Blick in die Weinbauforschung

ATW – Ausschuss für Technik im Weinbau

Foto: Bettina Sieé
Die 71. Mitgliederversammlung des ATW (Ausschuss für Technik im Weinbau) fand am 23. und 24. November 2023 im Staatsweingut Hoflößnitz in Radebeul in Sachsen statt. ATW-Vorsitzender Dr. Jürgen Dietrich begrüßte 50 Berater aus allen deutschen Anbaugebieten und moderierte die Präsentationen der Forschungsvorhaben.
Heißwasserbehandlung von Rebenpflanzgut
Matthias Zink, DLR Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße berichtete von Heißwasserbehandlungen bei bewurzeltem Rebenpflanzgut, um zum Beispiel Erreger der Vergilbungskrankheit auszumerzen. Die Reben werden 45 Minuten in 50 °C heißes Wasser getaucht, sodass der Erreger zerstört, aber die Rebe nicht beeinträchtigt wird. Das Triebwachstum im Jungfeld kann verzögert sein. Syrah verträgt die Prozedur besser als Riesling. Im vierten Versuchsjahr wurden verschiedene Zeitpunkte der Behandlung bei Merlot auf SO4 während der Kühlhauslagerung getestet. Als Ergebnis hält Zink fest, dass die Heißwasserbehandlung idealerweise zwei Monate vor der geplanten Pflanzung stattfindet, um verzögertes Triebwachstum und Rebenausfall zu reduzieren. Je länger die Lagerung im Kühlhaus nach der Behandlung dauerte, desto größer waren später die Ausfälle.
Automatisierung der Bewässerungssteuerung
An der Automatisierung der Bewässerungssteuerung arbeitet Dr. Matthias Friedel, Hochschule Geisenheim University. Im ersten Projektjahr wurden Bodenfeuchtesensoren auf Funktionalität und Laufzeit überprüft. Dieses Jahr, im zweiten Projektjahr, gab es Verzögerungen wegen veränderter Pachtverhältnisse. Die LoraWAN Funktechnik funktionierte gut und bot eine relativ einfache Möglichkeit, Daten in Echtzeit von vielen Bodensensoren zu erfassen. Die Verwaltung der Daten auf dem Server und die Auswertung erfordert jedoch gute IT- und Programmierkenntnisse. Ein unmittelbarer Rückschluss auf die Wasserversorgung der Reben war nicht möglich.
Bio-Lignincarrier gegen Esca-Erreger
Den Einsatz von Bio-Lignincarriern gegen Esca-Erreger in der Rebenpflanzguterzeugung erforscht Dr. Ruth Walter, DLR Rheinpfalz Neustadt. Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer Bekämpfung von Esca. Die Versuche zeigten, dass ein Einsatz von fungizidgefüllten Lignincarriern als möglicher vorbeugender Baustein zur Esca-Bekämpfung denkbar ist. Das Pilzwachstum konnte in Dornfelder und Silvaner über einen Zeitraum von rund sieben Monaten in der Rebschule deutlich gehemmt werden. Ebenso konnte eine gute Pflanzenverträglichkeit der Behandlung während der Pflanzguterzeugung belegt werden. Erkenntnisse zur Langzeitwirkung der Carrier in Rebenpflanzgut bleiben abzuwarten.
Laubwandbezogene Berechnung in Rebschulen
Mit der Anpassung der laubwandbezogenen Berechnung der Aufwandmenge von Pflanzenschutzmitteln für Rebschulen und Unterlagenschnittgärten mit Tischerziehung befasst sich Matthias Zink, DLR Rheinpfalz. In den Versuchsjahren 2022 und 2023 konnte in der Rebschule mit einer im Vergleich zur Berechnung nach dem Laubwandmodell um 20 % erhöhten Aufwandmenge bei Oidium eine merkliche Befallsreduktion erzielt werden. Ob eine Anpassung des Laubwandmodells für Rebschulen erforderlich ist, müssen weitere Versuche prüfen.
Bei der Tischerziehung im Unterlagen-Muttergarten konnte bei der Behandlung mit dem neu entwickelten Pflanzenschutzgerät, mit einem horizontal arbeitenden Gestänge ohne Gebläse keine ausreichende Belagsbildung an den Blättern der Tischunterseite erzielt werden. Deshalb wurde 2023 unter Verwendung von wassersensitivem Tropfentestpapier eine gezielte Applika­tionsform erarbeitet. Dazu wurde für den gleichen Anwendungsbereich ein Pflanzenschutzgerät mit Gebläse mo­difiziert, um durch den umgeleiteten Luftstrom, die Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln an der Tischunterseite zu verbessern. Diese Arbeiten werden nächstes Jahr fortgesetzt.
Prozessoptimierung beim Rebschnitt
Andreas Heiß, Hochschule Geisenheim University, arbeitet an der Multi-Sensor-basierten 3D-Lokalisierung von Strukturen in der Rebzeile für die Prozessoptimierung beim mechanischen Rebschnitt. Der derzeitige Ansatz zur Erkennung und Lokalisierung von Pfählen scheint vielversprechend. Mit der entwickelten Methode können Metallpfähle automatisiert selektiert werden. So können detaillierte Karten erstellt werden, denen die Position der Pfähle entnommen werden, um sie bei der Arbeit mit Vorschneidern zu umfahren.
Innovative Gärsalze
Dr. Ramon Heidinger, Weinbauinstitut (WBI) Freiburg, testete die Verwendung von innovativen Gärsalzen, die die Stickstoffversorgung der Hefen sicherstellen, einen Zusatznutzen haben und den Eintrag von Phosphat und Sulfat in weinfremden Konzentrationen vermeiden. Heidinger stellte große Unterschiede der Hefen fest. Diammoniumsulfat (DAS) zeigte einen signifikanten Säuerungseffekt. DAS kann bis 0,5 g/l bei Weißwein empfohlen werden.
Realisierbarkeit von Mehrwegflaschen
Meike Strobach, Hochschule Geisenheim University, möchte konkrete Handlungsempfehlungen zu Flaschenrecycling und Glas-Mehrwegsystemen in der Weinbranche entwickeln. Es sollen Verbesserungen für bestehende und Vorschläge zum Aufbau von Glas-Mehrwegsystemen abgeleitet werden. Zumindest soll für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Ressourcenschonung sensibilisiert und eine Diskussion angestoßen werden. Der Handel ist nicht bereit, ein Mehrwegsystem für Weinflaschen aufzubauen.
Das Beispiel des Weinguts der Hochschule Geisenheim zeigt, dass die Verwendung der Mehrwegflasche im Vergleich zur Einwegflasche, ab dem dritten Umlauf, CO2-Emissionen einspart. Die Einführung eines Mehrwegsystems ist anhand der individuellen Gegebenheiten zu überprüfen. Für Mehrwegsysteme in der Weinbranche sind uniforme Strukturen für die Normierung und Rücknahme von Mehrwegflaschen zu schaffen und die Logistik sowie Flaschenreinigung zu vereinheitlichen.
Energieeffizienz für nachhaltige Erzeugung
Magali Blank, LVWO Weinsberg, testete die Aromarückgewinnungsanlage AromaLoc einer kanadischen Firma. Versuche wurden in Geisenheim und Weinsberg durchgeführt. Die Weine sollen fruchtiger und sortentypischer im Vergleich zur Kontrolle sein. Obwohl es analytisch messbare Unterschiede in der Aromakonzentration gab, wurden sensorische Unterschiede in den Versuchen an beiden Standorten nur in vereinzelten Fällen festgestellt. Das Projekt wird fortgeführt. Das AromaLoc-Verfahren ist bislang weder von der OIV noch in der EU zugelassen.
Universalträger VITRAC für Kleinterrassen
Daniel Regnery, DLR Mosel, stellte das Bewirtschaftungskonzept VITRAC für Kleinterrassen in Steillagen mit über 58 % Steigung vor. Im Vergleich zu den breiten Terrassen haben Kleinterrassen einige Vorteile. Weil keine umfassenden Umlagerungen von Bodenmassen stattfinden, bleibt der humose Oberboden erhalten. Die raue Böschung fördert die Begrünung und wirkt Erosion entgegen. Es bleiben mehr Trockenmauern bestehen. Kleinterrassen in Verbindung mit VITRAC können zum Erhalt wertvoller Kulturflächen in Steil- und Steilstlagen beitragen. Die Arbeitszeit pro Hektar könne um die Hälfe gesenkt werden.
Am Abend moderierte Felix Hößelbarth, Leiter des Weinguts Stiftung Hoflößnitz und Vorsitzender des Weinbauverbandes Sachsen, gemeinsam mit Vorstandsmitglied Claus Höhne eine interessante und genussvolle Piwi-Probe.
Am nächsten Morgen bestätigte die Versammlung den ersten ATW-Vorsitzenden Dr. Jürgen Dietrich und den dritten stellvertretenden Vorsitzenden Prof. Dr. Rainer Jung. Die Teilnehmenden diskutierten künftige Arbeitsvorhaben.
Für das Jahr 2023 standen dem ATW für sieben Fortsetzungsvorhaben 28.900 Euro und vier Neuanträge 23.000 Euro zur Verfügung. Die sich insgesamte ergebende Fördersumme 52.000 Euro teilt sich wie folgt auf: Baden-Württemberg 20.000 Euro, Bayern 5.113 Euro, Hessen 7.700 Euro und Rheinland-Pfalz 19.087 Euro.
Wegen Personalmangel und zunehmender Belastung der Experten an ihren Institutionen müssen einige Vorhaben verschoben werden. Die Tagung endete mit der Besichtigung des Weinguts Hoflößnitz. bs