Weil Stadtkinder immer weniger über Landwirtschaft wissen, bieten Hans-Christoph und Annika Gill ihren Milchviehbetrieb als Lernort Bauernhof (LOB) an. Ende September fand das Netzwerktreffen Lernort Bauernhof auf ihrem Betrieb in Bodenheim bei Mainz statt. Rund 80 Teilnehmer, Lehrkräfte, Naturpädagogen und Anbieter von Lernort Bauernhof waren dem Aufruf der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz gefolgt, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. In Workshops zu den Themen Milch, Kartoffeln, Kürbis, vom Korn zum Mehl, Vernetzung von Schulgartenschulen und LOB-Unterricht sowie der Bauernhof als Bildungsort konnten die Anbieter miteinander diskutieren.
Insgesamt gibt es derzeit 62 Betriebe in Rheinland-Pfalz, die sich als Lernort Bauernhof zur Verfügung stellen. Im Bundesland mit den meisten Weinbaubetrieben sollte es aber auch Weinbaubetriebe geben, die sich als Lernort Winzerhof bereiterklären. Maria Caesar, die die Höfe von Beginn an betreut, berät bei der Ausarbeitung einer Unterrichtseinheit. Je nach familiärer Entwicklung könne es auch sein, dass ein Betrieb mal aussetzt und eine Auszeit benötigt.
Ministerium unterstützt das Projekt
Dass dieser Tag möglich war, habe man dem neuen Förderprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (mwvlw) zu verdanken. Dieses unterstützt von März 2022 bis Ende 2025 das Projekt Lernort Bauernhof über das rheinland-pfälzische Entwicklungsprogramm Umweltmaßnahme, ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung (EULLE)und über den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER).
Kammer ist mit Umsetzung betraut
„Lernort Bauernhof ist ein großartiges Projekt, das unseren zukünftigen Verbrauchern zeigt, wie Getreide, Obst oder Wein angebaut werden, wie Hühner oder Rinder gehalten und verarbeitet werden, bevor sie in den Supermärkten oder im Hofladen verkauft werden“, sagte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und dankte der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, den Lehrkräften und den Betrieben für ihren Einsatz.
Dass die Öffentlichkeitsarbeit von enorm großer Bedeutung ist, darauf wies der Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Norbert Schindler hin. Die Entfremdung von der Urproduktion sei in vollem Gange. „Durchschnittlich rund 4.800 Schüler hatten vor der Pandemie jährlich die Angebote der LOB-Betriebe wahrgenommen. Während des vergangenen halben Jahres waren bereits 3.400 Kinder und Jugendliche bei 318-LOB zu Besuch. Schindler bat die Ministerin um eine Aufstockung der Fördermittel, um bei dieser hohen Nachfrage den zusätzlichen Aufwand zu stemmen.
Mit der Förderung werden Unterrichtsangebote erarbeitet und Qualifizierungsangebote für die Betriebe ermöglicht, wie Sonja Ziebarth, Projektleiterin Lernort Bauernhof bei der Kammer, erklärte. Zudem werden drei Grundschulungen, drei eintägige Fachtagungen, drei vertiefende freiwillige Weiterbildungen, zwei Bauernhofpädagogische Zertifizierungslehrgänge und neun eintägige Lehrkräftefortbildungen finanziert.
Öffentlichkeitsarbeit als Standbein im Betrieb
Für die Lernort Bauernhof Betriebe, kurz LOB-Betriebe, bedeutet die Förderung ein Zuschlag von 120 Euro pro Unterrichtseinheit, was einem Besuch einer Klasse von zwei bis drei Stunden entspricht. Weitere Kosten müssen Schulen oder Schüler selbst tragen. Der Betrieb Gill hat die Öffentlichkeitsarbeit zu einem Standbein des Betriebes gemacht. Während Annika Gill vorwiegend Klassen durch den Kuhstall führt, übernimmt ihr Ehemann Hans-Christoph Gill auch Betriebsausflüge.
Dr. Nina-Mareen Grenz leitete einen Workshop. Sie stammt selbst von einem Hof in Bad Berleburg und hat sich dem Thema Öffentlichkeitsarbeit in ihrer Dissertation gewidmet. Sie arbeitet in Hessen an der Uni Marburg sowie in Niedersachsen. In Hessen müssen künftige Biologielehrer eine einwöchige Tour durch mehrere Bauernhöfe absolvieren, jeden Tag ein anderer spezialisierter Betrieb mit Übernachtung auf dem Hof. Die wichtigsten zwei Fragen sind:
Was gehört für Sie zu einem Bauernhof? Und was fällt Ihnen ein, wenn Sie an die deutsche Landwirtschaft denken? „Auf die erste Frage kommt meist die romantische Sicht der Landwirtschaft, auf die zweite die Massentierhaltung und der Einsatz von Pestiziden. Zwischen diesen beiden Extremen bewegen wir uns“, sagte Dr. Grenz. Viele Lehrkräfte sind dann überrascht, wie modern die Betriebe sind.
Warum sind kaum Winzer bei LOB-Betrieben dabei?
Wer seinen Betrieb öffnen möchte als Lernort Bauernhof muss gewisse Voraussetzungen erfüllen, dazu gehört, dass die Betriebsleiter einen Grünen Beruf vorweisen müssen. „Unsere Betriebe sollen authentisch vermitteln“, so Ziebarth. Obwohl es in Rheinland-Pfalz so viele Weingüter gibt, sind bisher kaum Winzer beim Lernort Bauernhof. Winzer sehen ihre Öffentlichkeitsarbeit wohl mit Weinproben als beendet an. „Wer möchte, dass das Kulturgut Wein von den kommenden Generationen verstanden wird, der sollte schon heute an seine Kunden für morgen denken“, sagte Ziebarth. Auch im Weinbau gibt es Kreisläufe zu erklären, die Entwicklung des Rebstocks und den Werdegang des Weins zu erklären, um Kindern und Schülern das Kulturgut Wein, das einen Großteil der Landesfläche bedeckt, näher zu bringen.
Ziebarth kündigte an, dass die Landwirtschaftskammer auch bei Realschul- und Gymnasiallehrern mehr Werbung für die LOB-Betriebe machen werde. Mehr Infos zum Lernort Bauernhof gibt es unter www.lernort-bauernhof-rlp.de. zep