Nachwuchs in Wissenschaft, Weinbau und Ehrenamt

64. DWV-Kongress

Foto: BDL
Der Deutsche Weinbauverband (DWV) streamte seinen 64. Internationalen DWV-­Kongress vom 11. bis 13. April. Unter dem Motto „Wandel in der Weinwirtschaft nachhaltig gestalten“ diskutierte die Weinbranche. Das „2nd Wine Graduates“ Forum“ startete mit einem Vortrag von Keynotespea­ker Prof. Dr. Mela­né Vivier, Stellenbosch University, über Projekte aus der Biotechnologie. Im Anschluss präsentierten Bachelor- und Masterstudierende sowie (Post-)Doktoranden in dreiminütigen Kurzvorträgen ihre Forschungen. Die jungen Wissenschaftler aus Europa und Übersee vermittelten den über 100 Kongressteilnehmenden kompakt ihre Forschungsergebnisse.
Woran forscht der Nachwuchs?
Von Mitteln gegen Esca oder die Kirschessigfliege über Alternativen für Schwefeldioxid bis hin zur Marktakzeptanz von pilzwiderstandsfähigen Sorten gaben die 25 Vorträge spannende Einblicke in die aktuelle, weltweite Forschung. Für den besten Vortrag jeder Session, den die Zuschauer per Onlinevoting wählten, gab es ein Zertifikat sowie 250 Euro Preisgeld.
In der Kategorie „Klimawandel, Weinbau, Nachhaltigkeit, neue Technologien, Biodiversität und Rebenzüchtung“ überzeugte Patrick Lehr, Universität Hohenheim, die Zuschauer mit seinem Vortrag zum Einfluss der Erziehungssysteme auf den Stoffwechsel der Rebe. Svetlana Cvetkova, Weincampus Neustadt, gewann mit ihrem Thema UV-C-­Behandlung in der Weinbereitung, einer Alternative für SO2, in der Session „Innovationen in der Traubenverarbeitung, Mikrobiologie und Oenologie“. Den Einfluss von virtuellen und VR (virtual reality)-Weinproben untersucht Meike Stro­bach, die die Kategorie „Analytik, Sensorik und Methoden zur Datenverarbeitung“ für sich entschied.
In der Session „Strategisches Marketing und Management“ überzeugte Barbara Richter, Hochschule Geisenheim, die Teilnehmenden. Sie referierte über Wettbewerbsstrategien für Winzergenossenschaften.
Zum Thema „Dimensionen der Nachhaltigkeit in der Weinbranche und Praxiserfahrungen“ veranstaltete der DWV ein Eröffnungsplenum. Aus aller Welt stellten die Referenten ihre Ergebnisse und Erfahrungen vor, zum Beispiel zur Nachhaltigkeit in der australischen Weinindustrie oder zu Weinprofilen und Verbraucherakzeptanz von Piwis. Eine Joint-­Session, also eine gemeinsame Sitzung von Experten aus Weinbau, Oenologie und Ökonomie, drehte sich um Klimarisiken und nachhaltige Handlungsoptionen.
Jungwinzer-Kongress von BDL und DWV online
Biowein, Ehrenamt und media­ler Hype im Weinbau – das waren die Themen des Online-­Jungwinzer-Kongresses des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL). Der BDL lud zu einer Drei-Session-Veranstaltung ein und kooperierte dafür mit dem ECOVIN Bundesverband Ökologischer Weinbau, Deutschen Raiffeisenverband und Vinissima Frauen und Wein. „Die Weinbranche steht vor vielfältigen Herausforderungen“, machte Katharina Rößler, Vorsitzende der Landjugend RheinhessenPfalz zu Beginn deutlich. Sie moderierte die Veranstaltung und rief junge Leute dazu auf, sich in der Landjugend zu engagieren.
Jede zweite Flasche Biowein wird unbewusst gekauft
„Was braucht Bio für die Zukunft?“, das war die Frage der ersten Session, zu der Ecovin-­Geschäftsführerin Petra Neuber zwei Experten für Impulsvorträge und zwei Jungwinzer zum Erfahrungsaustausch eingeladen hatte. Wie es um Biowein im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) steht, berichtete Matthias Baumann von der Bionisys GmbH, einem auf Biowein für den LEH spezialisierten Händler. Er verdeutlichte, dass die Rahmenbedingungen für Biowein im LEH durch Skandale und die Coronakrise nicht immer rosig waren. Fridays for future, die Glyphosat-­Diskussion und Fukushima hätten Aufwind gegeben. Für den Verkauf von Biowein im LEH seien eine eindeutige Auszeichnung am Regal sowie die Etikettengestaltung wichtig.
Wie die Wertschöpfung von Biowein in Deutschland aussieht zeigte Prof. Dr. Gergely Szolnoki (HGU) anhand seiner Untersuchungen vor der Pandemie: 40 % der befragten Konsumenten kannten Biowein nicht. Erstaunlich war, dass jeder zweite Konsument nicht bewusst Biowein gekauft habe. Andere Faktoren wie der Preis oder die Bekanntheit des Weinguts seien wichtiger. „Die neue Generation wird einiges bewegen“, davon ist der Experte überzeugt, da sie offener und nachhaltiger sei.
Karl-Josef Thul, Jungwinzer im Familienweingut an der Mosel, entschied sich nach seinem Weinbaustudium bewusst gegen eine Umstellung auf Ökoweinbau. Er habe Versuche gemacht, aber scheiterte an den Steillagen. Durch seine Direktvermarktung könne er den Kunden vor Ort zeigen, wo der Wein wächst. Lars Hieber vom Weingut Schäfer-Heinrich in Heilbronn ist in einem Ökobetrieb aufgewachsen. „Es ist immer ein Bonus, wenn man Öko ist“, erklärte er im Hinblick darauf, dass sie stark im Großhandel vertreten sind. Im Vordergrund müsse man aber gute Weine machen, ergänzte er.
Die Ecovin-Geschäftsführerin Neuber erstellte mit den Referenten eine Wunschliste an die Politik, die den Ökoanteil erhöhen möchte. Ohne Geld für Forschung und Kommunikation, um Bioweine bekannter zu machen, gehe es nicht, verdeutlichte Neuber. Alle waren sich einig, dass die Konsumenten immer mehr Piwis nachfragen und diese das Potenzial haben, Weinbau vor allem in den Steillagen zukunftsfähig zu machen. Dafür gebe es aber noch einige Stellschrauben, an denen man drehen müsse.
Was braucht Ehrenamt für die Zukunft?
Um das Thema Ehrenamt drehte sich der zweite Teil der Jungwinzer-Tagung, die der Deutsche Raiffeisenverband mitorganisierte. Nach Vorstellung der BDL-Junglandwirte-­Studie trafen Denis Kirstein (Geschäftsführender Vorstand der Winzergenossenschaft Achkarren), Matthias Hechler (Vorstand der Heuchelberger Weingärtner eG) und Anja Antes-­Breit (Rebveredlerin und Mitglied der Jungwinzerinnen-­Gruppe Vinas) auf dem virtuellen Podium aufeinander. Sie stellten übereinstimmend fest, dass die Corona-Pandemie beim Ehrenamt Lücken gerissen hat, die sich nicht im Vorbeigehen schließen lassen. Vielmehr brauche es engagementfreundliche Strukturen und Offenheit, damit sich Winzer und Winzerinnen neben dem Job für den Weinbau engagieren. „Für das Ehrenamt brauchen wir motivierte Leute“, unterstrich Kirstein. „Ältere müssen an Jüngere weitergeben“, ergänzte Hechler.
Nur 11 % der Betriebsleiter weiblich
„Betriebe von Winzerinnen: Alles hype oder wirklich besser?“ Zu diesem Thema gestaltete Vinissima den dritten Teil des Kongresses. Den Status Quo von Frauen in Führungsrollen der Weinwirtschaft beleuchtete Linda Bitsch, HGU, anhand von Studien. Nur 11 % der Betriebsleiter in der Landwirtschaft seien weiblich. Dafür gebe es drei Gründe, darunter das geschlechtsspezifische Lohngefälle „Gender-Pay-Gap“.
Im Anschluss diskutierte Rößler gemeinsam mit Katja Apelt (Chefredakteurin von Wein+Markt) und Julia Weckbecker (Winzerin und Mitglied im Vinissima-Vorstand) zum Thema. Apelt befürwortete, dass Winzerinnen in den Medien nicht mehr so gehyped werden. Es sei völlig normal, dass Frauen und Männer die gleichen Berufe haben.
„Das Geschlecht spielt bei der Unternehmensführung keine Rolle“, unterstrich auch Julia Weckbecker, die nach ihrem Weinbaustudium in den elterlichen Betrieb an der Mosel eingestiegen ist. In der Diskussion verständigten sie sich darauf, dass Frauen es im Weinbau nicht unbedingt besser machen als Männer und jede Frau ihren eigenen Weg sucht. Allerdings brauche es mehr Frauen in den Grünen Berufen und in Führungspositionen landwirtschaftlicher Betriebe. Dabei können Netzwerke wie Vinissima unterstützen, stellte die BDL-Vorsitzende klar. isp