Zur gemeinsamen Mitgliederversammlung und Delegiertentagung trafen sich der Bauern- und Winzerverband (BWV) an Nahe und Glan sowie der Weinbauverband Nahe Anfang April. Der im Junai 2024 gewählte Weinbaupräsident Rainer Klöckner beleuchtete die anspruchsvolle Arbeit der Schutzgemeinschaft Nahe sowie die Zusammenarbeit mit Weinbau- und Bauernverbandsgremien und Behörden auf Landes- und Bundesebene. Auf die Zusammenlegung der Wintertagungen von Bad Kreuznach und Nieder-Olm zu den AgrarWinterTagen habe man mit einem erstmals im DLR durchgeführten Bad Kreuznacher Wintertag reagiert, der sehr erfolgreich gewesen sei. Der Präsident kritisierte das Alkohol-Bashing in der Presse: „Man berauscht sich aktuell an der Abstinenz.“
Mit Politik und Fachleuten in Kontakt
Benjamin Purpus, der Vorsitzende des Bauern- und Winzer-Kreisverbandes an Nahe und Glan, berichtete über ein Gespräch bei Landrätin Bettina Dickes in der Kreisverwaltung, bei dem man auch vermeidbare Bürokratie und Probleme in der Landwirtschaftsabteilung angesprochen habe. Bei Themen wie der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der Düngeverordnung und der Digitalisierung stehe der Vorstand mit Fachleuten in Kontakt. Hinsichtlich der Nitratwerte und der neuen Düngevorschriften stellte er fest: „Wir leiden jetzt darunter, was wir früher auf fachliche Empfehlung getan haben.“
Geschäftsführer Harald Sperling berichtete über die facettenreiche Arbeit der Kreisgeschäftsstelle sowie die Betreuung und Beratung von 1.065 Mitgliedern (davon 334 Weinbaubetriebe, 319 landwirtschaftliche Betriebe, sechs Obstbaubetriebe sowie Wald- und Forstbetriebe mit insgesamt 19.220 ha Fläche), die er zusammen mit Kollegin Diana Wacker bewältige.
Vorstände entlastet
Nach der Aussprache zu allen Berichten waren die Entlastungen der Vorstände beider Verbände eine reine Formsache: Sie wurden einstimmig erteilt.
Naheweinkönigin Zoé Keller de Almeida Soliz blickte auf das schwierige Weinbaujahr 2024 mit Spätfrösten und Hagel zurück. Zudem sei der Weinkonsum weiter zurückgegangen und die Kosten gestiegen. Dennoch dürfe man sich den Optimismus nicht nehmen lassen.
Klöckner spricht zu „ihren Bauern und Winzern“
Beifall brandete auf, als die eine Woche zuvor gewählte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) die Aula des DLR in Bad Kreuznach betrat. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin und Guldentaler Winzerstochter löste damit ein Versprechen ein, das sie „ihren Bauern und Winzern“ vor der Wahl gegeben hatte. Eigentlich hätte Klöckner über „Zukunftsperspektiven der Agrarwirtschaft und Erwartungen an die Bundesregierung in herausfordernden Zeiten“ sprechen sollen. Stattdessen berichtete sie aktuell über erste Entwicklungen und Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Berlin.
„Wir brauchen Pflanzenschutzmittel – auch dazu wird die Koalition etwas sagen. Doch das setzt nicht außer Kraft, dass man nachhaltiger wirtschaften und auf moderne Pflanzenzüchtungen setzen kann“, sagte Klöckner. Aber dies war noch nicht ausverhandelt. Wenn Landwirte in Gebäude oder Maschinen investierten, müssten sie sich darauf verlassen können, dass Rahmenbedingungen und andere Regelungen langfristig gelten. „Wir brauchen längere Planbarkeit. Da sind sich jetzt auch die Koalitionäre einig.“ Klöckner unterstrich zudem die Bedeutung von fairem Wettbewerb und berichtete von Einigkeit der Koalitionäre, „dass wir Bürokratie nicht nur bremsen, sondern proaktiv zurücknehmen müssen.“
„Es ist kein falsches Ziel, nachhaltig wirtschaften zu wollen“, merkte Klöckner zum Thema Green Deal an. Aber Nachhaltigkeit habe stets drei Säulen: eine ökologische, eine ökonomische sowie eine soziale Komponente. Man dürfe den deutschen Landwirten nicht mehr Tempo bei den Veränderungen zumuten, als ihre Berufskollegen in anderen Ländern aushalten müssten. Wir haben einen Binnenmarkt, und das sehen wir bei der Konkurrenz im Regal“, so Klöckner.
Ursula von der Leyen wolle die EU zu einem Grow Deal (Wachstumsdeal) bringen. Die Ausrichtung auf das Thema Nachhaltigkeit werde dann nicht mehr so einseitig wie bis dato wahrgenommen, um Wachstum zu ermöglichen. Die Erfüllung hoher Anforderungen müssen den Landwirten auch honoriert werden, forderte Klöckner, die sich für Handelsabkommen anstelle von Protektionismus aussprach und auf Chancen in China verwies.
Klöckner fordert Ausnahmen beim Mindestlohn
In Sachen Bürokratie forderte Klöckner, dass der Staat bei Themen wie Flächenerfassung, Erntemeldung und Digitalisierung mit gutem Beispiel vorangehen müsse. Klöckner sprach auch das Thema „Mindestlohn“ an. Im Sondierungspapier sei festgehalten, dass die Tarifparteien autonom bleiben sollen. Mindestlöhne sollten nicht politisch oder gesetzlich festgelegt werden. In der Landwirtschaft müsse man darauf achten, dass Ausnahmen bei Saisonarbeitskräften möglich sind, die brutto für netto bekämen. Dies wurde vom Publikum durch Beifall bestätigt.
In den Parlamenten müsse ankommen, dass es bei Landwirtschaft und Weinbau sowie Themen wie Tierhaltung und Ackerbau „am Ende jeden Tag um unsere Lebensmittel geht“, forderte Klöckner. Im Gegensatz zu anderen Branchen hätten die Landwirte keine Berufsvertretung, wie sie in Berlin andauernd auf der Matte ständen. Norbert Krupp