65 ha Spitzenlagen durch Stromtrasse in Gefahr

Hochheim am Main

Foto: Andrea Kerth
Foto: Amprion
Der Weinbauverein Hochheim, der Rhein­gauer Weinbauverband und die Stadt Hochheim wehren sich gegen die geplante Stromtrasse Rhein-Main-Link, die nach aktuellen Planungen quer durch die Hochheimer Weinberge verlaufen soll. Im Auftrag der Bundesnetzagentur plant die Firma Amprion einen Energiekorridor, der regenerativ erzeugten Windstrom von Niedersachsen über NRW in Form von vier Gleichstrom-­Erdkabeln nach Hessen bringen soll (www.amprion.net/Netzausbau/Aktuelle-Projekte/­Rhein-Main-Link/). Da rund 65 ha in Spitzenlagen wie Domdechaney und Kirchenstück sowie etwa 53 Betriebe betroffen sind, fürchten die Hochheimer Winzer um ihre Existenzgrundlage, das prägen­de Landschaftsbild und das Image der Wein- und Sektstadt.
Interessenkonflikt im Main-Taunus-Kreis
„Der Main-Taunus-Kreis ist der kleinste und gleichzeitig zweitdichst besiedelte Landkreis Deutschlands. Der unwiederbringliche Verlust jedes Hek­tars landwirtschaftlich und weinbaulich genutzter Fläche schmerzt hier besonders“, so das Statement des Hochheimer Weinbauvereins. „Die Trasse muss so verlegt werden, dass es keine dauerhaften Beeinträchtigungen für die Winzer, den Weinbau und die Landwirtschaft gibt. Das bedeutet, dass die Kabel so tief verlegt werden, dass auch weiter Weinstöcke wachsen können“, forderte der Vorstand des Hochheimer Weinbauvereins bei einer Presse­konferenz im Weingut Schreiber. Die Winzer schlagen als Alternative zur aktuell geplanten, blauen Trassenführung die Strecke entlang der A3 und 67 vor.
„Es ist klar: Wir brauchen eine Stromtrasse von Nord nach Süd, aber die Frage ist: Wie? Die blaue Trasse wurde von einem KI-gestützten Computerprogramm ohne Rücksicht auf Kommunen, Räume und Menschen geplant“, sagte der Landtagsabgeordnete Axel Wintermeyer (CDU) bei der Pressekonferenz. „Diese Fehlplanung soll nun durchgezogen werden, obwohl man die Trasse stattdessen fünf Kilometer weiter östlich entlang der A3 und A 67 nach Süden führen könnte.“ Weder wurden nach Angaben des Hochheimer Bürgermeisters Dirk Westedt im Vorfeld die betroffenen Kommunen in die Planung einbezogen, noch nehme die Planung Rücksicht auf Landschaftsschutzgebiete. Ebenso sei die Höhe der geplanten Konverterstationen nach dem Luftverkehrsgesetz nicht zulässig. „Es muss eine raumverträgliche Lösung gefunden werden“, so Westedt.
Keine Reben mehr auf 40 Meter Trassenbreite
Während des Baus soll laut Amprion eine 70 Meter breite Schneise durch die Weinberge geschlagen werden. Nach dem Bau dürfen in einem 40 Meter breiten Korridor keine Tiefwurzler wie Reben mehr gepflanzt werden, da sonst die Kabel beschädigt werden könnten. Wie sich in den seit März 2024 laufenden Bürgerdialogen zum Rhein-Main-Link und den Informationstreffen mit den Hochheimer Winzern zeigte, „hat der Netzbetreiber Amprion keinerlei Erfahrung mit Trassen in Weinbaugebieten, sondern ausschließlich mit Ackerflächen“, sagte Martin Mitterer vom Hochheimer Weinbauverein. „Und keiner der in den ersten Gesprächen zugesagten Faktoren, wie die Prüfung einer anderen Streckenführung oder eine mögliche Untertunnelung der Weinberge, wurde von Seiten der Firma Amprion bei der Einreichung für die Bauvoranfrage berücksichtigt.“ Angesichts der aktuellen Trassenplanung rechnen die betroffenen Betriebe mit mindestens sechs Jahren Ernteausfall, ebenso würden 224 ha Wald im Zug des aktuellen Plans zerstört.
Anträge gegen den Trassenverlauf einreichen
„Unsere Kritik an der Trassenführung wird von der Landesregierung, dem Kreistag und der Kommune unterstützt“, sagte Winzer Gunter Künstler, „aber über dieses Projekt wird auf Bundesebene entschieden.“ Da das Projekt als Teil eines Bundesgesetzes im Zuge eines Beschleunigungsverfahrens umgesetzt wird, rufen die Hochheimer Winzer und der Rheingauer Weinbauverband Winzerkollegen und Bürger zur aktiven Unterstützung auf. Jungwinzer Simon Schreiber hat eine Online-Petition gegen das Projekt gestartet (https://chng.it/RWtsknf9WC). Und bis zum 4. September können auf der Seite www.netzausbau.de/­vorhaben2-a2 Einwände bei der Bundesnetzagentur eingereicht werden. ak