Ein Blick in die Weinbauforschung

ATW - Ausschuss für Technik im Weinbau

Foto: Achim Rösch
Die 68. Mitgliederversammlung des ATW (Ausschuss für Technik im Weinbau) am 26. und 27. November 2020 fand erstmals virtuell statt. ATW-Vorsitzender Dr. Jürgen Dietrich konnte knapp 50 Berater aus allen Anbaugebieten online begrüßen und moderierte die Fragerunde zu den Zwischenberichten der ATW- Vorhaben.
Dr. Matthias Petgen, DLR Rheinpfalz, untersucht alternative innovative Bearbeitungsmöglichkeiten zur Unterstockbodenpflege. Die Variante mit Heißwasser als Herbizid schied relativ schnell aus, weil der Bedarf von 20.000 Liter/ha zu viel ist und das Wasser zudem noch erhitzt werden muss. Vielversprechend scheint der Electro- herb der Firma Zasso zu sein, der weiter getestet werden soll. Es werden hierbei die Beikräuter mit Gleichstrom behandelt, was die Zellen zerstört. Mit nur zwei Behandlungen traten auch im Spätjahr keine Neuverunkrautungen auf. Die Reben blieben unverletzt.
Digitalisierungsbedarf in der Branche ist hoch
Dr. Philipp Rüger, DLR RNH Oppenheim, beschäftigt sich mit Datenströmen und -strukturen entlang der Wertschöpfungskette und der Erstellung eines Digitalisierungsprofils von Weinbaubetrieben. Seine Umfrage zeigte teils fehlendes Bewusstsein über den Bedarf an Digitalisierung in der Branche. Es wird mal eine App installiert oder eine Anwendung mit digitalen Hilfsmitteln unterstützt (Planung und Dokumentation des Pflanzenschutzes). Die Evaluation eines ganzen Betriebszweiges wie Traubenerzeugung findet kaum statt, was auch für die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette gilt. Hier sind Forschung und Beratung gefragt, um Hilfen zu geben.
In der Kellerwirtschaft wird der Weinbereitungsprozess am Beispiel digitaler Kontrolle der Gärführung betrachtet. Die Datenauswertung läuft noch. Für kommendes Jahr ist eine weite­re Umfrage geplant, um blinde Flecken zu identifizieren und die Verzahnung der Produktionszweige zu untersuchen.
Heißwasserbehandlung von Rebenpflanzgut
Matthias Zink, DLR Rheinpfalz, berichtete von Ergebnissen einer Heißwasserbehandlung von bewurzeltem Rebenpflanzgut im ersten Versuchsjahr 2020. Bei den mit Heißwasser behandelten Reben war das Triebwachstum in den ersten Wochen nach der Pflanzung geringer als bei den unbehandelten Reben. Im Verlauf der Vegetation glich sich dieses Defizit teilweise aus. In weiteren Untersuchungen der aktuellen Versuchspflanzung soll der Einfluss der Heißwasserbehandlung auf die Holzreife, den Anschnitt auf Stammhöhe und das Wachstum der Reben im zweiten Standjahr geprüft werden. Um unterschiedliche Vor- und Nachbehandlungen des Veredlungsmaterials auf das Wachstum von HWB-Reben zu testen sind weitere Versuche mit verschiedenen Pfropfkombinationen vorgesehen.
Mit Dichtpflanzung an Klimawandel anpassen?
Christine Kleber, DLR Rheinpfalz, untersucht den Einfluss unterschiedlicher Pflanzdichten und Unterlagen auf die Wurzelverteilung sowie Wassernutzungseffizienz bei der Rebsorte Spätburgunder. Im Versuchsjahr 2020 waren Unterschiede zwischen den Va­rianten festzustellen, aber es gibt keine Präferenz für die Beratung, welche Variante sich am ehesten in der Praxis eignet. Es werden alle Parameter weiter untersucht. Des Weiteren sollen die Wurzelgrabungen ausgeweitet und der Zeitpunkt der Durchführung zugunsten besserer Verhältnisse (ausreichende Durchfeuchtung der Böden) in die Frühjahrsmonate vorverlegt werden.
Aromamigration aus Dichtungsmaterialien
Dr. Maximilian Freund, Hochschule Geisenheim University, befasst sich mit Aromamigra­tion aus Dichtungsmaterialien. Eine Empfehlung über die Eignung eines Dichtungsmaterials kann er noch nicht geben, er sucht weiter. Dies sei von Fall zu Fall mit den Beteiligten (Dichtungshersteller, Reinigungsfirmen, Aromalieferant, Weinkellerei) abzustimmen.
Die ersten Ergebnisse sind differenziert zu betrachten. Durch die vergrößerte Oberfläche der Leitungen vervielfacht sich die Kontaktfläche zwischen Produkt und Material und so auch die potenziell verschleppbare Aromaquelle. Materialien wie Silikon sind signifikant im Wein zu erkennen. EPDM, das Material, welches meist empfohlen wird, weist bei Wein eine signifikante Verschleppung auf. Das in Mikrofiltrationsmembranen verwendete PP und das in Kunststoffbehältern verwendete PE zeigen sich bei Wein signifikant. Die fluorhaltigen Werkstoffe PVDF (Mikrofiltrationsmembranen), FEP und PTEF sind beim angewendeten Versuchsaufbau geeignet. FKM, bei Dichtungen als geeignet eingestuft, ist bei Schlauchleitungen bei Wasser unauffällig, liegt aber bei Wein im Grenzbereich des sensorischen Nachweises.
Bei den Schlauchleitungen zeigt sich, dass die Freiheit des Spülwassers nicht in jedem Fall geeignet ist, um eine Aromaverschleppung unterhalb der sensorischen Wahrnehmungsschwelle zu garantieren. Ein doppelter Anlagen-, Geräte- und Apparaturensatz ist zu empfehlen.
Entschwefelung von Süßreserve
Achim Rosch, DLR Mosel, Bernkastel-Kues, erforscht den Nutzen einer Entschwefelung von stummgeschwefelter Süßreserve durch osmotische Destillation mittels hydrophober Membrantechnologie. Dass eine Entschweflung mittels hydrophober Membran möglich ist, bestätigen die ersten Versuche. Diverse Faktoren haben verfahrenstechnisch einen Einfluss auf die Effizienz der Reduzierung der SO2. Die Kontaktdauer zur Membran sowie die Temperatur sind sehr wichtige Parameter. Anhand dieser Ergebnisse im kleinen Versuchsmaßstab 2020 wurde eine Anlage der Firma K+H modifiziert und eine Großanlage entwickelt. Im nächsten Jahr erfolgen weitere Versuche, auch mit der entwickelten Praxisanlage.
Verschiedene Gebinde im Vergleich
Tobias Dienesch, LVWG Veitshöchheim, vergleicht die Vor- und Nachteile verschiedener Gebinde zum Weinausbau und zur Lagerung. Oval, rund oder eckig, unterschiedliche Materialien (Kunststoff, Holz, Edelstahl oder Amphoren, Betonei). (Lesen Sie ab Seite 16). Im Verlauf der Forschungsprojekts soll noch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung folgen.
Praxistauglichkeit von Kationenaustauschern
Patrick Nickolaus, DLR Rheinpfalz, prüft die Praxistauglichkeit von Kationenaustauschern zur Absenkung des pH- Wertes in Most und Wein als Alternative zur Säuerung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlung einer 10 %-igen Teilmenge mittels Kationenaustauscher bei Mosten zur pH- Absenkung um etwa 0,1 Einheiten führt. Der verringerte Kaliumgehalt führt zu weniger Weinstein, es bleibt mehr „eigene“ Weinsäure erhalten. Geschmackliche Auswirkungen werden noch sensorisch bewertet.
Prof. Dr. Manfred Stoll bleibt 2. ATW-Vorsitzender
Bei der Mitgliederversammlung wurde der zweite ATW- Vorsitzende Prof. Dr. Manfred Stoll im Amt bestätigt. Für Oswald Walg, DLR RNH Bad Kreuznach, der in Altersteilzeit ging, folgt Dr. Philipp Rüger, DLR RNH Oppenheim, als neues vom KTBL berufenes ATW-Mitglied.
Im Jahr 2020 wurden zwei ATW-Vorhaben abgeschlossen: Die Untersuchungen zur Ero­sionsvermeidung bei mechanischer Unterstockbewirtschaftung und zu alternativen, innovativen Möglichkeiten der Unterstockbodenbearbeitung.
Für 2021 stehen dem ATW für sieben Fortsetzungsvorhaben 35.550 Euro zur Verfügung. Zudem sind für drei Neuanträge 12.450 Euro veranschlagt, insgesamt 48.000 Euro für die Weinbauforschung. Im April 2021 startet ein Projekt zu Esca- Erregern in der Rebenpflanzguterzeugung. Ein anderes wird sich mit mechanischer Unterstockbewirtschaftung befassen, ein weiteres mit Pflanzenschutztechnik in Rebschulen und Unterlagengärten. bs