Mit der Rahmenrichtlinie 2009/128/EG wurde unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips ein gemeinsamer Rechtsrahmen für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln geschaffen. Der Deutsche Weinbauverband (DWV) hat in Zusammenarbeit mit dem DLR Rheinpfalz eine Leitlinie entwickelt, um den Berufsstand und die weinbauliche Beratung bei der Umsetzung zu unterstützen. Integrierter Pflanzenschutz im Weinbau umfasst aufeinander aufbauende und ineinandergreifende Maßnahmen, die in der Leitlinie kompakt erläutert werden.
Mitgliedstaaten haben nationale Aktionspläne verabschiedet
Zur Umsetzung der Rahmenrichtlinie 2009/128/EG haben die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne verabschiedet, mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt und die Weiterentwicklung eines integrierten Pflanzenschutzes festgeschrieben wurde. Dies beinhaltet die Entwicklung, Umsetzung und Anwendung von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Ziel des nationalen Aktionsplans (NAP) ist die Verringerung der Risiken und Auswirkungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Dabei soll die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß begrenzt werden, indem dem Entstehen kritischer Befallsituationen vorgebeugt wird. Hierzu zählen insbesondere pflanzenbauliche Maßnahmen, die auf die Etablierung und den Erhalt gesunder und leistungsfähiger Pflanzenbestände abzielen.
Im deutschen Pflanzenschutzgesetz ist in § 3 geregelt, dass der Pflanzenschutz in Deutschland nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden darf. Diese umfasst die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes (IPS). Im Folgenden acht Punkte in Auszügen:
Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes (IPS)
Vorbeugende/unterstützende Maßnahmen bei der Bekämpfung von Schadorganismen, wie der Anwendung geeigneter Kultivierungsverfahren, Verwendung resistenter Sorten oder von zertifiziertem Pflanzgut, Anwendung ausgewogener Dünge- und Bewässerungsverfahren, Vorbeugung gegen die Ausbreitung von Schadorganismen durch Hygienemaßnahmen (durch regelmäßiges Reinigen der Maschinen und Geräte), Schutz und Förderung wichtiger Nutzorganismen.
Überwachung der Schadorganismen mit Methoden und Instrumenten. Dazu gehören neben den Beobachtungen vor Ort auch Prognosemodelle und Empfehlungen der staatlichen Offizialberatung oder beruflich qualifizierter Berater.
Solide und wissenschaftlich begründete Schwellenwerte sind wesentliche Komponenten der Entscheidungsfindung, wobei die spezifischen Faktoren der betroffenen Gebiete zu berücksichtigen sind.
Biologische, physikalische und andere nichtchemische Methoden sind chemischen zu bevorzugen, wenn sich mit ihnen ein phytosanitär und ökonomisch zufriedenstellendes Ergebnis bei der Bekämpfung von Schaderregern/Schädlingen erzielen lässt.
Die eingesetzten Pflanzenschutzmittel müssen soweit zielartenspezifisch wie möglich sein und die geringsten Nebenwirkungen auf menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt haben.
Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und anderen Bekämpfungsmethoden sollte auf das notwendige Maß begrenzt werden durch Verringerung der Aufwandmenge, verringerte Anwendungshäufigkeit oder Teilflächenanwendung, wobei berücksichtigt werden muss, dass das Risiko der Entwicklung von Resistenzen in den Schadorganismenpopulationen nicht erhöht werden darf.
Resistenzvermeidungsstrategien sind anzuwenden, wenn ein Risiko der Resistenz gegen Pflanzenschutzmaßnahmen bekannt ist und der Umfang des Befalls mit Schadorganismen wiederholte Pflanzenschutzmittelanwendungen auf die Pflanzen erforderlich macht. Um die Wirksamkeit der Produkte zu erhalten, sind verschiedene Pflanzenschutzmittel mit unterschiedlichen Wirkungsweisen anzuwenden.
Berufliche Verwender müssen auf der Grundlage der Aufzeichnungen über Pflanzenschutzmittelanwendungen und der Überwachung von Schadorganismen den Erfolg der angewandten Pflanzenschutzmaßnahmen überprüfen.
Kulturpflanzen- oder sektorspezifische Leitlinien beschreiben eine möglichst detaillierte Umsetzung dieser acht genannten allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. Ihre Erstellung und Umsetzung ist im Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) verankert.
Ziel ist, dass drei Jahre nach Veröffentlichung der jeweiligen kulturspezifischen Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz mindestens 30 % der Betriebe danach arbeiten, nach fünf Jahren mindestens 50 %.
Im Weinbau werden bereits nicht-chemische Maßnahmen im Rahmen des IPS erfolgreich eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist das Pheromonverfahren zur Verwirrung männlicher Traubenwickler, durch das Insektizideinsätze weitgehend vermieden werden. Durch raubmilbenschonende Spritzfolgen und Neuansiedlung dieser räuberischen Milben in Junganlagen wurde die Anwendung von Akariziden in den vergangenen Jahren maßgeblich reduziert. Durch angepasste Bestandsführung kann der Befall durch Kirschessigfliege stark reduziert werden.
Mit einer Teilflächenbegrünung oder einem an den jeweiligen Standort angepassten Begrünungsmanagement wurden darüber hinaus Lebensräume für Nützlinge geschaffen beziehungsweise Maßnahmen zur Erosionsvermeidung, Vermeidung des Nährstoffaustrags und zur Schaffung günstigerer Bodenverhältnisse (Belüftung durch Tiefwurzler, Humusaufbau, verbesserte Versickerung von Niederschlagswasser) umgesetzt.
Integrierter Pflanzenschutz im Weinbau umfasst daher mehrere aufeinander aufbauende oder ineinandergreifende Maßnahmen, die in der Leitlinie kompakt erläutert werden.
Die vorgestellte Leitlinie wurde vom Deutschen Weinbauverband und der amtlichen Beratung erstellt und gibt Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der oben erwähnten acht von der EU beschriebenen und für jeden Winzer gesetzlich verpflichtend umzusetzende Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. Die in den Leitlinien zusammengeführten praktischen Empfehlungen bilden den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ab.
Die Leitlinie unterstützt Winzer dabei, die Pflanzenschutzmittelanwendungen zu minimieren und optimieren. Dabei ist jedoch grundsätzlich zu beachten, dass die angegebenen Maßnahmen an die örtlichen Gegebenheiten und die Anforderungen des jeweiligen Betriebs anzupassen und zukünftige Entwicklungen und Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Dies bezieht sich auch auf sich verändernde gesetzliche Rahmenbedingungen.
Was ist in der Leitlinie festgehalten?
- Wie ein ganzheitliches Vorgehen nach den Richtlinien des intergrierten Pflanzenschutzes vorgesehen ist
- Welche Maßnahmen es gibt, um einem Befall durch Schadorganismen vorzubeugen und/oder ihn zu unterdrücken
- Wie man Nützlinge fördert und nutzt
- Wie ein Befall ermittelt wird und welche Entscheidungshilfen es gibt
- Informationen über die Anwendung von (nicht)-chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen
- Wie in der Erfolgskontrolle und der Dokumentation vorzugehen ist