Baden: Ende gut, alles gut?

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Ende gut, alles gut – mit diesem Fazit zum Jahrgang 2014 eröffnete Kilian Schneider die Neujahrspressekonferenz des Badischen Weinbauverbands in Freiburg. Dabei klang beim Präsidenten und beim Geschäftsführers Peter Wohlfahrt angesichts eines hektischen, arbeitsreichen und nur rund 20 Tage andauernden Herbsts bei der Erntemeldung von 128,224 Mio. l Wein gegenüber dem Vorjahr (2013: 107,77 Mio. l) viel Erleichterung durch. Das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg geht davon aus, dass sich die Gesamterntemenge mit den noch nicht gemeldeten Beständen – 247 Betriebe mit 633 ha hatten noch nicht gemeldet – auf 133,8 Mio. l einpendeln dürfte. Damit erreicht Baden einen Durchschnittsertrag von 86,3 hl/ha und somit beinahe eine Punktlandung nahe dem gesetzlichen Höchstertrag von 90/hl/ha. 2014 war zwar angesichts des Witterungsverlaufs und der leeren Keller (wie 2011) per Ausnahmegenehmigung eine gesetzliche Vermarktungsgrenze von 100 hl/ha beantragt worden, die aber nicht ausgeschöpft werden konnte. Vor allem Gutedel und die weißen Burgundersorten hätten sich in einem von Regenfällen während der Ernte und von der deutlich bemerkbaren Kirschessigfliegen-Problematik geprägten Erntejahr sehr gut entwickelt, betonte Schneider. Die früh reifenden Rotweinsorten, Gewürztraminer und Muskateller waren dabei wohl die Rebsorten, die die relativ größten Ernteverluste zu erleiden hatten. Auch Riesling erreichte längst nicht die gewünschte und auch nicht die erwartete Erntemenge. Als i-Tüpfelchen ernteten die badischen Erzeuger am 29. und 30. Dezember bei mehr als 12 Grad Minus rund 2 000 l Eiswein mit bis zu 210° Oe.
Markgräflerland vorn
Relativ erhöhte sich bei der Ernte 2014 der Anteil von Qualitätsweinen (2014: 73,8%) gegenüber 2013 (70,2%). Die Bedeutung der Prädikatsweine (2013: 29,3%) im Vermarktungsmix nimmt hingegen ab. 2014 sind nur 25,5% der Weine als Prädikatsweine gekennzeichnet worden. Die einfachsten Qualitätsstufen Wein und Landwein g.g.A. spielten erneut mit 0,1% und 0,5% nahezu keine Rolle in Baden. Die Durchschnittserträge der einzelnen Bereiche deuten dabei aber schon auf regionale Unterschiede innerhalb des Anbaugebietes hin. Das Markgräflerland (106,3 hl/ha) und die auf Löss stehenden Rebanlagen des Tunibergs (95,4 hl/ha) schnitten deutlich über den badischen Durchschnittserträgen ab. Schlusslichter bildeten Kraichgau (59,3 hl/ha) und Bergstraße (54,3 hl/ha), die mit Keuper-Böden, hohem Rieslinganteil im Rebsortenspiegel und den relativ ältesten Rebanlagen in diesem Jahr gleich dreifach gekniffen waren. Auch Tauberfranken (78,7 hl/ha), Ortenau (68,5 hl/ha) und Breisgau (77,8 hl/ha) ernteten weniger als der Gebietsdurchschnitt. Bodensee (85,2 hl/ha) und Kaiserstuhl (82,4 hl/ha) lagen bei ihren Ernteergebnissen quantitativ in der Nähe des badischen Durchschnitts.
Kirschessigfliege auch in Baden ein Problem
In den badischen Rebanlagen wurde die Kirschessigfliege seit 2011 beobachtet, in diesem Jahr erreichte der Befall aber erstmals „Bekämpfungsnotwendigkeit“. In Baden habe man auf Erfahrungen von Südtiroler Kollegen aufgebaut und energisch, in Einzelfällen wohl auch hektisch agiert. Kilian Schneider und Peter Wohlfahrt warnten zwar eindringlich davor, vorschnell Schlüsse zu ziehen. Auf dem Weinbautag am 19. März in Offenburg und bei mehreren Symposien und Kongressen werden sich Wissenschaftler und Praktiker im Frühjahr zusammensetzen, um die Erfahrungen und die neuesten Forschungsergebnisse und die effizientesten Strategien zu besprechen. Schneider ist sicher: „So viel ist klar, das ist keine Eintagsfliege, aber auch kein Schädling in Reblaus-Dimension.“ Peter Wohlfahrt verteidigte die Winzer mit dem Hinweis, die Maßnahmen seien mit dem Kenntnisstand vor dem Herbst ergriffen worden, und merkte trocken an: „Hinterher ist man immer schlauer.“
Schulterschluss gegenüber Brüssel
Weinbaupolitisch gaben Schneider und Wohlfahrt den Medienvertretern beim Thema Biowein kleine Einblicke in die Brüsseler Gespräche: „Ich habe es vorher noch nie erlebt, dass zwischen einen bayerischen CSU-Minister und unseren grünen Weinbau­minister kein Blatt Papier gepasst hätte.“ Einhellig sei gegen neue Pläne Sturm gelaufen worden. Der Entwurf sei inzwischen abgelehnt und zurück in die Gremien zur Beratung verwiesen worden. Wohlfahrt und Schneider erläuterten, dass der Entwurf bedeutet hätte, dass keine einzige badische Genossenschaft eine Biolinie hätte erzeugen können, da Betriebe komplett umgestellt sein müssten. Zudem seien mit den angedachten Null-Toleranz-Grenzwerten angesichts der engen Verzahnung der badischen Rebflächen und der Möglichkeiten der Schadstoff-Diagnostik völlig praxisferne Parameter geschaffen worden. Und die Pflanzenschutz-regelungen seien vielleicht für warme und trockene Regionen wie Mittelspanien ausreichend dimensioniert, keinesfalls aber in Deutschland praktikabel gewesen.
Thema Mindestlohn
Praxisferne ließe sich nach Ansicht von Kilian Schneider auch den neuen Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn attestieren. Dabei unterschied der Präsident des Badischen Weinbauverbands noch zwei Dimensionen von Praxisferne bei dem Gesetz der Arbeitsministerin Andrea Nahles. Das eine sei die Erhöhung des Mindestlohns von bisher 7,90 Euro/Stunde auf 8,50 Euro - eine klare Verschärfung der Wettbewerbssituation gegenüber Ländern wie Spanien oder Rumänien, wo 1,24 Euro Stundenlohn üblich sei. Das weitaus schlimmere Übel sieht Schneider hingegen beim Bürokratieaufwand für die Betriebsleiter, die für jeden einzelnen Erntehelfer Pausenzeiten zu notieren und zu dokumentieren hätten. Klarerweise werde so der Mechanisierungsgrad in jedem Betrieb noch weiter vorangetrieben. Kilian Schneider rechnet mit mindestens 500 bis 700 Euro Mehrkosten pro ha bei schrumpfenden Spannen. Angesichts solcher Entwicklungen wollen Schneider und Wohlfahrt auch die 1957 entworfenen Regeln zur Alterssicherung für Winzer reformieren, die maximal 30 Prozent der Winzer erreiche.
Pläne zur Autorisierung
Weinbaupolitisch wichtigstes Thema dürfte aber die Regelungen und Ausführungsbestimmungen zur Liberalisierung des 2016 endenden Anbaustopps werden. Schneider favorisiert für die maximal 1 % Flächenwachstum (das entspräche 150 ha in Baden) einen Kriterienkatalog, der optimalerweise auch mit anderen Bundesländern abgestimmt sei: „Wir trauen dem Bund die Kompetenz zur Vergabe von Weinbauflächen nicht zu“, Baden setze daher auf das Subsidiaritätsprinzip und wolle möglichst nahe vor Ort entscheiden. Als mögliche Kriterien nannte Schneider die Hangneigung (15 %) – damit solle eine Öffnung der Rheinebene ausgeschlossen werden, ferner direkte Nachbarschaft zu Weinbauflächen und eine gewisse Deckelung der Flächenvergabe an Einzelbetriebe (etwa 5 ha pro Betrieb, maximal 10 ha in drei Jahren). Als wünschenswert, aber vermutlich nicht durchsetzbar nannten Schneider und Wohlfahrt eine Neueinsteigerklausel, die für junge Weinbau-Absolventen oder Quereinsteiger gelten soll. Angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Erzeuger und der in vielen Genossenschaften spürbaren Überalterung der Mitgliedsbetriebe sind beide aber realistisch: Momentan rechnen beide für Baden nicht mit einem Wachstum der genutzten Rebfläche, sondern maximal von kleinen Verschiebungen innerhalb der Bereiche.
Jan Bertram