeiten für Kunden zu schaffen. Durch Kategorien wie No- oder Low-Produkte könne man neue Verbraucher gewinnen und neues Marktpotenzial erschließen, legte Amann die Chancen dar.
Überraschend kam bei der Studie heraus, dass die Preisbereitschaft für alkoholfreien Wein (Optimaler Preispunkt: 5,20 Euro) höher war als die von klassischem Wein (3,90 Euro). Da das tatsächliche Kaufverhalten aber oft abweiche, solle dies nur als grobe Orientierung gelten.
Süße und CO2 unterstützen
Wie man das Thema praktisch umsetzen kann, erklärte Dr. Matthias Schmitt, Hochschule Geisenheim, anhand eines Praxisleitfadens. Aufgrund des schonenderen Verfahrens eigneten sich destillative Verfahren besser als mobile Membrananlagen zur Entalkoholisierung. Ein wichtiger Punkt sei auch der sensorische Einfluss von Alkohol, denn durch den Alkoholentzug seien die Weine säurebetonter und zeigten weniger Fülle. In den Versuchen hätte sich Süße und CO2-Zugabe positiv gezeigt. „Rieslinge stecken Entalkoholiserung gut weg, auch Sauvignon blanc eignet sich“, berichtete Schmitt.
Auf die Herausforderungen aus Sicht eines Markenherstellers ging Maximilian Peck, Projektingenieur bei der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH, ein. Am Standort in Eltville arbeite das Unternehmen mit der Spinning Cone Column. „Es gibt viele Stellschrauben, um Geschmack zu beeinflussen“, sagte Peck und nannte den Grundwein, die Technologie oder Holzeinsatz als Beispiele. Deutliches Verbesserungspotenzial sieht er zudem beim Thema Austauscherharze.
Wie sieht es rechtlich aus?
Rechtsanwalt Matthias Dempfle vom Deutschen Weinbauverband zeigte sich erfreut, dass die Angabe „alkoholfrei“ (bis 0,049 % vol), „alkoholfrei (< 0,5 % vol)“ beziehungsweise „alkoholreduziert“ (0,5 % vol bis 8,5 % vol) zusätzlich zur obligatorischen Angabe „entalkoholisiert“ rechtlich erlaubt bleibt.
Alkoholfreier Wein sei seit Ende letzten Jahres vom Lebensmittel- ins Weinrecht verlagert worden. So gilt auch bei alkoholfreiem Wein die Geschmacksangaben und Rebsortenangabe (inklusive Verschnittregelung) für Wein, die geografische Angabe bleibt jedoch unzulässig.
„Insgesamt mehr Chancen als Risiken“ sieht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), so Lutz van Elk, der im Referat für Wein im BMEL sitzt. Rechtlich sei derzeit noch fraglich, ob die EU oenologische Verfahren und Produkte nach der Entalkoholiserung erlaubt. Zudem gebe es keine Aussicht, dass die EU die Süßung mit Saccharose zulässt.
Deutschland Spitze beim SO2-Einsatz
Erste Ergebnisse aus der laufenden Benchmark-Studie zeigte Prof. Dr. Dominik Durner, Weincampus Neustadt. Anhand analytischer Werte von Weinen aus zwölf weltweiten Weinbauregionen versucht sein Forschungsteam herauszufinden, ob es bestimmte Profile von Regionen gibt und sich daraus dann die verwendeten oenologischen Verfahren herleiten ließen. „Deutschland liegt an der Spitze beim SO2-Einsatz“, sagte Durner, was aber nicht überraschend sei.
„Ist das noch Wein oder kann das weg?“
Der Höhepunkt war die Po­diumsdiskussion und anschließende Weinprobe unter anderem mit alkoholfreien Weinen aus der Praxis. Dr. Hermann Pilz, ehemaliger Chefredakteur der „Weinwirtschaft“ erklärte, dass das Pendant alkoholfreies Bier mit einem Marktanteil von rund 7 % bereits akzeptiert sei. „Es wäre eine tolle Geschichte, wenn Wein das auch erreicht“, so Pilz, der aber auch bemerkte, dass er noch Verbesserungspotenzial im Geschmack sieht. Peter Seyffardt, Präsident des Rheingauer Weinbauverbands, erzählte vom Projekt „Riesling alkoholfrei“, das der Verband zusammen mit Rheingauer Winzern ins Leben gerufen hat. Er sieht aufgrund der hohen Zuwachszahlen bei alkohol­freien Produkten Chancen im Export, wo man auch höhere Preise erzielen könne.
Für Christof Friedsam, Markant Offenburg, sei die Blockplatzierung entalkoholisierter Produkte neben Wein am sinnvollsten, um auch die Wertigkeit von Wein auf alkoholfreien Wein zu übertragen.
„Alkohol­frei ist für mich gleichwertig wie Wein und eine andere Kategorie“, sagte Dr. Claudia Hammer, Leitung Deutsche Weinakademie, die dort unter anderem für „Wine in Moderation“ zuständig ist. Sie freut sich, dass der Begriff „maßvoll“ immer häufiger fällt und gibt zu bedenken, dass sowohl die Gesellschaft als auch die Politik heute immer kritischer mit Alkoholkonsum umgehen. isp