Fahrten im 100-km-Radius jetzt komplett befreit

Berufskraftfahrer-Qualifikation für Winzer

Der weitaus größte Teil der Landwirte und Winzer wird auch nach der jüngsten Novelle des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes vom Dezember 2020 von der Berufskraftfahrer-Schulungspflicht befreit sein, die für gewerbliche Fahrer seit vielen Jahren nachzuweisen ist.

Neu eingeführt wurde die Regelung, wonach Kraftfahrzeuge, die von Landwirtschafts-, Gartenbau-, Forstwirtschafts- oder Fischereiunternehmen zur Güterbeförderung im Rahmen ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern vom Standort des Unternehmens verwendet werden, befreit sind. Dies ist in § 1 Abs. 2 Nr. 9 Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz (BKrFQG) geregelt. Damit können sich die lediglich in diesem Umkreis tätigen Aushilfsfahrer, die keine sonstigen Tätigkeiten im Unternehmen ausüben, ab sofort die Schulungen sparen.

Befreiung bei Transport als untergeordnete Tätigkeit

Auch künftig sind außerhalb des 100-km-Radius Landwirte und Mitarbeiter von Landwirten, deren Haupttätigkeit nicht im Befördern von Waren besteht (also der weitaus größte Teil davon), gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz (BKrFQG) von der Schulungspflicht befreit.

Wer zum Beispiel nur gelegentlich oder saisonal seine eigenen Produkte (Getreide, Obst, Spargel, Wein oder ähnliches) vom Betrieb zum Handel, zu Verarbeitern oder zum Großmarkt fährt, ist von der Schulung in der Regel befreit, da der Transport zum Kunden gegenüber den sonstigen Tätigkeiten im Betrieb im ganzen Jahr untergeordnet ist. Entscheidend ist die Gesamtschau der Tätigkeiten über das Jahr hinweg. Die Haupttätigkeit der Landwirtschaft und des Weinbaus (Aussaat, Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Bewässerung, Ernte) wird quasi durch die „Nebentätigkeit“ des Transportes ergänzt. In saisonalen Spitzen, zum Beispiel während der Erntezeit, fällt innerhalb dieser Wochen ein höherer Fahranteil an. Dieser wird aber im Verhältnis zu den anderen Tätigkeiten über das Jahr hinweg relativiert.

Befreiung auch bei Marktständen

Gemäß den einschlägigen Auslegungen der Verkehrsministerien sind zudem auch Fahrer von rollenden Supermärkten befreit, wenn sie gleichzeitig als Verkäufer tätig werden. Ebenfalls Personen, die Fahrzeuge zum Verkauf ihrer Produkte auf Märkten verwenden und dort dann im Verkauf den ganzen Tag über tätig sind. Entscheidend ist immer die Gesamtschau der Arbeiten im Unternehmen mit den Produkten. Wenn allerdings ein Landwirt oder Winzer einen Fahrer anstellt, der außerhalb des 100-km-Radius ausschließlich als Auslieferungsfahrer tätig ist, dann dürfte die Schulung verlangt werden.

Zentrales Register ersetzt Schlüsselzahl „95“

Hintergrund der Änderung des Berufskraftfahrerqualifikationsrechts ist die Umsetzung von EU-Recht. Ab Mai 2021wird die bisherige Eintragung der Schlüsselzahl „95“ in den Führerschein als Nachweis der Aus- und Weiterbildung abgelöst durch die bundesweite Ausstellung des Fahrerqualifizierungsnachweises. Die Papierbescheinigungen in verschiedenen Varianten entfallen sukzessive. Zudem soll durch das Berufskraftfahrerqualifikationsregister eine bessere Kontrolle und Verwaltung der Schulungsnachweise erreicht werden. Nicht zuletzt im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Gütertransport.

Die Pflicht zur Berufskraftfahrer-Qualifizierung gilt vom Grundsatz her für Fahrer im gewerblichen Güterverkehr, die Fahrzeuge ab 3,5 t Gesamtgewicht mit einer der Fahrerlaubnisklassen „C“ bewegen. Weiterbildungsschulungen sind nach jeweils fünf Jahren zu erneuern. Bei neuen Führerschei­nen muss man die Zusatzqualifikation (Grundqualifikation) zusammen mit der Führerscheinausbildung erwerben.

Für selbstfahrende Arbeitsmaschinen und für das Führen von Kfz bis 45 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit (zum Beispiel Traktor) ist keine Qualifikation erforderlich.

Fazit

Insgesamt gesehen bleibt es bei den bisherigen Möglichkeiten der Befreiung für die Landwirtschaft, die jetzt ein wenig erweitert und sprachlich präzisiert wurden. Leider liegen so kurz nach der Verabschiedung noch keine detaillierten und bundesweit von den zuständigen Behörden abgestimmten Auslegungshinweise zur Einordnung von Spezial- und Grenzfällen vor. red