Wein & Gesundheit: Phenole begünstigen Darmflora

Foto: Andrea Kerth
Die J-Kurve, also die protektive Wirkung des moderaten Konsums alkoholischer Getränke, ist heute unumstritten, so Prof. Dr. Nicolai Worm anlässlich des DWA-Symposiums im Rahmen des Wissenschaftlichen Kongresses "Ernährung 2014" Ende Juni in Ludwigsburg. Besonders das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sinkt bei moderatem Konsum deutlich. Vieles spricht dafür, dass Ethanol per se als Mediator im antiatherogenen und antithrombotischen Geschehen ein wesentlicher präventiver Effekt zukommt. Aber: In allen Metaanalysen, die eine Differenzierung zwischen verschiedenen alkoholischen Getränken vorgenommen haben, schneidet der Wein deutlich besser ab. Warum?

Neue Ergebniss in Ludwigsburg vorgestellt
Den Polyphenolen und ihren antioxidativen Eigenschaften wird ein großer Teil der Wirkung zugeschrieben. Aber: Sie werden schlecht resorbiert und gelangen nur zu einem geringen Teil ins Blut. Neue Forschungen über die Mikrobiotika und die gastrointestinale Barriere zeigen, wie Polyphenole über eine lokale Wirkung im Darm den antioxidativen Status des Gesamtorganismus verbessern können. Dazu stellte Prof. Mladen Boban vom Department of Pharmacology der Universität Split neue Erkenntnisse – teilweise aus seinen eigenen Untersuchungen – dem interessierten Kongresspublikum vor.
Wein wird – in moderaten Mengen – meist zum Essen genossen. Essen ist Stress, und Wein reduziert die Folgen dieser Stressreaktion, so Prof. Dr. Mladen Boban. Glukosespitzen und eine Anflutung von oxidierten beziehungsweise oxidierbaren Lipiden führen postprandial zu oxidativem Stress. Die heute vorherrschende ungünstige Ernährungsweise bewirkt eine Veränderung der mikrobiellen Darmflora und führt zur erhöhten Darmpermeabilität. Das ist messbar: bereits ein halbe Stunde nach einer fettreichen Mahlzeit ist die Konzentration von Endotoxinen (= Zellmembranbestandteile von Bakterien) im Blut um das 5-fache erhöht. Bei stark übergewichtigen Menschen ist dieser Effekt ausgeprägter. Die Folge ist die Produktion pro-inflammatorischer Zytokine und damit einer Entzündungsreaktion im ganzen Körper. Das wiederum aktiviert Immunzellen, die zu einer Insulinresistenz beitragen – Diabetes und Adipositas sind vorprogrammiert.

Polyphenole bringen positiven Effekt
In den letzten Jahren wurde die Forschung bezüglich der Bedeutung des Darmes für die Entstehung von Erkrankungen vorangetrieben. Mit diesen neuen Erkenntnissen lässt sich die herausragende Wirkung des Weines besser erklären. Wein enthält neben dem Alkohol zahlreiche Pflanzeninhaltstoffe (Polyphenole), für die stoffwechselmodulierende, entzündungs- und gerinnungshemmende Effekte nachgewiesen sind. Aber: sie werden oft schlecht resorbiert, weshalb Kritiker die protektive Wirkung in vivo immer bezweifelten. Die neuere Forschung zeigt aber, dass sie gar nicht resorbiert werden müssen. Werden sie zusammen mit einer Mahlzeit aufgenommen, so verhindern sie schon im Darm die Bildung von Entzündungsmediatoren. Zudem wirken sie im Sinne von Probiotika, das heißt sie verändern die Zusammensetzung der Darmflora zugunsten positiver Bakterienstämme, was unter anderem zu einer intakten Darmbarriere beiträgt. Ein weiterer Effekt unterstützt diese Wirkung: wird Wein zum Essen genossen, so steigt vorübergehend der Harnsäurespiegel im Blut an. Harnsäure ist hier nicht als negativ zu sehen, sondern als ein endogener Mechanismus zur Bekämpfung des postprandialen Stresses: Harnsäure ist eines der wichtigsten Antioxidantien.Prof. Boban ist sich sicher: 70 % der positiven Effekte der Polyphenole im Wein haben ihren Ursprung bereits im Darm, nur 30 % sind auf ins Blut absorbierte Stoffe zurückzuführen.


Deutsche Wein-Akademie (DWA)