Herkunftsprofilierung und Nachhaltigkeit

Gemeinsame Tagung von DWV und AREV

Bei der gemeinsamen Tagung des Deutschen Weinbauverbandes (DWV) und der Weinbauregionen Europas (AREV) in Heilbronn standen die EU-Weinbaupolitik und besonders die Weiterentwicklung des Systems der Geschützen Herkunftsbezeichnungen (Geoschutz) in der EU und in Deutschland im Mittelpunkt. DWV-Präsident Klaus Schneider begrüßte die Vertreter aus den deutschen Anbaugebieten, aber auch aus den europäischen Ländern. Die Themen sind in allen Regionen aktuell: der europäische Green Deal, die europäische Alkoholpolitik im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Krebs, die Etikettierung und die Reform der Verwaltung der geografischen Angaben (g.A.). Schneider vermisste den Bundeslandwirtschaftsminister oder einen seiner Staatssekretäre und zeigte sich besorgt über die mangelnde Unterstützung des Bundesministeriums. Er betonte wie wichtig eine wissenschaftliche und nicht emotionale Prüfung der Zulassung von Kaliumphosphonat als Alternative zu Kupfer für den Ökoweinbau sei.
Der Weinbauverband fühlt sich mit seinen immensen Problemen von der Bundesregierung nicht wahrgenommen. Die Weinbaubranche sieht sich mit großen Herausforderungen konfrontiert: Zum Beispiel wird auf EU-Ebene immer wieder eine Abschaffung der Absatzförderung und ein Werbeverbot für Wein diskutiert.
Der DWV-Präsident setzte einen Schwerpunkt beim Thema Herkunftsprofilierung. Die Schutzgemeinschaften, die für die Profilierung in den Gebieten verantwortlich sind, befassen sich mit der Umsetzung der Weinverordnung. „Alle Schutzgemeinschaften müssen sich der Möglichkeit und der Verantwortung für ihr Gebiet bewusst sein“, so Schneider. Er appellierte an die Branchenvertreter: „Alle müssen zum Wohle des Gebietes Kompromisse bei der Herkunftsprofilierung finden.“
Ein Schwerpunktthema der Verbandsarbeit ist die „Nachhaltigkeit“. Diese sei näher zu definieren und Kriterien zu finden. Schneider forderte aktive Unterstützung und einen besseren Dialog mit der Politik auf allen Ebenen. Der Verband diskutiere intern intensiv über Nachhaltigkeit, auch mit der Branche, zum Beispiel im Rahmen des 64. Internationalen DWV-Kongresses. Offen bleibt für Schneider die entscheidende Frage, ob man im Bundesministerium die Bemühungen des Verbandes anerkennen wird oder ob weiterhin ausschließlich die Förderung von Ökoweinbau favorisiert wird. Schneider mahnte, dass mit den aktuell im Ökoweinbau zur Verfügung stehenden Mitteln die Zielvorgabe der Bundesregierung von 30 Prozent Ökofläche nicht zu erreichen sei. „Es braucht ein offenes Bekenntnis und großes Engagement nicht nur der Erzeuger, sondern auch der Politik, auch auf europäischer Ebene, um Lösungen zu finden“, meint Schneider.
Zutatenangaben aufs Etikett anstatt E-Label
Verärgert ist der Präsident über die Haltung der Bundesregierung zur Reform der Lebensmittelinformationsverordnung. Mit der Forderung, alle Zutatenangaben auf das Etikett zu drucken, verhindere die Bunderegierung die Digitalisierung. Das E-Label biete Erzeugern wie Konsumenten die Möglichkeit, mehr Informationen zur Verfügung zu stellen.
Schneider beklagte: „Zwar ist der Preis für einen Liter deutschen Wein im Lebensmittel­einzelhandel (LEH) gestiegen. Auch im Export sind deutsche Weine steigend in Wert und Menge. Dennoch werden die Kostensteigerungen und Inflation von den aktuellen Preisen für Wein nicht ausgeglichen.“
Peter Hauk, baden-württembergischer Landwirtschaftsminister, sandte eine Videobotschaft, in der er versprach, sich weiterhin für die Interessen des Weinbaus einzusetzen. Besonders die Erhaltung des Steillagenanbaus liege ihm am Herzen. Als zweitgrößtes weinanbauendes Bundesland habe der Weinbau nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine wirtschaftliche Bedeutung, die unter anderem durch Zuschüsse zur Ernteversicherung unterstützt werde.
Auch Irène Tolleret vom Europäischen Parlament, Co-Vorsitzende der Intergruppe Wein, sandte eine Videobotshaft, in der sie erklärte wie schwer es in den Gremien sei, den moderaten Weingenuss von Alkohol­missbrauch zu unterscheiden.
Die Deutsche Weinkönigin Sina Erdrich rief die rund 200 Teilnehmenden zur verstärkten Zusammenarbeit auf. Die Herausforderungen seien nur durch europäischen Zusammenhalt zu bewältigen.
Emiliano Garcia-Page Sánchez, Präsident der AREV, stellten fest, dass trotz der unterschiedlichen europäischen Anbaugebiete, die Probleme die gleichen seien. Nur gemeinsam könne sich die Branche Gehör verschaffen und Kompromisse finden.
Beihilfe durch SVLFG ohne Antragsverfahren
Für das Bundeslandwirtschafts­ministerium sprach Referatsleiter Dr. Michael Koehler und verkündete, dass im Zuge der Agrarerzeugeranpassungsbeihilfeverordnung zur Abmilderung der Folgen des Krieges in der Ukraine auch die Winzer bedacht werden. Zur Krisenhilfe stehen aus EU- und Bundesmitteln insgesamt 180 Mio. Euro bereit. Anspruchsberechtigt sollen Betriebe des Freilandgemüsebaus, Obst- und Weinbaus sowie der Geflügel- und Schweinehaltung sein.
Die Höhe der Beihilfe beträgt dem Entwurf zufolge für den Weinbau 64 Euro/ha. Die Beihilfe soll auf maximal 15.000 Euro pro Unternehmen begrenzt sein. Die individuelle Beihilfe wird sich nach den Flächen- und Tierzahlen richten, die bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) hinterlegt sind. Die SVLFG soll das Geld ohne Antragsverfahren bereits bis 30. September 2022 auszahlen. Als Voraussetzung für die Hilfe müssen die Betriebe im Jahr 2021 eine Gree­ning-Prämie erhalten haben.
AREV – Loyalität und offene Kommunikation
Der Präsident der AREV hieß die Regionen Pays de la Loire, Centre-Val de Loire und Auvergne-Rhône-Alpes willkommen und stellte die Aufnahme von mindestens zwei weiteren Regionen bis zum Ende des Jahres in Aussicht. Der Präsident konzentrierte sich auf die Themen Handel, GAP, Klimawandel und Verbraucher. Jede Weinregion in Europa habe ihre Besonderheiten, aber er lege großen Wert auf Loyalität, Transparenz und offene Kommunikation in der Beziehung zu den Mitgliedsregionen.
Bei der Sitzung, die vom Europäischen Rat der Weinfachleute (CEPV) unter dem Vorsitz seines Präsidenten und ersten Vizepräsidenten der AREV, Aly Leonardy, abgehalten wurde, ging es um die neue Pflanzenschutzrichtlinie, die Strategie "vom Erzeuger zum Verbraucher", den Europäische Green Deal, Plan zur Krebsbekämpfung, Kennzeichnung und die Reform der Verwaltung der geografischen Angaben sowie die Verwendung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau.
Der Generalsekretär der AREV, Francisco Martínez
Arroyo, ist entsetzt über die übertriebene Sichtweise, den Weinkonsum zu kriminalisieren, obwohl er wissenschaftlich und historisch gesehen ein Bestandteil der mediterranen Ernährung ist, die auch von der UNESCO anerkannt wird.
Vorschlag: Europäische Marke erarbeiten
Der neu gewählte Vizepräsident des CEPV, Thierry Coste, betonte, wie wichtig es sei, konstruktiv mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten. Er schlug vor, auf das Prinzip einer europäischen Marke hinzuarbeiten, die die Initiativen der einzelnen Länder in einem ökologischen und sozial verantwortlichen Ansatz zusammenfasst, das Mosaik der an jede Kultur angepassten Initiativen respektiert, die Sichtbarkeit verbessert und die Erwartungen der Verbraucher an die Information erfüllt.
Coste erinnerte auch daran, dass trotz der Vereinbarungen, die mit verschiedenen Teilen der Kommission über die Besonderheiten der Weinkennzeichnung getroffen wurden, einige Länder (unter anderem auch Deutschland) erwägen, diese Vereinbarungen wieder rückgängig zu machen und Lösungen durchzusetzen, die ebenso unrealistisch wie auch für den Berufsstand völlig ungeeignet sind, wie im Fall von Nutriscore.
Antonella Rossetti, Senior Analyst bei Farm Europe, betonte die Bedeutung von Innovationen im Weinbau und die Wichtigkeit einer grünen Gentechnik (NGT), um den Herausforderungen des Green Deal und der neuen Pflanzenschutzrichtlinie, die am selben Tag von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, zu begegnen.
Verleihung der DWV-Innovationspreise
Bei der Veranstaltung wurden auch die Innovationspreise 2022 des Deutschen Weinbauverbandes übergeben, zwei Gold- und drei Silbermedaillen, die bereits im Rahmen des 64. Internationalen DWV-Kongresses im April bekanntgegeben wurden. Gold erhielt die französische Firma NAIO Technologies für ihren TED Agrar­roboter zur Beikrautregulierung. Ebenso bekam die Firma Lallemand eine Goldmedaille für das oenologische Produkt 20 ML Prime. Dahinter verbirgt sich das Bakterium Lactobacillus plantarum, das für den Biologischen Säureabbau sorgt.
Der Entlauber VITIpulse Combi der Firma ERO aus Simmern kombiniert zwei Entlaubungstechniken in einem Gerät und wurde mit Silber ausgezeichnet. Silber ging auch nach Österreich für das „Revolutionäre Schutzsystem gegen Spätfrostschäden im Weinbau – Helios Wine“ Firma Helmut Hofstätter. Eine weitere Silbermedaille erhielt die Firma WM Agri Technics GmbH aus Italien für Viroc 80, einen neukonzipierten Schlepper für Sonderkulturen, der die Arbeiten im Steillagenweinbau verbessern soll. bs