Mit dem Thema „Unternehmensführung in herausfordernden Zeiten“ beschäftigten sich über 60 Teilnehmer bei einer eintägigen Fortbildung an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg. Es hat bereits eine lange Tradition, dass der Verein Ehemaliger Weinsberger Fortbildungen organisiert – vom Pflanzenschutz über Neuerungen der Kellertechnik bis zur Vermarktung gibt es spannende Themen.
Am 17. April stand Unternehmensführung auf der Agenda, die für viele Betriebe in der aktuellen Marktsituation herausfordernd ist. Der gesellschaftliche Trend zu einem geringeren Alkoholkonsum, steigenden Betriebskosten bei gleichzeitig sinkendem Absatz, nicht zuletzt durch die hohe Konkurrenz ausländischer Weine, und teils fehlende Investitionsmöglichkeiten für Betriebe, machen der Branche schwer zu schaffen.
Einen Überblick über die betriebswirtschaftliche Situation in der Branche gab zum Einstieg Steffen Zeyer, der an der LVWO für diese Themen in der Lehre zuständig ist. Ernüchternde Zahlen zeigten die weltweite Überproduktion an Wein, die auf einen rückläufigen deutschen Markt trifft. Gleichzeitig steigende Produktionskosten in den Betrieben schlagen sich in sinkenden Unternehmensgewinnen nieder.
Preisuntergrenzen für verschiedene Szenarien
Uwe Michelfelder, LVWO, beleuchtete die Kosten der Traubenerzeugung unter aktuellen Bedingungen und stellte für verschiedene Szenarien Preisuntergrenzen dar, die bei Traubenverkauf erzielt werden müssten. Auch hier mahnten die Ergebnisse zur genauen Betrachtung der Kosten im eigenen Betrieb und zu unternehmerischem Handeln. „Kosten für Abschreibung und die Entlohnung der Familienarbeitskräfte werden sehr oft nicht eingepreist. Das ist ökonomisch nicht nachhaltig“, erklärte Michelfelder.
Best-Practice-Beispiele aus der Branche
Hoffnungsvoller stimmten die beiden Best-Practice-Beispiele aus der Branche, die Einblicke in ihre eigene Unternehmensführung gaben und mit Ideen aufwarteten, wie man der aktuellen Situation begegnen kann. Sowohl Philipp Müller aus Kleinfischlingen in der Pfalz als auch Fritz Lösch aus Windischenbach in Württemberg zeigten auf, wie es in herausfordernden Zeiten gehen kann.Beide Betriebe stellten heraus, dass sie schon immer Gelegenheiten, die sich auf dem Wege ergeben, mitgenommen haben. So hätten sie nicht lange Zeit immer die gleichen Absatzwege genutzt und dieselben Produkte vermarktet.
Philipp Müller nutzte Kontakte, die sich über das verstärkte Privatkundengeschäft während der Corona-Pandemie ergaben, um den Exportanteil zu steigern. Mittlerweile hat der Vertriebsweg einen Anteil von 30 % am Absatz. Steigerungen waren vor allem in angrenzende Länder wie Belgien und Niederlande möglich, aber auch nach Skandinavien.
Fritz Lösch, Traubenproduzent und Genossenschaftsmitglied, reduzierte seine Weinbaufläche zunehmend, um dafür den Betriebsteil Obstbau auszubauen, der höhere Rendite brachte. Hier wurde die Situation zu Pandemie-Zeiten genutzt, um die Direktvermarktung auszudehnen und daraus in Kooperation mit einem landwirtschaftlichen Betrieb ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Beide Betriebe legen großen Wert auf die regelmäßige Kontrolle ihrer Zahlen. Mindestens einmal im Quartal beobachten sie Umsatzentwicklungen sowie Kostenveränderungen aufmerksam und behalten die Kennzahlen aus der Buchführung im Blick. Dadurch erkennen sie, wo Änderungen nötig werden (z.B. Ausdehnung oder Einschränkung eines Produkts oder eines Betriebszweigs). So gab einer der Betriebe mit der Zeit weit vom Standort des Weinguts entfernte Flächen auf, da die Bewirtschaftung mit der Zeit zu hohe Kosten verursachte.
Möglichkeiten für ein zweites Standbein
Der zweite Teil des Tages beschäftigte sich mit dem Thema „Diversifizierung“. Was tun, wenn die Trauben- und Weinerzeugung nicht reicht, um den Betrieb zu halten? Welche Möglichkeiten haben landwirtschaftliche Betriebe? Vanessa Hauert, an der LVWO im Bereich Marketing und Weintourismus tätig, erläuterte mit Beispielen, dass Weintourismus einem Betrieb ein zweites Standbein ermöglichen kann, sei es mit Übernachtungen, Gastronomie oder Veranstaltungen. Weinerlebnisführerin Claudia Steinbrenner stellte die Erfolgsgeschichte der Weinerlebnisführer Baden-Württemberg und deren vielfältige Aktivitäten vor.
Weintourismus erfordert Investitionen des Betriebes und das Thema Bauen ist stets mit Genehmigungsverfahren verbunden. Auch dies wurde in der Veranstaltung nicht außenvorgelassen. Zwei Expertinnen des Landratsamtes Heilbronn erklärten Regularien, Gesetze, aber auch Fördermöglichkeiten, die Betriebe für ihre Diversifizierungsvorhaben nutzen können.
Vanessa Hauert, LVWO