Weinbaupolitisches Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung: Tradition, so modern

In Bad Neuenahr diskutierten Politiker und Verbandsvertreter.
In Bad Neuenahr diskutierten Politiker und Verbandsvertreter. Foto: Bettina Siee
Das diesjährige weinbaupolitische Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung fand in Bad Neuenahr statt. Jahrhundertealten Terrassen sind von kulturhistorischer und ökologischer Bedeutung, betonte Rainer Vogler, Wein- und Obstbauschule Krems in Österreich, der über „Trockenbau von Steinmauern“ sprach. Touristen kommen wegen der Steilhänge in die Wachau, so Vogler. Er zeigte schöne Weinbergshäuschen, gebaut aus Steinen, wie sie am Standort vorhanden waren. Die Vorfahren haben die Stützmauern gebaut, weil sie weniger Land verbrauchten als Böschungen und Erosion vermieden. „Denken Sie in Jahrhunderten beim Bau von Trockenmauern“, sagte Vogler. Althergebrachtes Handwerk ist wesentlich haltbarer als modernes Bauen. „Wir müssen die Jugend ausbilden, um die alten Mauern zu pflegen und zu erneuern“, das ist Vogler ein Anliegen. „Tradition, so modern“ treffe hier zu. Seit 2004 gab es in der Wachau 100 Kurse mit 1200 Kursteilnehmern - es sind 75 Regionalprojekte. Vogler gab einen Einblick in die Kosten: „1 m2 Mauer kostet mindestens 300 Eu­ro in Österreich. Die Kosten können bis 1 400 Euro/m2 steigen.“

Wie wichtig sind Messen?
Christine Baumann, Vinissima, moderierte das Podiumsgespräch „Wie wichtig sind Messen national und international?“ mit Moni­ka Reule, Deutsches Weininstitut, Nadine Poss, Deutsche Weinköni­gin 2013/14, Annegret Reh-Gartner, Weingut Reichsgraf von Kesselstatt und Gerd Rindchen, Rind­chen's Weinkontor. Die ProWein in Düsseldorf ist die wichtigste internatio­nale Weinmesse. Sie habe an Bedeutung gewonnen. Daneben boomen regionale Messen, wie das Weinforum in Mainz oder Wein am Dom in Speyer. Annegret Reh-Gartner sieht Messebeteiligungen auch kritisch, denn es komme auf Abschlüsse an. Deshalb gelte es, sich auf erfolgreiche Messen zu konzentrieren und diese gut nachzuarbeiten.
Das DWI konzentriere sich auf zehn Auslandsmärkte und übernehme bei den Messen die Logistik für die Winzer, betonte Monika Reule. Wichtig beim Messeauftritt der Winzer seien Selbstverständlichkeiten, wie etwa keine verschränkten Arme hinter dem Stand und am Morgen eine frisch geöffnete Flasche. Für Rindchen ist seine Hausmesse am wichtigsten. Er ist immer offen für neue Winzer, die ihre Proben zum Verkosten schicken. Weinkönigin Poss sieht ihre Aufgabe darin, auf deutsche Weine aufmerksam zu machen und sie modern zu präsentieren.

Verbraucherstudie Generation Y
Prof. Dr. Edith Rüger-Muck und Anne Lena Wegmann vom Weincampus Neustadt stellten Ergebnisse vor zur Verbraucherstudie „Generation Y = Generation Wine“. Diese 18 bis 35-jährigen machen 20 Prozent der Bevölkerung aus. Diese Generation kennt Konsum im Überfluss, höchsten Lebensstandard, ist bestens ausgebildet, arbeitet gerne, ist aber auch ich-bezogen und will sich erholen. Sie wissen nicht viel vom Wein, sind aber interessiert. Sie schließen vom Preis auf die Qualität und sind bereit, 5 bis 10 Euro pro Flasche auszugeben. Kaufentscheidend sind außerdem Empfehlungen, Etikett und Verkaufsförderungsaktionen im Laden. 72 Prozent dieser Generation mögen Cocktails. Weincocktails wären also ein interessanter Markt. Zuhörer kritisierten, dass Studen­ten in weinaffinen Regionen an der Studie teilnahmen.

An dem Podiumsgespräch „Junge Talente und neue Ideen“, beteiligte sich Theresia Riedmaier, Landrätin Südliche Weinstraße, Dörte Näkel vom Weingut Meyer-Näkel, Dernau, und Marius Meyer vom Weingut Klaus Meyer, Rhodt. Die ehemalige deutsche Weinkönigin Julia Bertram aus Dernau moderierte. Es gibt eine große Bereitschaft der Jungwinzer auszuprobieren, aber das „Althergebrachte“ zu wertschätzen.„Junge Südpfalz - da wächst was nach“ ist ein erfolgreicher Wettbewerb, der es der Jugend ermöglicht, wahrgenommen zu werden. Marius Meyer aus Rhodt freut sich, dass es keinen Neid unter den 20 Gewinnern des Wettbewerbs gebe: „Die Kommunikation tut uns allen gut.“
Kurt Beck, Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung und Ministerpräsident a. D., erinnerte an die 80er Jahre, als die Betriebe in existenzieller Not waren. Seit den 60ern war die Rebfläche um ein Drittel gewachsen und die Natur schenkte 1982/1983 hohe Erträge. Durch politische Entscheidungen, wie die Mengenbegrenzung, die durchaus schmerzhaft waren, sei es gelungen, dem Weinbau langfristig zu helfen.

Weinbau gestern und heute
Norbert Weber, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, befürwortet die Verwendung von Kleinstlagen im Premiumsegment, will aber keine Zweiteilung: „Entweder Einzellage oder Katasterlage“. Weber ist einverstanden mit den von Rhein­hessen vorgeschlagenen Überlegungen, die objektive Qualität im Glas besser mit der Herkunftsbezeichnung zu verknüpfen. Stefan Rumpf, Weingut Kruger-Rumpf, ist überzeugt davon, dass sich der Strukturwandel fortsetzt. Hendrik Hering, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, bezeichnete es als großen Fehler der EU, den Wein, ein Kulturgut, mit Ackerfrüchten gleichzusetzen. Die Politik habe manches von den Winzern abwenden können. bs