Genossenschaften auf eigenen Wegen

Leserbrief

Die Genossenschaftsverbände fühlen sich vom Deutschen Weinbauverband nicht mehr vertreten und verlassen zum Jahresende den Dachverband, sie überlegen sogar, eine eigene Interessenvertretung aufzubauen. Als Ehrenamtlicher in einer Winzergenossenschaft fühle ich mich vom Genossenschaftsverband nicht mehr vertreten. In einer Zeit, in der die Gesellschaft, und damit die Politik immer mehr Restriktionen gegen die Winzerfamilien beschließt, wird die einzige und bisher gut funktionierende, bundesweite Interessenvertretung in Stücke geschlagen und damit zur politischen Wirkungslosigkeit degradiert.

Wissen die vorrangig haupt­amtlichen Akteure im DRV und dem BWGV überhaupt noch von den Sorgen und Nöten auf den Winzerbetrieben? Nein, sie wissen nicht mehr,

  • was es heißt, mit immer niedrigeren Auszahlungspreisen bei immer weiter steigenden Kosten zu wirtschaften
  • was es heißt, ständig neue Forderungen und Auflagen erfüllen zu müssen
  • was es heißt, von der Gesellschaft argwöhnisch beäugt und von Naturschutzorganisationen als Umweltzerstörer angesehen zu werden, denen möglichst schnell das Handwerk zu legen ist, wie man es in Baden-Württemberg mit dem Volksbegehren versucht hat. Auch da war der Genossenschaftsverband bei den Ersten, die vor BUND und NABU kapituliert haben
  • was es heißt, die ständig steigenden Qualitätsstandards zu erfüllen und mit dem Wetterrisiko zu leben

Denn wenn sie es wüssten, würden sie nicht die einzige bis jetzt gut funktionierende Interessenvertretung in den Abgrund reißen wollen.

Und warum das alles?

Weil man sich bei der Frage der Großlagenregelung nicht verstanden fühlte. Einer Regelung, die eh nicht mehr lange haltbar gewesen wäre und einer kritischen Hinterfragung nicht mehr standhalten hätte. Nicht wenige Gemeinden haben sich großlagenfrei erklärt, um sich der Austauschbarkeit des Ortsnamens vor der Großlage zu widersetzen und den Ortsnamen zu schützen.

Genossenschaftswinzer werden nur noch als Traubenlieferanten gesehen, denen man täglich neue Vorschriften machen und sie mit ein paar Cent für ihre Trauben abspeisen kann. In den Chefetagen werden mit Großabnehmern Billigstpreise vereinbart, während man die Möglichkeiten des Marktstrukturgesetzes nicht nutzt, Stattdessen schaut man lieber zu wie sich eine Genossenschaft auf Kosten der Winzer einen Konkurrenzkampf mit der Nachbargenossenschaft liefert und damit eine Preisspirale nach unten befeuert. Wenn man glaubt, die Genossenschaftswinzer haben keine politische Interessenvertretung mehr nötig, dann und nur dann, kann man aus dem deutschen Weinbauverband austreten. Jetzt sollten die Ehrenamtlichen in den Genossenschaften ihre Stimme erheben und klipp und klar und unmissverständlich sagen: „Mit dem Geld der Genossenschaftswinzer wird keine Konkurrenzorganisation zum Deutschen Weinbauverband aufgebaut – so geht es nicht! Ich tue dies hier öffentlich.“

Winzermeister Kilian Schneider, Aufsichtsratsvorsitzender der WG Oberbergen/Kaiserstuhl